Ich wollte schon immer Comics zeichnen. Schuld daran ist Walt Disney. Als ich 8 Jahre alt war, faszinierte mich der Zeichentrickfilm „Aladdin“. Ich war so vernarrt in diese 1001-Nacht-Romantik, dass ich mir meine eigenen Fortsetzungen ausdachte. Ich malte ganze Generationen von Aladdin-Nachkommen, erfand kleine und große Liebesdramen rund um die Kinder und Kindeskinder des Märchenprinzen und zeichnete meine Schulhefte mit Comic-Aladdins voll.

Nur leider bin ich eine verdammt schlechte Zeichnerin. Die detailverliebten, schillernden Protagonistinnen meiner Prinzessinnen-Dramen, von denen ich meinen Eltern mit funkelnden Augen erzählte, mutierten auf dem Papier zu plumpen Strichmännchen. Kein Kunst- und Kreativkurs konnte in den folgenden Jahren daran etwas ändern. Ich war einfach schlecht.

Als die ersten Weichen für die Berufswahl gestellt wurden, parkte ich meinen Traum daher auf dem Abstellgleis und entschied mich für die schreibende Zunft. Und siehe da: Buchstaben in die richtige Reihenfolge zu bringen gelang mir wesentlich besser als alles, was ich je mit dem Bleistift ausprobiert hatte. Nach meinem Journalismus-Studium bewarb ich mich dennoch bei einem Comic-Verlag – nicht als Zeichnerin, sondern als Redakteurin. Und ich hatte Erfolg: Für das Comic-Magazin „Fix&Foxi“ brachten andere, zeichnerisch begabtere, Menschen meine Ideen aufs Papier. Und so – auch wenn es nicht die Märchen aus 1001 Nacht waren – schafften meine Geschichten es doch noch in die bunte Welt aus Sprechblasen und Lautmalerei.

Warum ich Ihnen das alles erzähle? Weil wir jetzt schon mitten im Thema dieses Artikels sind: Storytelling. (Vielen vielleicht besser bekannt als „Geschichtenerzählen“.) Ich hätte auch einfach damit einsteigen können, dass ich zwei Jahre lang Chefredakteurin eines Comic-Verlags war und deshalb ganz genau weiß, wie man sich Geschichten ausdenkt und wie man sie erzählt. Aber mal ehrlich: Die Aladdin-Fix&Foxi-Story klingt nicht nur sympathischer und weniger selbstverliebt – sie bleibt Ihnen auch garantiert länger im Gedächtnis. Geschichten sind einfach nachhaltiger als plumpe Werbebotschaften.

Die Gute-Nacht-Geschichte wird zum Marketing-Tool

Storytelling wird deshalb längst in vielen Disziplinen der Unternehmenskommunikation eingesetzt. Die Damen und Herren der PR-Abteilungen vermarkten kaum ein Produkt ohne die passende Geschichte dazu. Dabei funktioniert das Storytelling in der Unternehmenskommunikation nicht anders als das Erzählen einer gelungenen Gute-Nacht-Geschichte.

Eine gute Geschichte braucht fünf Elemente:

  • eine emotional bedeutende Ausgangssituation
  • eine (im besten Fall sympathische) Hauptfigur
  • einen Spannungsbogen, den diese durchleben muss
  • einen Vorher-Nachher-Effekt
  • ein Fazit: die Moral von der Geschichte

Das Prinzip lässt sich eins zu eins auf die Unternehmenskommunikation übertragen: Erzählen Sie mehr anschauliche Geschichten, vermelden Sie weniger „nackte Zahlen“. Bei der professionellen Kommunikation via Storytelling rutschen Unternehmen, Marke oder Produkt in den Hintergrund. Sie bieten nur die Bühne für die Heldentat des Protagonisten. Dabei fesselt nicht die Lösung eines Problems die Zuhörer, sondern der Konflikt selbst.

Ohne Hindernisse kein Happy End

Kennen Sie das „Wake-up Light“? Der Wecker der Marke Philips simuliert den Sonnenaufgang für ein sanfteres und angenehmeres Aufwachen. Zahlreiche Studien belegten den wohltuenden Effekt dieses natürlichen Aufwachprozesses auf den Körper. Doch deren Kommunikation führte nicht zum Erfolg. Erfolgreich wurde Philips „Wake-up Light“ erst, als man eine Geschichte rund um das Produkt erzählte: Die Bewohner des norwegischen Dorfes Longyearbyen, der nördlichste Ort Europas, leiden unter den vielen, dunklen Wintermonaten, in denen sie gar kein Sonnenlicht zu sehen bekommen. Nur anhand des Ladenschlusses sind Tageszeiten überhaupt erkennbar, der Biorhythmus leidet nachhaltig unter der steten Dunkelheit. Abhilfe schafft natürlich – Sie ahnen es bereits – das „Wake-up Light“ von Philips. In der Produkt-Kommunikation, vom YouTube-Video bis zur Pressemitteilung, gab Philips dem Konflikt schließlich wesentlich mehr Raum als der Lösung: der Präsentation des Produktes. Und machte das „Wake-up Light“ so zum Verkaufs-Hit.

Was in den PR-Abteilungen längst Gang und Gäbe ist, entwickelt sich auch im Employer Branding zunehmend zum Trend. Und das aus gutem Grund: Laut einer Studie von Microsoft Deutschland und dem Studentenmagazin Unicum rutschen Informationen zum Arbeitsklima und Erfahrungsberichte anderer Angestellter zunehmen in den Fokus der Jobsuchenden. Die nackten Zahlen (Was verdiene ich? In wie vielen Stunden pro Woche? Zu welchen Konditionen?) reichen den Nachwuchstalenten nicht aus, um sich ein umfangreiches Bild über den potenziellen neuen Arbeitgeber zu machen. Viel mehr zählt die Stimmung unter den Kollegen, der Ablauf eines normalen (und der eines außergewöhnlichen) Arbeitstages, der Umgang mit Feier- und Geburtstagen, die „Spielregeln“ des Unternehmens – kurz: die Frage „Was erwartet mich an diesem Ort, an dem ich künftig einen Großteil meiner Zeit verbringen soll, eigentlich wirklich?“.

Und die Moral von der Geschicht‘: Hier will ich arbeiten!

„Marcus Thomas“ in Cleveland liefert seinen Bewerbern die Antwort auf diese Frage. Die US-Agentur sucht Entwickler für ihre digitalen Projekte. Deshalb hat sie ein Recruiting-Video online gestellt, das einen Tag im Leben ihres Angestellten Nick Zwinggi zeigt. Am Rechner, in der Kantine, beim Körbe werfen in der Mittagspause und beim Anstoßen auf den Geburtstag des Agenturhundes. Gefilmt mit einer Kamera auf dem Kopf, komprimiert auf gut anderthalb Minuten. So entstand ein Video, das auf charmante und humorvolle Weise von „Marcus Thomas“ als Arbeitgeber erzählt – ganz ohne Zahlen, Daten, Fakten.

Natürlich muss die erzählte Geschichte zum Stil des Unternehmens passen. Ein Video, das die Angestellten mit Sektgläsern in der Hand beim Zelebrieren eines Hunde-Jubiläums zeigt, hilft einem Versicherungsunternehmen oder einer Bank nicht beim Etablieren einer glaubhaften Employer Brand, soviel ist sicher. Sicher ist aber auch: Jede gute Arbeitgebermarke hat etwas zu erzählen. Man muss nur wissen, was – und wie.

Quellen:

 

Silke Schröckert

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