Eigentlich wollten wir auf Kohlenhydrate verzichten. Dann gehen wir an der Bäckerei vorbei, Ofen-Duft weht in die Nase und Minuten später halten wir eine Tüte mit Kuchen, Croissants und anderen Diät-Killern in den Händen. Oder wir wollten das Bekleidungsgeschäft ignorieren, ehrlich, aber es roch so einladend ins Freie, dass wir doch hinein gingen. Wie es so weit kommen konnte? Unser Geruchssinn schaltete den Verstand aus.

Der Mensch hat fünf Sinne: Wir nehmen wahr, indem wir sehen, hören, schmecken, tasten und riechen. Am stärksten wirken Eindrücke, die uns über mehrere Sinne gleichzeitig erreichen. Dies macht sich das Multisensorische Marketing zunutze. Denn uns erreichen heute täglich so viele Reize, dass wir die meisten gar nicht mehr registrieren. Dazu müssen diese Botschaften unser Filtersystem entweder subtil überwinden oder es ausschalten, indem sie auf allen Kanälen zugleich ansetzen.

Ein subtil wirkender Weg zielt auf unseren Geruchssinn. Der ist mit dem limbischen System verbunden. In dieser Gehirnregion verarbeiten und speichern wir unter anderem Emotionen, die wir mit bestimmten Erinnerungen verknüpfen. Gleichzeitig steuert das limbische System die Ausschüttung von Endorphinen, unseren körpereigenen Glückshormonen. Gerüche werden intensiver gespeichert als etwa visuelle Eindrücke, und mit vielen Gerüchen verbinden wir tief sitzende Gefühle. Daran anzudocken, macht sich das Duftmarketing zur Aufgabe

Duftmarketing ist auch als Air Design bekannt. Marketingstrategen wissen nicht erst seit dem Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind, wie unwiderstehlich Gerüche wirken können. Modernes Air Design soll zu einer entspannten Atmosphäre beitragen. Der Kunde, Gast, soll sich wohlfühlen – und konsumieren. Das gelingt umso besser, je mehr der Besucher sein bewusstes Denken ausschaltet.

Dabei helfen intelligent gewählte Düfte: Sie gehen ins limbische System, greifen auf emotionalisierte Erinnerungen zu und lösen angenehme Gefühle aus. Reize, die uns so erreichen, sprechen ungefiltert an, sie gehen uns unter die Haut. Der Bäckerei-Duft erinnert an die kuchenbackende Großmutter in Kindheitstagen. Und sofort verdichtet sich der Geruch um Bilder, Farben, Töne und Geschmacksaromen. Was so alltäglich passiert, versucht das Duftmarketing gezielt auszulösen.

In einer Untersuchung von Anja Stöhr, Professorin für Marketing an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, in Zusammenarbeit mit der Universität Paderborn, erhöhte der Duft-Einsatz die Verweildauer der Kunden am Verkaufsort um 15,9 Prozent und den Umsatz um 6 Prozent. Oft nehmen die Kunden den Duft nicht bewusst wahr. Praktisch werden dazu in den Verkaufsräumen Duftsäulen aufgestellt oder die Düfte werden über Klimaanlagen und Lüftungssysteme unter die Menschen gebracht.

„Corporate smell“ für die „corporate identity“

Wer erst verstanden hat, wie wirkungsvoll Duftmarketing sein kann, entschließt sich womöglich, den ganzen Schritt zu machen: einen Duft kreieren zu lassen, der nuancengenau zum Unternehmen, seinen Produkten und Kunden passt. Ein solcher Duft wird dann zu einem Element der Corporate Identity: maßgeschneidert, unverwechselbar, erinnerungsstark.

Das Lederwarenunternehmen BREE setzt einen solchen Geruch ein, um in allen Filialen die gleiche Einkaufsatmosphäre zu verschaffen: In BREE-Geschäften duftet es prägnant, doch unaufdringlich nach schwarzem Pfeffer und Orange. Das wird auch jahreszeitlich variiert. Zur Reisezeit wird der Grundduft beispielsweise um einen Hauch von Sonnencreme ergänzt, im Winter um würzige Noten.

Düfte können auch Print-Produkten zum Mehr an Aufmerksamkeit verhelfen – indem Drucklackschichten Duftnoten beigemischt werden. Um Werbeanzeigen mit Duft optimal umzusetzen, müssen vorweg die Ziele der Botschaften klar definiert werden. Soll mit dem Duft nur eine Aktivierungswirkung des Werbemittels erhöht werden, bietet sich ein Odeur mit hohem Aktivierungspotential an. Dies können Noten wie Moschus oder Vanille sein. Sehr schwach sollten die Düfte dagegen sein, wenn sie nicht ganz fein abgestimmt sind auf die bildlichen oder sprachlichen Botschaften.

Die Möglichkeiten individueller olfaktorischer Auftritte sind so immens wie noch ausbaufähig. „Die Nachfrage nach Corporate-smell-Produkten ist groß“, sagt Peter Hampel von der ET-Projekt GmbH aus Hannover. Ein angenehmer Geruch runde die Darstellung eines Produktes ab. „Air-Design steckt noch in den Kinderschuhen, wird aber an Bedeutung gewinnen“, gibt sich auch Wissenschaftlerin Stöhr überzeugt. Die Herausforderung ist klar: Unternehmen, die mit ihren Marken wahrgenommen und mit positiven Assoziationen verbunden werden wollen, müssen den Konsumenten über alle Sinne ansprechen. Wer den Weg des Duftes geschickt wählt, hat beste Chancen, dass man ihn gut riechen kann. Wie das praktisch geht, dazu hat New Communication jede Menge wohlriechender Ideen.

Quelle:

F.A.Z., Forschungsgruppe Konsum und Verhalten der UNI Paderborn, Anja Stöhr

Verkaufen mit allen Sinnen – Nutzen von Multisensorik zur Absatzsteigerung, Diplomarbeit von Stefanie Klimpke

Heiß auf Insider-Infos?

Immer up to date: Unser Newsletter versorgt dich einmal monatlich mit brandneuen Trends und Innovationen aus der Kommunikationswelt.

Newsletter bestellen