Nachrichten aus den USA sind wie ein Fiebertraum. Darin scheinen Politik und große Tech-Unternehmen im Mittelpunkt. Trumps Amtseinführung ließ dabei tief blicken. Nicht sein Kabinett in spe saß in der ersten Reihe, sondern eine Vielzahl von Tech-Bros. Elon Musk war dabei keine Überraschung – er hatte sich bereits im Wahlkampf als der neue beste Freund Trumps zu erkennen gegeben.

Was dann in nur wenigen Stunden passierte, war radikale Kursänderung nach rechts mit Ansage. Die Nachrichten überschlugen sich und berichteten von Massenentlassungen, überfallartige Kontrollen von Bundesbehörden und diskriminierenden Dekreten des neuen Präsidenten.

Überraschend war dabei nur das absurde Tempo, mit dem Unternehmen verkündeten DEI (Diversity, Equity, Inclusion) -Programme einzustellen und mit der neuen Regierung auf Kurs gehen zu wollen. Inhaltlich gab das Presidential Transistion Project 2025 schon vor der Wahl einen Ausblick auf das, was kommen würde.

Die Bereitschaft von Zuckerberg, sich in dieser Riege einzufinden, verwunderte schon eher. So verabschiedete sich Meta nicht nur sehr schnell von jeglicher Diversität, sondern kündigte ein Ende der Bemühungen rund um das Thema Fact-Checking an.

Zeit der alternativen Fakten

Wie haben wir uns darüber lustig gemacht, als Kellyanne Conway während Trumps erster Amtszeit von alternativen Fakten sprach. Wie soll das gehen? Fakten sind Fakten.

Doch in der neuen Welt der Tech-Bros, in denen die Elons und die Marks für Meinungsfreiheit einstehen, sind Fakten Auslegungssache. Wurden bei Twitter noch Faktenchecker bemüht, um die Plattform nicht völlig den Schwurbler*innen und Hetzer*innen zu überlassen, brachen mit der Übernahme durch Musk andere Zeiten ein.

Community Notes heißt das Konzept. Gemeinsam an der Wahrheit arbeiten. Oder zumindest die persönliche Sicht auf diese einbringen.

Der Amtsantritt Trumps schien auch Zuckerberg plötzlich zu inspirieren. Er schaute sich das Konzept von X ab und feuerte prompt die Faktenchecker und ließ zuständige Programme einstellen.

Es wird deutlich: Seit Trumps Machtübernahme haben die Begriffe Meinungsfreiheit und Fakten eine neue Bedeutung. Meinungen werden nur dann zugelassen, wenn sie denen der aktuellen Regierung und der Tech-Bros entsprechen. Andere Inhalte verschwanden wie von Zauberhand – so war es eine Zeit lang nicht möglich, bei Instagram nach Reels von Demokraten zu suchen. Und auch das Thema Abtreibung ergab keine Treffer. Meta sprach von einem bedauerlichen Fehler. Der Zeitpunkt dieses Fehlers lässt daran allerdings Zweifel aufkommen.

Content-Moderation

Zuvor arbeitete Meta mit diversen Unterauftragnehmern zusammen, die sogenannte Content-Moderator*innen beschäftigten. Diese Leute mussten sich „die dunkelste Seite des Internets“ anschauen und entscheiden, ob die Inhalte zulässig waren oder nicht, ob es sich um Fakten handelt oder eben nicht. Die Arbeitsbedingungen dabei waren grauenhaft. Die Mitarbeiter*innen wurden von den Inhalten traumatisiert, konnten sich aber keine Pause zum Durchatmen erlauben, denn es galt, Quoten einzuhalten, berichtet Sonia Kgomo dem Guardian.

Mit dem Wissen klingt es doch nach einer guten Idee, künftig ein anderes Modell der Content-Moderation zu nutzen, könnte man meinen. Sonia Kgomo sieht das anders. Statt der Einstellung dieser Programme sollten diese besser überarbeitet und bessere Arbeitsbedingungen geschaffen werden.

Community Notes

Was also sind Community Notes? In diesem System wird die Kontrolle der Inhalte an die Community übertragen. Jedoch nicht an alle Mitglieder des Netzwerks, sondern nur an solche, die sich dafür angemeldet haben. Diese „Contributer“ können dann bei Posts um Kontext ergänzen. Eine Quellenangabe ist dabei Pflicht. Die neue Note wird dann für die Bewertung freigegeben. Hier können andere Contributer angeben, ob der Kontext hilfreich ist oder eben nicht. Wurde er oft genug als hilfreich deklariert, wird die Note veröffentlicht. Posts, die mit einer Community Note gekennzeichnet wurden, können nur dann von den Plattformen gelöscht werden, wenn sie gegen die Regeln der Plattform verstoßen.

Das Problem ist nun aber nicht das Hinterlegen und Abstimmen für Notes. Der französische Journalist Damiel Leloup war eine Woche lang als Contributer für X unterwegs. Zunächst fiel ihm auf, dass eine überwältigende Mehrzahl der Contributer aus den USA kommen – und Posts auch dementsprechend mit einer US-amerikanischen Brille bewertet werden. Bemerkenswert: viele Contributer stützten sich besonders schnell auf solche Posts, die beispielsweise den laxen Umgang mit schweren Feuerwaffen kritisierten. Gleichwohl musste Leloup aber auch auf zahlreiche Notes reagieren, zu dessen Inhalt er schlicht keine Expertise besaß.

Auch die Geschwindigkeit prangert er an. In der Zeit, in der ein einziger Post von der Community geprüft wird, werden bereits mehrere neue mit fragwürdigen Inhalten publiziert. Das zeigen gerade die Beiträge von Musk vor der US-Wahl. Seine 87 Posts erreichten zwei Milliarden Views und strotzten nur so vor Falschbehauptungen. Nicht einer seiner Posts erhielt eine Community-Note.

Fazit

Das System ist vielleicht nicht so schlecht, wie es zunächst scheint. Dennoch ist es nicht schnell genug, nicht transparent genug, um eine gute Absicherung gegen Fake News zu bieten. Die Notes, die tatsächlich die Allgemeinheit erreichen, sind oft korrekt. Aber der Weg bis zur Veröffentlichung ist weniger transparent als die Unternehmen angeben. Insbesondere in Zeiten, in denen unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit Neonazi-Accounts wieder freigeschaltet werden und seit der Übernahme Twitters durch Musk belegbar die Anzahl der Hate-Speech-Äußerungen zugenommen hat, sollten wir uns fragen, wie viel Vertrauen und auch wie viel Macht in Form von Informationen wir diesen Plattformen noch geben wollen.

Quellen

br.de

lemonde.fr

help.x.com

about.meta.com

theguardian.com

spiegel.de

wired.com

nbcnews.com

euronews.com

 

Jana sorgt als ausgebildete Social-Media-Managerin und Expertin für Public Relations und Newsletter-Marketing bei New Communication dafür, dass ihre Kund*innen im Rampenlicht stehen. Als Fachfrau für Krisenkommunikation, Corporate Language und Investor-Relations trifft sie immer den richtigen Ton. Kein Wunder, dass die studierte Anglistin und Skandinavistin privat dem medialen Getöse gern mal den Rücken kehrt und in Norwegen Schnee- statt Shitstorms die Stirn bietet.