Zweitausendfünfundzwanzig. Zweifellos ein Jahr, das jede*n einzelne*n von uns fordern wird. Individuell, als Gesellschaft und auch aus Sicht von Unternehmen. Uns alle erwarten die voranschreitenden Auswirkungen des Klima­wandels, überkochende Konfliktherde und geopolitische Krisen, neue Machtverhältnisse im Weißen Haus und ein polarisierter Bundes­tagswahlkampf in Deutschland.

Unternehmen sehen sich zudem weiterhin mit dem Fachkräf­temangel, aber auch neuen Gesetzen zu Barrierefreiheit, Nach­haltigkeit und KI konfrontiert. Und währenddessen umschließt die KI-Blase den ganzen Planeten und sorgt für eine Sintflut an generiertem Content. Kurz: Wir haben viel vor uns – aber mindestens genauso viel Hoffnung.

Bitte nehmen Sie Haltung an!

80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, 80 Jahre nach dem Zusammenbruch Nazi-Deutschlands sind Nationalis­mus, Rechtskonservativismus und schlicht Fremdenfeindlich­keit in Teilen der Republik politisch wieder mehrheitsfähig. Eine Realität, der wir alle ins Auge sehen müssen, statt sie zu ignorieren – besonders im Wahljahr 2025. Längst ist rechtes Gedankengut der Subkultur, den Stammtischen und den Sprin­gerstiefeln entwachsen. Es kommt nicht mehr (nur) in Form des Zorns der „sozial Abgehängten“ oder der Gestrigkeit wü­tender alter weißer Männer. Nein, es äußert sich als kritischer Podcast gegen die „Woke-Bubble“, als „Tradwife“ auf Instagram oder als blaues Herz-Emoji in TikTok-Kommentarspalten. Und: Wie ein Gift infiziert es den Diskurs im Land, treibt die politische Mitte auseinander und zündelt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Was das mit Marken und Kommunikation zu tun hat? Es ist höchste Zeit, all den schönen PR-Worten, den Diversity-Be­kenntnissen und regenbogen-gefärbten Logos der vergange­nen Jahre auch Taten folgen zu lassen. Jetzt kommt es – mehr denn je – auf Haltung an. Auf das Halten der eigenen Verspre­chen, auch wenn es plötzlich mal Gegenwind gibt, wo vorher breiter Konsens war. Und auch, wenn diese Haltung im Zweifel sogar mal Kund*innen kosten kann. Die Bekenntnisse zu Viel­falt, Gleichberechtigung und Demokratie dürfen jetzt nicht verstummen, sie müssen umso lauter werden. Es braucht den Schritt nach vorn, nicht den Blick zurück.

Die Zeiten der Lippenbekenntnisse und Feigenblätter sind endgültig vorbei. Aus PR muss nun Praxis werden.
(© istockphoto.com/DanielBendjy)

Nieder mit den Barrieren!

Werte, die nicht gelebt werden, sind wertlos. Höchste Zeit also, Diversität vom Buzz-Word zur Unternehmensrealität zu wandeln – und alle Menschen und deren Teilhabe in den Blick zu nehmen. Ein Schritt dabei: das Barrierefreiheitsstär­kungsgesetz (ein für sich schon nicht sonderlich barrierearmes Wort), das ab Sommer 2025 für viele Unternehmen greift und u. a. dazu verpflichtet, digitale Produkte und Dienstleistungen so aufzubereiten, dass sie für Menschen mit Behinderungen leichter nutzbar werden.

Während viele Verantwortliche noch rätseln, ob sie vom neu­en Gesetz „betroffen“ sein werden, sollten Unternehmen hier nicht den mühseligen Zwang durch den Gesetzgeber sehen, sondern eine Chance, die eigene Arbeit noch mehr Menschen zugänglich zu machen. Letztlich wird es ab Sommer zu einem Barriere-Abbau in der digitalen Lebensrealität vieler Men­schen kommen. Kleiner Reminder: Das ist etwas Gutes. Und es ist eine gute Gelegenheit für Unternehmen aktiv zu werden, selbst wenn sie (noch) nicht unter das neue Gesetz fallen.

Barrieren sollten indes nicht nur vor Leistungen und Produk­ten abgebaut werden. Genauso nützlich – und im wahrsten Sinne – gewinnbringend ist es, wenn sie vor den Mitarbei­ter*innen-Eingängen, vor Führungs- und Vorstandesetagen verschwinden. Im übertragenen wie im wahrsten Sinne. Das schließt sämtliche Dimension der Vielfalt mit ein: Menschen mit Behinderungen, neurodiverse Personen, People of Color, Menschen mit Migrationsgeschichte, Personen jeglicher Ge­schlechter (und darüber hinaus), eben einfach alle Menschen.

Zeit, Verantwortung zu übernehmen!

Für die Zukunft brauchen wir jeden Kopf, egal auf welchem Körper er steckt. Denn die Zeichen stehen auf Sturm: Hochwasser folgt auf Hochwasser, Rekord­sommer auf Rekordsommer. Mittlerweile erinnern uns nicht mehr nur Klimaexperten, sondern die Natur selbst Jahr für Jahr an die größte Herausforderung unserer Zeit: den menschengemachten Klimawandel. Und die Taktzahl steigt.

Der Kampf gegen den Klimawandel wird allerdings nicht allein mit Mehrweg-Kaffeebechern, Bambus- Ohrstäbchen oder Got-Bag-Rucksäcken, also von Endverbraucher*innen, gewonnen. Nur gemeinsam, mit einem Schulterschluss aus Wirtschaft, Industrie, Konsument*innen und Politik haben wir eine Chance, Erderwärmung, Umweltverschmutzung und Artenster­ben endlich einzudämmen.

Spätestens 2025 darf Nachhaltigkeit also kein nettes PR-Asset mehr sein, sondern muss gelebte Unter­nehmensräson werden. Wie Nachhaltigkeit in Fir­men standardisiert und dokumentiert werden kann (und teils muss), regelt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unterneh­men ändern sich tiefgreifend. Dies ergibt sich aus der neuen EU-Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltig­keitsberichterstattung. Ein gut organisiertes Nach­haltigkeits-Management wird essenziell, wenn echte Klimaverantwortung übernommen werden soll.

Impact im Hinterkopf behalten!

Dass digitale Strukturen nicht zwangsläufig umweltfreund­licher sind, ist nicht neu. Dass auch KI ein nicht zu unter­schätzender Faktor für unsere Klimabilanz werden kann, zeigt ein Blick auf den kürzlich veröffentlichten Nachhaltig­keitsbericht des US-Tech-Riesen Google. Seit 2019 stiegen die CO₂-Emissionen des Konzerns um satte 48 % auf 14,3 Mio. Tonnen. Begründet wird dies mit der großen Nachfrage nach KI und der damit verbundenen Rechenleistung. Auch Micro­soft (Großinvestor hinter OpenAI und deren Zugpferd ChatGPT) verzeichnet einen Anstieg der Treibhausgas-Emissionen um 29 % seit 2020.

Ein Grund: Der enorme Bedarf an Energie für die Kühlung der Rechenzentren. Und neben Strom verschlingen die Zentren dazu enorme Mengen an Wasser. Allein das Training des mittlerweile überholten Modells ChatGPT-3 von OpenAI hat 5,4 Mio. Liter Wasser verbraucht (700.000 Liter allein für die Kühlung, der Rest wurde für die Herstellung von Servern und Strom in der Lieferkette aufgewandt). Heißt auch: Zehn bis 50 Fragen an den Chatbot verbrauchen im Schnitt 500 Milliliter Wasser. Das aktuelle Modell – so schätzen IT-Forscher*innen – wird nochmals deutlich durstiger sein.

Der Siegeszug der Künstlichen Intelligenz hat weitreichende Implikationen – auch für unsere Umwelt.
(© istockphoto.com/RapidEye)

Künstliche Intelligenz, aber mit Verstand!

Die Begeisterung für KI-Tools, ihre Verheißungen und ihre prognostizierten Potenziale ebbt nicht ab. Mit Recht. Aller­dings müssen 2025 auf die vielen beeindruckenden Kabinett­stückchen und Versprechen endlich auch wirklich sinnstiften­de Anwendungsfälle folgen, die der Qualifizierung und nicht bloß der Quantifizierung dienen. Das gilt umso mehr für den kommunikativen Output von Unternehmen und Marken.

Kampagnen, Content, Konzepte. Nie war die Verlockung so groß, Unmengen an billigen Inhalten mit einem Klick produ­zieren zu können. Im Umkehrschluss sehen sich Kund*innen mit einer nie dagewesenen Dauerbeschallung an Werbeinhalten vom Fließband konfrontiert. Niemand isst gern jeden Tag Ein­heitsbrei. Und wenn wir ehrlich sind, war es schon vor dem KI-Boom für Marken alles andere als ein Kinderspiel, aus der Masse an Möglichkeiten herauszustechen. Seit Jahrzehnten nimmt die Anzahl an Werbebotschaften zu, während die Auf­merksamkeitsspanne weiter sinkt.

Damit KI in der Markenkommunikation nicht zum Multiplika­tor der Mittelmäßigkeit, zur Reproduktion der Reproduktion der Reproduktion wird, braucht es Qualität und Qualifizierung. Nur wenn die Person vor dem Bildschirm die Ergebnisse auf dem Bildschirm auch beurteilen und bewerten kann, ist KI ein smarter und hilfreicher Assistent, dessen Zuarbeit die eigene Leistung beflügelt und der Fantasie fast jede Grenze öffnet. Eben ein Tool. Wenn nicht, wird der User zum Tool.

Quality over Quantity ist also weiterhin das Gebot der Stunde. Ein zusätzlicher Ansatz: Individualisierung statt Massenware. Die Kombination aus KI-Tools, maschinellem Lernen und z. B. Google Tech Manager-Daten schafft die Möglichkeit, Daten für individuelle Angebote und personalisierte Kommunikation zu nutzen. Gerade in Europa wird es hier entscheidend sein, dass Marken einen gesunden Mix aus Personalisierung und Datenschutz finden. Gleichzeitig gilt es, das eigene Marken­profil zu erhalten. Klassische Unterscheidungsmerkmale wie das Kundenerlebnis oder das eigene Team werden schwieriger aufrechtzuerhalten sein, da sich die Vielzahl der Marken auf eine nahezu identische zugrunde liegende Technologie ver­lassen wird, die den Content an die Kundschaft ausspielt.

 

Also: Praktik statt Predigt!

Haltung braucht Konsequenzen. Die Zeit der Feigenblätter ist 2025 endgültig vorüber. Wer Qualität in Marke und Produkt predigt, sollte diese nicht bei der Kommunikation enden lassen. Wer Vielfalt, Inklusion und Gleich­berechtigung predigt, sollte auch Diversität im eigenen Unternehmen fördern. Wer Klimafreundlichkeit predigt, sollte sich um ein strukturiertes Nachhaltigkeitsmanagement und immer neue Möglichkeiten bemühen, Umwelt­verschmutzung und Klimawandel entgegenzuwirken. Wer Demokratie und Pluralismus predigt, darf sich nicht wegducken, wenn Nazis in Parlamente einziehen, die sie eigentlich ablehnen, sondern muss aktiv die Unter­nehmensüberzeugung nach außen transportieren, Farbe bekennen und jene unterstützen, die für die Ideale der freiheitlich-demokratischen Grundordnung einstehen. Alles, was es dafür braucht: Mut. Und gute Ideen.

 

Dieser Artikel ist Teil unseres Trendspot 2025

Quellen:

tagesschau.de (CO2 Industrie)

carbonmajors.org

arxiv.org

tagesschau.de (CO2 Emissionen Google)

tagesschau.de (KI Energieverbrauch)

csr-in-deutschland.de

 

Alex ist ein Mann mit vielen Talenten. Er ist Creative Director für Text. Berater für digitale Kommunikation. Uni-Absolvent in Geschichtswissenschaft und Philosophie. Vollblut-Nerd. Papa. Früher mal Song-Schreiber. Und noch früher ein Kind der 90er in Nordwestmecklenburg. Pures Glück also, dass er bei uns und nicht in einem Roman von Heinz Strunk gelandet ist.

Mats ist New Communications Fachmann für Handelsmarketing und 3D/CGI-Projekte. Der studierte Betriebswirt ist wie gemacht fürs turbulente Werbe-Leben. Denn Stress und Hektik perlen von dem leidenschaftlichen Surfer ab, wie Wassertropfen von Neopren. Gleichzeitig weiß Mats, wie man Erfolgswellen reitet und hat ein untrügliches Gespür dafür, woher der Wind weht. Klare Kiste, dass Mats damit an Bord vom Strategie-Team ist.

Relevante Fachartikel

28.08.2024

Die inneren Werte zählen – das Potenzial interner Kommunikation

Neue Technologien, neue Anforderungen in der Arbeitswelt – vieles innerhalb von Unternehmen verändert sich. Das wird – selbstverständlich – an Partner*innen und Kund*innen kommuniziert. Nur eine Gruppe fällt dabei allzu häufig hinten über: Mitarbeiter*innen. Dabei ist eine funktionierende interne Kommunikation der Schlüssel für ein funktionierendes Unternehmen.

07.08.2024

Brandship – wenn Kundenbindung sich nach Freundschaft anfühlt

Eine Marke ist nicht nur die Summe ihrer Produkte. Für eine Kaufentscheidung ist auch die Haltung eines Unternehmens von Bedeutung. Ist diese authentisch, kann aus einem ersten Kontakt eine langjährige Kund*innenbindung werden. Es lohnt sich für Unternehmen zu investieren und diese zu pflegen, denn zu kurz gedachtes Handeln eines Unternehmens kann die Beziehung zwischen Konsument*in und Marke gefährden.

20.09.2023

Funnelblick: Mit See-Think-Do-Care zu mehr Strategie im Online-Marketing

Gutes Marketing braucht gute Zutaten. Sinn, Verstand, Herz, manchmal eine Prise Humor, vor allem aber braucht es Strategie. Das gilt für klassische Kommunikationskanäle – und das gilt natürlich auch online. Einen guten Ansatz bei der Einordnung und Bewertung der eigenen Online-Kampagnen liefert das See-Think-Do-Care-Modell aus dem Hause Google. NC-Agent Alexander Streif erklärt Euch, was es damit auf sich hat.