Was ist Digitale Ethik?

Die Digitale Ethik behandelt alle moralischen Fragen, die sich thematisch mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Sie fragt nach dem sittlichen, richtigen Zusammenleben und Handeln in einer technologisierten Welt. Laut dem Leitfaden des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) sollen Regeln und Handlungsspielräume für Konfliktsituationen definiert werden, die durch den digitalen Wandel und die Erfassung von Daten aufkommen.

Ein Beispiel ist die Klarnamenpflicht, die für ihre Unterstützer*innen Mobbing und Hetze im Internet vermeiden soll, bei der Gegner*innen dieser jedoch eine Einschränkung der Privatsphäre erkennen. Kurzgefasst geht es um Freiheit und Privatsphäre in einer sich schnell verändernden Gesellschaft, die sich im Kontext der Digitalisierung auch neu mit Solidarität und Gerechtigkeit befassen muss. Dabei geht es allerdings nicht darum, völlig neue Werte und Normen zu formulieren, sondern bestehende ethische Maßstäbe bewusst für eine digital geprägte Gesellschaft zu übersetzen.

Warum sind digitale Werte so wichtig?

In den letzten Jahren erlebte Künstliche Intelligenz (KI) große Fortschritte, dennoch steht diese technologische Entwicklung noch weit am Anfang. Die schier unendlichen Anwendungsbereiche erstrecken sich von der Genetik über die Medien bis hin zur Verbrechensbekämpfung. Laut der University of Oxford wird KI den Menschen in naher Zukunft in zahlreichen Bereichen überragen. Maschinen werden innerhalb weniger Generationen einen Großteil der heute menschlich ausgeführten Arbeitstätigkeiten besser, schneller und kosteneffizienter vollbringen können.

Unverkennbar ist jedoch, dass mit der zunehmenden Technologisierung der Gesellschaft auch neue Schattenseiten hervortreten. Während 53 % der Menschen der Meinung sind, dass negative und positive Effekte sich in einer Zukunft mit künstlicher Intelligenz die Waage halten und 21 % der Befragten einem Zusammenleben mit Maschinen sogar optimistisch entgegenblicken, gehen 18 % nicht zu Unrecht davon aus, dass sich ihre Lebensumstände im Zuge dessen verschlechtern könnten.

Im Bericht „The Malicious Use of AI“ („Bösartige Nutzung von KI“) werden konkret greifbare Gefahren genannt, die die Dringlichkeit aufweisen, dem Missbrauch ziviler Technologien für feindselige Zwecke vorzubeugen. Im „analogen“ Leben wurde diese „Dual Use“-Problematik hinsichtlich Chemikalien und Waffen bereits durch Gesetze und internationale Verträge fokussiert, laut BVDW muss nun auch der digitale Raum folgen.

Der Faktor Mensch

Zum jetzigen Stand handelt es sich bei KI-Systemen allerdings vorerst nur um spezifische Anwendungen und bei Weitem noch nicht um eine dem Menschen vergleichbare Intelligenz. Computer verfügen weder über einen eigenen Antrieb, noch können sie den Sinn hinter dem, was sie errechnen, verstehen. Maschinen können demnach auch keine Verantwortung für ihr Tun übernehmen, da sie mutwillig keine bösartigen Absichten verfolgen können. Kurzgefasst bedeutet dies: Verantwortlich ist nach wie vor der Mensch.

Der Faktor Mensch weist in der Entscheidungsfindung allerdings auch immer unbewusste Vorurteile und Züge von Willkür auf. Dies kann durch ein strikt nach Kriterien basiertes Entscheidungsverfahren aber überhaupt erst aufgedeckt werden. In Fällen von Amtsmissbrauch oder Korruption könnte KI also durchaus in der Lage sein, neutrale Entscheidungen zu treffen. Im Zuge dessen kommt auch die Frage auf, von welcher Tragweite Algorithmen Entscheidungen treffen sollen: Würden wir sie auch autonom über die Zuweisung von Arbeitsstellen, die Gewährung von Krediten oder gar Gefängnisstrafen bestimmen lassen?

Bei falscher Justierung von KI drohen Risiken von Benachteiligung, Diskriminierung oder gar physischer Gefährdung. Algorithmen können dennoch dabei helfen, selbst unbewusste Diskriminierung zu vermeiden – vorausgesetzt, die Kriterien und Trainingsdaten sind richtig ausgewählt und ihre Entscheidungen gerichtlich überprüfbar. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass der Mensch lernt, KI richtig zu nutzen. Der Begriff der digitalen Mündigkeit beschreibt diese Kompetenz präzise als Vermögen eines Menschen, das eigene Handeln im digitalen Raum selbstbestimmt und eigenverantwortlich gestalten zu können. Dazu muss er wissen, was er tut, und die Folgen seines Handelns abschätzen können.

Im Falle fehlerhafter Entscheidungen durch Algorithmen basierte Systeme, muss die Haftung bei Schadensfolge rechtlich geklärt sein. Da die Verantwortung für Fehler und Schäden auch bei algorithmischen Systemen immer der Mensch trägt, müssen mögliche Haftungslücken ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für die Nutzung sozialer Netzwerke: laut BVDW müsse die Umsetzung von Recht und Gesetz im Netz die Meinungsfreiheit einerseits als hohes Gut achten und zugleich Hassrede wirksam bekämpfen. Plattformbetreiber*innen müssen sicherstellen, dass ihre Nutzungsrichtlinien die wesentlichen Züge der Grundrechte widerspiegeln.

Digitale Ethik in Unternehmen

Auf Unternehmen kommen neue Herausforderungen zu. Die Digitale Ethik stellt die werteorientierte Behandlung all ihrer Themenfelder in den Fokus. Unternehmen müssen ihr digitales Handeln in Leitprinzipien, Strategien und der Teilnahme an öffentlicher Diskussion sowie in der Mitarbeiterführung abbilden. Die Bedeutung digitaler Werte nimmt im Zuge von New Work zu und erzeugt einen neuen Wettbewerbsdruck in viele Richtungen. Dadurch gilt die Digitalisierung aber auch als Chance, die eigene Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig abzusichern.

Da die Digitale Ethik zum neuen Wettbewerbsfaktor wird, können Unternehmen durch das Festlegen digitaler Werte das Vertrauen von Mitarbeiter*innen und Geschäftspartner*innen stärken. Da sich die Beziehungen auf diese Weise sogar noch verbessern können, kann man von einem neuen Wettbewerbsvorteil sprechen. Die Überschneidung der Digitalen Ethik mit verschiedensten Unternehmensbereichen macht die Relevanz dieser neuen Disziplin für Unternehmen sehr deutlich. Dazu zählen unter anderem:

  • Produktentwicklung und Marketing
  • Marken- und Reputationsmanagement
  • Risikomanagement
  • Human Resources
  • Compliance

Die Digitale Ethik stellt wichtige Fragen zur Digitalisierung und stößt Diskussionen an, aus denen sich auch mögliche Handlungsoptionen für die Praxis ableiten lassen. Die Herausforderungen, mit denen sich die Expert*innen auseinandersetzen, sind damit für Unternehmen also nicht nur zugunsten besserer Wettbewerbsfähigkeit von höchster Wichtigkeit. Die Digitalisierung wird weltweit weiterhin starke Veränderungen mit sich bringen, denen sich die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit stellen muss. Damit kommt Unternehmen auch eine besondere Verantwortung zu.

Zum einen sind Datenschutz sowie der Umgang mit sensiblen Daten ein wichtiges Thema und stellen besonders Unternehmen vor neue Aufgaben. Die Digitale Ethik fragt, ob und wie Daten von Bewerber*innen, Mitarbeiter*innen oder Kund*innen erhoben und verwertet werden. Des Weiteren kommt auch KI zunehmend in den Fokus ethischen Denkens, auch wenn diese derzeit noch mehr unterstützend als autonom arbeitet. Man befasst sich damit, wie ethische Grundsätze für Maschinen und Algorithmen aussehen könnten, welche ethischen Konflikte im Einsatz von KI entstehen könnten und wie man sicherstellen kann, dass sie transparent für die Nutzer*innen arbeitet.

Der aktuelle Stand in deutschen Unternehmen

Der BVDW fordert einen breiten gesellschaftlichen Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft. So müssen Bildungseinrichtungen wie Schulen, Berufsschulen, Hochschulen und Volkshochschulen digitale Mündigkeit sowie die Aus- und Fortbildung entschlossen entlang aller Alters- und Berufsgruppen fördern. Dies wirkt sich dementsprechend auch fortlaufend auf die Arbeit in Unternehmen aus.

Eine Unternehmenskultur, die individuell bereits Werte für den Umgang unter Mitarbeiter*innen und Kund*innen festgelegt hat, muss in Zukunft auch Richtlinien für den Umgang mit der Digitalisierung ausarbeiten. Auch hier setzt die Digitale Ethik an: Sie fragt nach möglichen Grenzen im Umgang mit KI, Möglichkeiten zur Verhinderung unerwünschter Folgen im Einsatz mit neuer Technologie und dem Umgang mit digitalen Informationen durch Mitarbeiter*innen.

So zukunftsrelevant die Digitale Ethik ist, ergab eine Erhebung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC im Jahre 2019 jedoch, dass deutsche Unternehmen Nachholbedarf in diesem Bereich haben. So sehen sich hier lediglich 50 % der Unternehmen gut aufgestellt. Große Herausforderungen bestehen darin, dass einerseits Personal mit den passenden Kompetenzen fehlt und es andererseits an Bewusstsein gegenüber Digitaler Ethik innerhalb des Unternehmens mangelt. So sehen sich mit 82 % zwar ein Großteil der Unternehmen im Bereich Datenschutz und Datensicherheit gut aufgestellt, allerdings haben nur 24 % der Unternehmen Standards zum Umgang mit Digitaler Ethik festgelegt.

Eine bedeutsame Veränderung, die angestoßen werden muss, ist die Etablierung von Datensouveränität als wichtiger Maßstab digitalen Handelns. Sie ist nicht nur als Schutz vor Vereinnahmung zu betrachten, sondern umfasst auch die Teilhabe am technischen Fortschritt dank datenbasierter Erkenntnisse und Anwendungen. Datensouveränität schützt die Freiheit der Menschen und erschließt die Chancen datenbasierter Lösungen. Chancen sieht der BVDW darin, dass ethische Fragen in die Ausbildung in Informatik, Data Science und anderen relevanten Fächern integriert werden. So müssten Branchenverbände, Fachgemeinschaften und Unternehmen Digitale Ethik zum Kern ihrer Identität machen und die ethische Diskussion aktiv mitgestalten.

Was Sie jetzt beachten müssen

Die Digitalisierung treibt in weiten Kreisen einen Wandel voran, der unsere Welt nachhaltig verändern wird. Umso wichtiger ist es nun, sich den neuen Herausforderungen zu stellen und ein Bewusstsein für Digitale Ethik zu entwickeln, um gut auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Wir geben Tipps, wie Ihnen das im Unternehmen gelingt und was Sie unmittelbar tun können:

  1. Legen Sie Standards fest und verfassen Sie Leitlinien.
    Dies umfasst auch verbindliche digitale Werte. Zentral ist hier die datenökologische Verantwortung, also der Schutz von Privatsphäre bei Mitarbeiter*innen und Kund*innen sowie die Verarbeitung, Sicherheit und Qualität von Daten. Genauso wichtig ist die Achtsamkeit für Folgen & Nachhaltigkeit im Umgang mit digitaler Technologie: KI muss werteorientiert eingesetzt werden und die Digitalisierung wird so genutzt, dass natürliche Ressourcen geschont werden können.
  2. Stellen Sie qualifiziertes Personal ein.
    Unternehmen, die sich selbst fit in Digitaler Ethik sehen, haben dies in den meisten Fällen bereits getan. Dies umfasst aber auch schon konkrete Schritte in der Personalsuche. Legen Sie fest, wie mit den Daten von Bewerber*innen umgegangen wird und welche digitalen Techniken im Recruiting zum Einsatz kommen. Stellen Sie sicher, dass der Einsatz digitaler Techniken für Bewerber*innen transparent und ethisch vertretbar ist.
  3. Bieten Sie Weiterbildungsprogramme an.
    Motivieren Sie Mitarbeiter*innen (im Bestfall in leitender Position) dazu, sich neue Kompetenzen hinsichtlich Digitaler Ethik anzueignen und stellen Sie auch sicher, dass Neueinstellungen bereits die passenden Kenntnisse mitbringen.
  4. Legen Sie Beauftragte für ethische Herausforderungen fest.
    Ethik-Beauftragte legen ethische Standards und setzen die zugehörigen Richtlinien im Unternehmen durch. Dies ist wichtig, um Digitale Ethik als wichtigen Baustein in Ihrer Unternehmenskultur zu etablieren.
  5. Stärken Sie das Bewusstsein für Digitale Ethik in Ihrem Unternehmen.
    Um bei allen Mitarbeiter*innen Sensibilität für das Thema zu entwickeln, können Sie interne Schulungen oder Workshops durchführen.

Quellen:

avantgarde-experts.de

bvdw.org

gesellschaft-digitale-ethik.org

Patrick ist Berater für digitale Kommunikation bei New Communication. Der gebürtige Nordhesse ist unter anderem unser Spezialist für Nachhaltigkeitsthemen und Gemeinwohl – und Memes. Letztere dienen vor allem dem agenturinternen Gemeinwohl. Und bringen uns nachhaltig noch Tage später zum Lachen.

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