„Mein Name ist Kevin und wie heißt du?“ Unverständlich brummele ich meinen Namen und schiebe meine Tochter ein Stück zur Seite. Weg von dem niedlichen, wohlerzogenen Jungen, der sich zu uns in die Sandkiste gesellen will. Das Problem: Sein Name löst jede Menge negative Assoziationen bei mir aus – von „verhaltensauffällig“ bis „Unterschicht“. Das ist unfair. Aber ich kann nichts dagegen tun. Und bin mit meinen Vorurteilen nicht alleine: Einer an der Universität Oldenburg verfassten Masterarbeit zufolge halten Lehrer Schüler mit Vornamen wie Kevin, Dustin oder Mandy für leistungsschwächer als kleine Hannahs oder Alexanders. Eine andere Studie, diesmal mit Sprechern ausländischen Akzents, zeigte, dass Probanden diese für weniger glaubwürdig halten als akzentfreie Redner. Nicht einmal der Hinweis auf die verzerrte Wahrnehmung brachte die Probanden dazu, ihre Meinung zu ändern.

Stressfaktor Sprache

Offenbar ist Sprache dazu in der Lage, unsere Wahrnehmung maßgeblich zu beeinflussen. Das geht so weit, dass das Aussprechen bestimmter Tabuwörter körperlich messbare Stresssymptome auslösen kann. Worte mit gleicher Bedeutung, die nicht als Tabuwörter gelten, haben diese Wirkung nicht. So nutzen beispielsweise viele Menschen lieber den Euphemismus „Er ist von uns gegangen“ oder „friedlich eingeschlafen“ statt auszusprechen, dass jemand gestorben oder tot ist. Deutlich stressbefreiter zeigten sich auch die Teilnehmer einer Studie, in der es darum ging, finanzielle Verhandlungen in einer fremden Sprache zu führen. Ohne die emotional aufgeladenen Assoziationen ihrer Muttersprache gelang es den Probanden, sich besser von der Materie zu distanzieren und rationalere Entscheidungen zu treffen.

Lecker Worte

Die enorme emotionale Macht von Wörtern und Sprache macht sich auch die Werbung zunutze. So kann allein die Beschreibung von Lebensmitteln das Geschmackserlebnis beeinflussen. Chips schmecken frischer, wenn sie auf der Verpackung als „kross“ beschrieben werden. Die Erbsensuppe „nach Großmutters Geheimrezept“ duftet automatisch ein bisschen nach Kindheit. Und die „extra-fluffige“ Konsistenz des Schokopuddings lässt uns schon am Kühlregal das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ob wir wollen oder nicht – eine geschickte Wortwahl verändert unsere Wahrnehmung. So empfanden Probanden bei einem Experiment der Hochschule Harz Tee mit dem Etikett „Tropical Feeling“ im Vergleich zu einer anderen Teesorte als besonders frisch und fruchtig. Erst im Nachhinein erfuhren sie, dass es sich um identische Teesorten handelte. Nur das Etikett unterschied sich.

Alle lieben dich

Subtiler, aber nicht weniger stark ist der Einfluss von Reizwörtern wie „mehr“, „alles“ und „einfach“. Sie belegen jedes Jahr aufs Neue die vorderen Plätze der am häufigsten genutzten Werbe-Reizworte des Jahres. Ihre Stärke: Sie bedienen das Bedürfnis der Konsumenten nach einem reichhaltigen und umfangreichen Angebot auf der einen Seite und einer unkomplizierten Handhabung auf der anderen Seite. Ebenfalls unter den Top Ten sind die Personalpronomen „wir“, „Sie“ und „du“, mit denen Marken versuchen, eine persönliche Beziehung zum Konsumenten aufzubauen.

Eine ähnliche Strategie verfolgt der Einsatz des Wortes „Liebe“. Während „wir“ und „du“ sich jedoch vergleichsweise natürlich und unauffällig in einen Text integrieren lassen, besteht bei bedeutungsschwereren Worten wie „Liebe“ schnell die Gefahr der Übersättigung. Neben McDonald‘s (Ich liebe es) setz(t)en Pro7 (We love to entertain you), Pfanni (Liebe, die man schmeckt) und EDEKA (Wir lieben Lebensmittel) auf große Emotionen – um nur einige Beispiele zu nennen. Die Gründe sind verständlich: In einer Zeit, in der Produkte austauschbarer und Verbraucher besser informiert sind als je zuvor, setzen Marken auf Leidenschaft und Persönlichkeit statt auf rationale Argumente. Je mehr Unternehmen jedoch auf einen Wort-Trend aufspringen, desto schneller nutzt er sich ab.

Neue Reize statt alte Leier

Können vermeintliche Reizworte also ihren provokativen respektive verführerischen Charakter verlieren? Der mehr als strapazierte Gebrauch von Marken-Liebesgeständnissen gegenüber Konsumenten legt dies nahe. Wer nicht in der Masse untergehen will, tut also gut daran, Reizworte nicht zu überreizen. Denn die Macht der Gewohnheit ist mindestens ebenso stark wie die Macht der Worte. Das gilt für marketingwirksame Hingucker-Worte ebenso wie für stressauslösende Reizworte. Diesbezüglich hat sich im Fall der ungeliebten Vornamen für mich übrigens eine sehr effektive Strategie ergeben, meine negativen Assoziationen loszuwerden – in Form meiner überaus liebenswerten Kollegen Kevin und Mandy, die alle Vorurteile widerlegen.

Quellen:

Sprachpsychologie: Die Macht der Worte. ZEIT Wissen Nr. 06/2012

Slogometer auf Slogans.de – Datenbank für Werbesprache

Ungerechte Grundschullehrer: Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose. Spiegel Online vom 16.09.2008

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