Arbeitnehmer*innen werden immer älter. Frischer Wind kann helfen. Aber wie gewinnt man Auszubildende für sich, wenn anscheinend niemand mehr Lust auf eine Ausbildung hat und bereits heute mehr als jeder zehnte Ausbildungsplatz unbesetzt bleibt? Für Unternehmen stellt die Drucksituation, sich von den vielen Mitbewerber*innen abheben zu müssen, eine Herausforderung dar. Ein unumstößlicher Aspekt dabei ist, die Bewerber*innen selbst in den Fokus der Recruiting-Bemühungen zu rücken. Wie das gelingt? Mit einer passenden Candidate Journey, die die Auszubildenden in den Mittelpunkt stellt.

Die Candidate Journey – auch für Azubis?

Wer als Arbeitgeber*in von potenziellen Auszubildenden wahrgenommen werden will, muss den Bewerbungsprozess von möglichen Bewerber*innen so gestalten, dass sie ihn vom ersten Kontakt an bis hin zum ersten Arbeitstag und darüber hinaus als positiv und durchdacht empfinden. Dieser Prozess wird in Fachkreisen als Candidate Journey – oder kurz CJ – bezeichnet. Die Candidate Journey in Bezug auf Auszubildende wird dabei jedoch in Forschung und Praxis kaum beachtet. Gerade deswegen ist es aus Unternehmenssicht lohnenswert, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und die bestehende Journey für angehende Auszubildende unter die Lupe zu nehmen.

Die Struktur einer gelungenen Candidate Journey

Die CJ zeigt sämtliche Kontaktpunkte zwischen Arbeitgeber*innen und Bewerber*innen auf, die sich in sieben Phasen unterteilen lässt:

  1. Anziehung: Über welche Kanäle und Kontaktpunkte werden Kandidat*innen auf mich aufmerksam?
  2. Information: Über welche Kanäle informieren sich die Kandidat*innen und welche Informationen sind ihnen wichtig?
  3. Bewerbung: Wie können Bewerbungen eingereicht werden und wie gehe ich als Unternehmen mit diesen um?
  4. Auswahl: Welche Prozesse gehen mit dem Auswahlverfahren einher, wie und was kommuniziere ich mit den Bewerber*innen?
  5. Preboarding: Wie schaffe ich eine Bindung zwischen meinem Unternehmen und den angehenden Auszubildenden, damit ich sie nicht bereits vor dem ersten Arbeitstag verliere?
  6. Onboarding: Wie gestalte ich die optimale Eingewöhnung für neue Auszubildende, um die Zusammenarbeit und das Miteinander so angenehm und effizient wie möglich gestalten?
  7. Bindung: Wie schaffe ich es, dass Auszubildende die Ausbildung in meinem Unternehmen abschließen und darüber hinaus auch bleiben wollen?

Dieser Ablauf entspricht dem Prinzip der Customer Journey, mit dem einfachen Unterschied, dass es sich nicht um Kund*innen, sondern um Kandidat*innen handelt. Ebenso, wie ein Unternehmen Kund*innen für sich gewinnen will, will es auch Kandidat*innen für offene Stellen und Ausbildungsplätze gewinnen. Daher muss die Candidate Journey ebenso durchdacht und zielgruppenorientiert gestaltet werden, wie die Customer Journey. Das bedeutet konkret, dass die Kandidat*innen-Reise so attraktiv gestaltet werden muss, dass die Kandidat*innen Teil des Unternehmens werden wollen.

Wer ist meine Zielgruppe?

Wer nach Auszubildenden sucht, bedient sich schnell der Begrifflichkeit „junge Menschen“, die man für sein Unternehmen gewinnen will. Aber wer sind diese jungen Menschen? Gerade im Marketing arbeitet man daher mit definierten Generationen. Laut dem Soziologen Karl Mannheim handelt es sich bei Generationen um eine „... gesellschaftliche Kohorte [...], die Geburtsperiode und prägende kollektive Ereignisse [...] teilt“. Zu diesen Ereignissen zählen Kriege, Krisen, technologischer Fortschritt und Trends, die allesamt das Werte- und Weltverständnis der jeweiligen Generationen beeinflussen. All diesen Generationen werden verschiedenste Charakteristika zugesprochen, die sie von den anderen Generationen unterscheidet. Dadurch unterscheiden sie sich auch in ihrer Einstellung und den Ansichten, die sich auf die Arbeitswelt übertragen lassen. Dies wiederum lässt Rückschlüsse auf die Candidate Journey zu. Wer auf der Suche nach Auszubildenden ist, der muss also nach Angehörigen der Generation Z Ausschau halten, die zwischen 1996 und 2010 geboren wurden. Die relevanten Werte dieser Generation sind vor allem Sicherheit und Wohlbefinden. Beruflich streben sie daher nach einer Balance zwischen Nutzen- und Erfüllungsorientierung, Karrierechancen, Planbarkeit der Berufstätigkeit und der Vereinbarkeit von Arbeit mit Privatleben. Sie bevorzugen eine flexible Arbeitszeitgestaltung und legen Wert auf ein positives Arbeitsumfeld mit freundlichen Kolleg*innen. Viele Ansätze also, die in einer zielgruppenspezifischen Candidate Journey Anwendung finden können.

Wie könnte eine Candidate Journey aussehen?

Der Begriff Candidate Journey ist abstrakt und beschreibt lediglich einen rein theoretischen geleiteten Wandlungsprozess von Kandidat*innen zu Auszubildenden. Die einzelnen Prozesse mit passenden Abläufen zu füllen, fällt den meisten Unternehmen daher eher schwer. Ein Beispiel, wie die Candidate Journey aufgebaut werden kann, zeigt die folgende Visualisierung.

Die ideale CJ ist zugleich auch immer eine individuelle Journey. Dementsprechend muss sie abhängig von Unternehmen und exakt definierter Zielgruppe entwickelt werden. Hier endet der Prozess jedoch nicht. Durch wiederholendes Tracking und daraus resultierenden Anpassungen sind Unternehmen stets auf der Höhe des Zeitgeistes und der Konkurrenz voraus. Dabei müssen Fragen geklärt werden bezüglich der Kanäle, die bespielt werden sollen, der genutzten Tools, der zeitlichen Abläufe, dem Umgang mit Feedback und vielem mehr: Eine Journey mit vielen Herausforderungen – nicht nur für die Kandidat*innen. Das Ergebnis mit dem daraus resultierenden Output ist es jedoch allemal wert.

Quellen:

statista.com

Verhoeven, Tim (2020): Digitale Candidate experience, in: Springer eBooks, S. 51–66, [online] doi:10.1007/978-3-658-25885-6_5.

Wisotzky, Hans-Heinz (2023): Die perfekte Candidate Journey & Experience: Erfolgreiches Recruiting für mittelständische Unternehmen und Start-ups

Klaffke, Martin (2022): Generationen-Management: Konzepte, Instrumente, Good-Practice-Ansätze

Christian ist Berater bei New Communication. Mit einem Bachelor in Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation ist Christian Profi in Sachen Überzeugungsarbeit. Das hat er auch schon abseits der Werbebranche bewiesen – als spontaner Trauredner bei der Hochzeit seiner Schwester. Dazu sagen auch wir „Ja, wir wollen“!

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