Virtual Reality (VR) bezeichnet Techniken, mit denen ein Nutzer eine andere Umgebung wahrnimmt als seine tatsächliche. Dazu gehören zum Beispiel Computer-Simulationen oder eine sphärische Video- und Sound-Aufnahmen – oder eine Kombination aus beiden. Das Eintauchen in die virtuelle Welt (Immersion) kann durch weitere Sinneseindrücke wie Riechen und Fühlen sowie durch möglichst natürliche Interaktion mit der Simulation (z.B. Sprache, Gesten) verstärkt werden.

Staunen und Torkeln

In den Entwicklungs-Laboren der großen Hersteller wurde in den letzten Monaten und Jahren mit Hochdruck (und sehr viel Geld) geforscht und getüftelt. Oculus, Samsung, Sony, HTC und auch Google verfolgen alle ein Ziel: den Benutzer in eine virtuelle Welt zu versetzen, mit der er möglichst intuitiv interagieren kann. Heißt beispielsweise: Um zu sehen, was neben und hinter ihm passiert, dreht ein Benutzer einfach den Kopf.

Die Effekte der Prototypen sind beeindruckend. Jeder, der z.B. schon mal eine Oculus Rift benutzt hat, weiß: Das ist neu und mit nichts bisher Dagewesenem zu vergleichen. Die Menschen staunen mit offenem Mund, torkeln, können es kaum glauben. Je nach Szenerie reichen die Reaktionen von überraschter Freude bis hin zu Angst und Schrecken.

Treibende Kräfte sind – wie so oft bei Medien-Innovationen – die Gaming- und die Porno-Industrie. Aber auch für Tourismus- und Freizeit-Wirtschaft, Immobilien- und Automotive-Branche, Technologie-Unternehmen, Bildungswesen, Medizin und selbst für Lifestyle-Produkte bietet VR ein hohes Potenzial.

Hatten wir das nicht schon?

Ja und nein. Tatsächlich waren VR-Brillen bereits in den 90ern angesagt. Damals lag der Schwerpunkt auf einer 3-D-Ansicht von Spielen. Auch für virtuelle Begehungen teurer Bauobjekte wurde VR als „das Ding“ gehandelt. Die Technik erwies sich jedoch schnell als unausgereift. VR-Brillen erreichten nie den Massenmarkt.

Zauberwort: Immersion

20 Jahre später sind die Karten neu gemischt. Denn 3 grundlegende Probleme von damals sind inzwischen gelöst:

  1. Immersion: Die aktuellen Modelle der VR-Brillen wie z.B. Samsung Gear VR haben mit etwa 95° ein so großes Sichtfeld, dass die virtuelle Welt auch über das periphere Sehen erfasst wird. Außerdem ermöglichen die modernen Geräte eine Orientierung per Kopfbewegung – statt wie früher mittels Gamepad oder Tastatur. Die visuelle Wahrnehmung wird bei der neuen VR-Generation durch stimmigen 3-D-Sound ergänzt. So fühlt sich der Benutzer nicht mehr wie ein Betrachter einer Darstellung, sondern als Teil der Szene.
  2. Verbreitung der Geräte: Die für dieses und nächstes Jahr angekündigten VR-Brillen sind funktional und preislich so attraktiv, dass sie in den nächsten Monaten zum Massenprodukt werden können. Moderne Smartphones verfügen mittlerweile über ein großes Display, über Gyroskop, Kompass und sogar einen Beschleunigungs-Sensor. Viele Kunden tragen die notwendige Hardware also bereits mit sich herum. Es bedarf nur eines kostengünstigen Headsets, um daraus ein vollwertiges VR-HMD (head mounted device) zu machen.
  3. Content: Das Angebot an speziellen Kameras zur Aufnahme von 3-D- oder sphärischen Videos ist immer breiter und erschwinglicher geworden. Künstliche Welten müssen nicht mehr nur am Computer entstehen, sondern können mit der richtigen Kamera von jedermann erzeugt werden. 

VR in der Marketing-Praxis

Die ersten mutigen Unternehmen haben die neuen Möglichkeiten für ihr Marketing bereits genutzt – mit Google Card Board, mit dem Entwickler-Kit der Oculus Rift oder mit dem Gear VR Headset von Samsung.

British Airways setzte Passanten in europäischen Großstädten eine Oculus Rift auf und ließ sie virtuell reisen zu Zielen in den USA. Die Teilnehmer erlebten die Szenerie intensiver als mit jedem Video oder Foto.

Auch die internationale Hotelkette Marriott propagiert das Reisen mit einer VR-Promotion-Aktion. Dazu schickte sie frisch vermählte Paare per Oculus Rift direkt vom Standesamt aus auf eine kurze virtuelle Hochzeitsreise. 

Die Hotelmarke nutzt VR auch in anderen Bereichen. So produzierte sie in Chile, Ruanda und China aufwendige „virtuelle Postkarten“, die Kunden über Samsung Gear VR ansehen und sich so inspirieren lassen können. Außerdem testet das Unternehmen seit September in New York und London einen speziellen „VRoom Service“, der VR-Sets an Hotelgäste verleiht.

Im Film „Avengers: Age of Ultron“ von Marvel spielt VR eine besondere Rolle. Marvel und Samsung kooperieren dabei auf mehreren Ebenen. Einerseits sind die aktuellen Galaxy-S6-Geräte auf der Leinwand prominent vertreten. Andererseits lassen sich Filmszenen mit dem Samsung Gear VR aus der Ich-Perspektive nachspielen.

Aber nicht nur Destinationen oder 3-D-Spektakel können VR fürs Marketing nutzen. Die Biermarke Kingfisher entwickelte 2015 für ihre Promotion ein virtuelles Kricket-Spiel: Kunden sollten den Schlagstil ihres jeweiligen Lieblingsspielers möglichst gut imitieren. Technisch setzt die Maßnahme auf eine Card-Board-Lösung  und einen Bewegungs-Sensor.

Trends 2016

Alle großen VR-Player werden Ende 2015 bzw. Anfang 2016 mit neuen Produkten auf den Markt gehen und um die strategisch wichtige Verbreitung bei den Kunden kämpfen. Ich rechne deswegen mit einem Krieg der Formate, da nur wenige Konsumenten bereit sein dürften, sich mehrere VR-Systeme zuzulegen.

Marketing mit virtuellen Welten wird sich daher verstärkt auf punktuelle, in sich geschlossene Kampagnen und Promotion-Aktionen konzentrieren. Hier kann der Wow-Effekt der Immersion für starke Marken-Erlebnisse sorgen und über Kampagnenfilme zusätzliche Reichweite erzielen. Strategische Festlegungen auf eine Technologie und z. B. systematische Installationen im POS erwarte ich verstärkt erst 2017.

Quellen:

Oculus.com

HTC Vive

Sony

Vitualizer

Omni

British Airways

Candid Marketing

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