Ein kurzer Blick in die Vergangenheit genügt: Schon folgt auf den erhofften Wandel im Handel pure Ernüchterung. Große (Mega-)Trends wie RFID (Radio-Frequency Identification) oder Beacons wurden über Jahre hinweg gehypt. In Future- und Konzept-Stores wurden mögliche Anwendungen getestet. Doch am Point of Sale sind beide Technologien hierzulande noch nicht eingezogen.

Beim Thema Beacons scheint der europäische Handel seine Skepsis aber langsam zu verlieren. Ende 2016 starten mehrere Händler ernst zu nehmende Anwendungen. Diese gehen über das Stadium von Feldversuchen weit hinaus. Denn immer mehr Händler sehen die Möglichkeit, Beacons in ihre Omnichannel-Strategien einzubinden. Das erstreckt sich vom Sammeln von Bonuspunkten bis hin zur Benachrichtigung von Kunden über Sonderaktionen.

Schwappt der Beacon-Trend aus den USA nun über den großen Teich in den heimischen Handel? Oder liegen die Trends 2017 doch in anderen Bereichen? Ein Blick ins Reich der Mitte offenbart auch dort spannende Innovationen. Diese könnten den Beacons in Sachen Trendfaktor den Rang ablaufen.

Hier die hitverdächtigsten Neuerungen, die weltweit gegeneinander antreten.

1. Produktsuche per Bild

Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie fotografieren einen schönen Gegenstand, kennen aber weder den Hersteller noch einen Händler, der das Produkt verkauft. Für solche Fälle bietet das chinesische Online-Auktionshaus Taobao seit über 3 Jahren eine Produkt-Bildersuche an. Per Drag´n´Drop zieht man das Foto in die Suchleiste. Schon werden hunderte gelistete Händler nach dem Wunschobjekt durchkämmt. Diese Idee ist so praktisch, dass sie sich eigentlich durchsetzen müsste  …

2. Mobile Payment

Unser nordischer Nachbar macht es vor: Dänemark will ab Ende 2016 keine neuen Geldnoten mehr drucken. Der Annahmezwang für Bargeld bei Einzelhändlern soll aufgehoben werden. Mehr als 50 % aller Dänen nutzen schon jetzt das Bezahlsystem MobilePay. Mit der App können Nutzer in über 3.000 Webshops, bei Baumärkten und vielen weiteren großen Händlern bargeldlos bezahlen. Anfang des Jahres verzeichnete das System knapp 14 Millionen Transaktionen im Monat.

Etwas anders stellt sich die Lage in China dar. An fast jeder U-Bahnstation finden sich Getränke-Automaten mit mobiler Bezahl-Möglichkeit. Akzeptiert werden alle gängigen Systeme. Das funktioniert so: Einfach das gewünschte Produkt auswählen. Code scannen. Schon ist die Bezahlung getätigt.

In der Gastronomie, dem On- und Offline-Handel sowie im Service-Bereich ist dieses Prinzip ebenfalls Standard.

Der Anbieter Alipay verzeichnet zurzeit 450 Millionen aktive Nutzer. Täglich! Die Kommunikations-App WeChat hat über 200 Millionen Nutzer mit Payment-Konten. Der deutsche Handel kann von solchen Zahlen aktuell nur träumen. 70 % der Bevölkerung haben noch kein Mobile Payment genutzt.

3. 020 – offline to online

Die Textilmarke Septwolves gehört zu den besten chinesischen Marken. Sie wird offline to online angeboten. In den Geschäften des Labels wählt und bestellt man die Artikel auf interaktiven Displays. Die Ware wird dann direkt nach Hause versandt. Das Geschäft dient nur noch als Showroom. Keine schlechte Idee für 1-a-Lagen mit wenig verfügbarer Fläche bzw. horrenden Mieten.

4. QR-Codes im Überfluss

In China sind sie nicht mehr wegzudenken. In Deutschland sind sie weit verbreitet, aber kaum genutzt:  Nur 0,91 Millionen der deutschen Handy-Besitzer nutzen regelmäßig QR-Codes. Im Reich der Mitte sind QR-Codes dagegen DAS Tool für Digital-Commerce-Transaktionen. Sie verbinden On- und Offline-Welt. Teilen, kaufen oder bezahlen, für alles werden QR-Code-Scanner und QR-Generatoren genutzt.

5. VR-Stores

GnomeMagic setzt auf Virtual Reality (VR): Die Tochter des Handelsriesen Alibaba entwickelt einen VR-Video-Player und kreiert VR-Welten. Die Beta-Version kann bereits von Kunden getestet werden. In dem 360°-Shop stehen Fashion-Produkte aus über 70 Shops zur Wahl. Die Artikel können dabei in hoher Detailtiefe in 3D an Models beäugt werden. Ein interaktiver Shopping-Guide führt durch das Geschäft und leitet die Kunden zu den passenden Produkten.

Ein weiterer Clou: Das New Yorker Kaufhaus Macys hatte bei Alibaba vorübergehend einen Shopping-Kanal eingerichtet. Chinesische Kunden konnten per VR durch das Geschäft an der 7th Avenue bummeln und nach Herzenslust shoppen.

Die Aktion war zeitlich begrenzt: Sie diente als Probelauf, inwiefern VR-Shopping ein neues Einkaufserlebnis bietet und langfristige Kundenbindung sichert. Auch andere internationale Marken wie Target, Costco oder Tokyo Otaku Mode experimentieren aktuell mit Virtual-Reality-Shopping bei Alibaba.

6. Nie mehr Schlange stehen

Einen weiteren Donnerschlag in Sachen Innovation stellte Amazon Anfang Dezember in Seattle vor: das 1. Lebensmittelgeschäft ohne Kasse und ohne damit verbundenes Schlangestehen.

Dabei handelt es sich zwar noch um einen Test. Brillant sind jedoch die Technik und die Idee, die dahintersteckt. Sensoren, Kameras und lernende Algorithmen verfolgen den Kunden auf dem Weg durch den Markt. Sie erkennen, was er in seinen Einkaufskorb lädt. Beim Verlassen des Geschäfts wird automatisch per App abgerechnet.

Der erfolgreiche Einsatz dieser Technik würde das Thema RFID endgültig begraben und die Entwicklung im Bereich Mobile Payment enorm beeinflussen.

Fazit

Aktuell passieren Innovationen im stationären deutschen (Lebensmittel-)Handel größtenteils auf strategischer Ebene. Die klassischen Discounter drängen mit ihren Angeboten und Laden-Konzepten immer stärker in Richtung Supermarkt. Zumindest im Bereich Mobile Payment hat man erste technische Voraussetzungen geschaffen, um den genannten Trends zu folgen. Noch mangelt es aber an der Akzeptanz der Kunden.

Ähnlich verhält es sich beim Thema Beacons und VR-Shopping. Noch fehlen dem Kunden Mehrwerte, um diese Technologien im Alltag zu nutzen. Um die technischen Hemmnisse zu überwinden. Oder um in die benötigte Hardware zu investieren. Das sollte aber eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein ... Man darf gespannt sein.

Quellen:

etailment.de/Handelsinnovationen aus China
etailment.de/Beacons im Handel
locationinsider.de
pwc.de
de.statista.com
T3N
 

Mats ist New Communications Fachmann für Handelsmarketing und 3D/CGI-Projekte. Der studierte Betriebswirt ist wie gemacht fürs turbulente Werbe-Leben. Denn Stress und Hektik perlen von dem leidenschaftlichen Surfer ab, wie Wassertropfen von Neopren. Gleichzeitig weiß Mats, wie man Erfolgswellen reitet und hat ein untrügliches Gespür dafür, woher der Wind weht. Klare Kiste, dass Mats damit an Bord vom Strategie-Team ist.

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