Bedürfnisse der Zielgruppe im Blick
Was wollen Arbeitnehmer*innen? Nur wer eine Antwort auf diese Frage hat, kann auf die Bedürfnisse reagieren und die eigene Arbeitgeber*innen-Attraktivität steigern. Dabei sollte der Blick über die Grundbedürfnisse wie Gehalt, Urlaubstage und Überstundenregelungen hinausgehen. Die Lebenswelt der Zielgruppe ist hierbei ein wichtiger Faktor. Maßgeblich beeinflusst wird diese durch zwei Effekte:
Der Alters-Effekt offenbart ein Gefälle zwischen Alt und Jung – Gegenwart und Zukunft – und damit zwangsläufig auch bei den Bedürfnissen, wie dem Wunsch nach Aufgabenvielfalt, Macht, Autonomie oder Wertschätzung. Hinzu kommt der Lebensphasen-Effekt, durch den sich Werte und Einstellungen den eigenen Lebensumständen anpassen. Die Geburt des eigenen Kindes oder die Pflege einer oder eines Angehörigen sind passende Beispiele.
Setzen sich Unternehmen mit dem Lifecycle ihrer Belegschaft auseinander und was Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen brauchen (und mittlerweile von guten Arbeitgeber*innen erwarten), ist die erste Hürde bereits genommen. Spoiler: Danach kommen noch ein paar weitere. Denn was folgt, ist die Entwicklung einer personalisierten Employee Journey. Passend zur Zielgruppe und zum eigenen Unternehmen.
HALLO HIER BIN ICH !1!!!ELF!: Anziehung
Die Aufmerksamkeit der anvisierten Zielgruppe zu gewinnen, ist der Einstieg in die Employee Journey und bildet zugleich eine der höchsten Hürden. Die Konkurrenz ist groß, die Konkurrenz ist laut. Warum also nicht über den Tellerrand schauen? Dazu gehört das Erschließen neuer Zielgruppen. Arbeitnehmer*innen in Teilzeit (> 11 Mio.), Geflüchtete (> 400.000), Fachkräfte aus dem Ausland und Quereinsteiger*innen oder Menschen mit alternativen Berufserfahrungen sind wenig bis gar nicht berücksichtigte potenzielle Arbeitnehmer*innen. Und auch der Ort, an dem sich Arbeitgeber*innen um Talente bemühen, spielt eine Rolle. Die Freizeitbereiche sind ein bisher vernachlässigter Ort, um sich und sein Unternehmen zu positionieren. E-Sport und Gaming, Sport- und Musikvereine: Im Umfeld persönlicher Interessen der Zielgruppe auf sich aufmerksam zu machen ist vielversprechend. Trotzdem geht es ohne digitale Kanäle nicht. Dass viele Unternehmen gerade bei jungen Menschen bei der Auswahl der Kanäle immer noch aufs falsche Pferd setzen, zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung:
An junge Menschen: "Wie oft nutzt du folgende Social-Media-Kanäle bei der Ausbildungsplatzsuche bzw. würdest du nutzen oder hast du genutzt?"; Angaben für "oft" plus "manchmal", in Prozent; Basis: n = 1.729 14- bis 25-Jährige.
An Unternehmen: "In welchen Social-Media-Kanälen informieren Sie über ihre Ausbildungsstellen?"; Angaben in Prozent; Basis: n = 341 Personalverantwortliche
Information is key
Jetzt kommt es auf die Inhalte an. Allgemeine Benefits kann aber jede*r. Ein breites Set an Angeboten, die unterschiedliche Lebensstile und -phasen berücksichtigen und die Zielgruppen in ihrer Lebensrealität abholen, sind vielversprechender. À la MyMuesli kann jede*r von seinem persönlichen Benefit-Mix profitieren.
In Sachen Information häufig unterschätzt: User-Generated Content – kurz UGC. Vor allem junge Arbeitnehmer*innen vertrauen auf die Meinung anderer und suchen nach potenziellen Red Flags. Das tun sie nicht nur bei Bewertungsplattformen wie Kununu oder Glassdoor. Sondern in sozialen Medien. Denn wo Firmen werben, lassen auch Reaktionen und Meinungen aus der Community nicht lange auf sich warten.
Goodbye with a Smile: Bewerbung & Auswahl
In der Bewerbungsphase sind drei Dinge entscheidend: Zeit, Wertschätzung und der Abbau des Machtgefälles. Aber eins nach dem anderen.
Bewerber*innen wollen sich nicht mit ellenlangen Bewerbungsformularen herumschlagen. Das kann zum einen der Verzicht auf ein Anschreiben sein – in Zeiten von ChatGPT sowieso redundant – oder aber auch der Verzicht auf Fotos, Geschlechts- und Namensangaben. So kann neben dem eingesparten Aufwand für Bewerber*innen auch ein starkes und vor allem glaubwürdiges Zeichen für Diversität gesetzt werden.
Erinnerst du dich noch an deine eigene Bewerbungszeit? Das Warten auf Feedback? Die Einladung zum Vorstellungsgespräch, bei dem man nicht genau wusste, wer und was einen erwartet? Genau diese Unsicherheit gilt es heute abzubauen, um das Machtgefälle zwischen Bewerber*innen und Arbeitgeber*innen zu reduzieren. Kommunikation muss schnell, transparent, unbürokratisch und wertschätzend erfolgen. Helfen können dabei unter anderem KI-Anwendungen. Neben Applicant-Tracking-Systems, Talent-Relationship-Management oder Behaviour Analytics bietet künstliche Intelligenz viele Ansätze, die eigenen Prozesse zu verbessern. Sie ist jedoch kein Allheilmittel und sollte wohlüberlegt eingesetzt werden. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass KI aus Bewerber*innen-Sicht mit diversen Vorbehalten konfrontiert ist. Unternehmen sollten deshalb darauf achten, wie Gast-geber*innen aufzutreten und Bewerber*innen wie Gäste zu behandeln. Doch nicht jedes Auswahlverfahren endet in einem Jobangebot. Und die Candidate Experience ebenso wenig. Daher sollten auch Absagen mit der gebührenden Wertschätzung und im besten Fall mit Feedback gegeben werden, um eine negative Experience in eine positive zu wandeln und auch den UGC positiv zu beeinflussen.
Attention please!: Preboarding
Die Zeit zwischen Jobzusage und -antritt ist lang und bietet anderen Unternehmen noch genug Möglichkeiten, um Talente abzuwerben. Jeder zehnte unterschriebene Arbeitsvertrag wird mittlerweile nicht mehr angetreten. Das sogenannte „Job-Ghosting“ geistert nun vermehrt durch die HR-Abteilungen. Deswegen rückt der Fokus zunehmend auf die Preboarding-Phase: persönliche Treffen, Einladungen zu Teamaktivitäten, individuelle Care-Pakete oder die softwareunterstützte Integration ins Unternehmen. Ein Prozess, zugeschnitten auf die individuellen Bedürfnisse der neuen Kolleg*innen, zeigt Wertschätzung und führt zu einer Bindung – bereits vor dem ersten Arbeitstag.
Welcome on board: Onboarding
Wer bereits im Preboarding auf softwaregestützte Tools setzt, kann diese auch im Onboarding nutzen. Schlanke und ineinander übergreifende Prozesse helfen bei einer reibungslosen Eingewöhnung. Dabei unterstützen Anbieter*innen wie factorial.de oder dvinci.de. Den gesamten Prozess einem Tool zu überlassen, ist jedoch nicht ratsam. Zu einem guten Onboarding gehört auch der zwischenmenschliche Kontakt. Insbesondere Feedbackgespräche sind gewünscht und helfen dabei, die gegenseitigen Erwartungen einzuordnen und gegenzusteuern, wenn die Dinge nicht so laufen, wie gewünscht. Allzu oft führt ein schlechtes Onboarding zu einer Kündigung bereits in den ersten 100 Tagen.
Gekommen, um zu bleiben?: Bindung
Infolge steigender Homeoffice-Tage und sinkender Präsenzzeiten, entwickelt sich ein negativer Trend: Quiet Vacationing, bei dem sich – ohne Urlaub einzureichen– eine Auszeit genommen wird. Arbeiten, ohne zu arbeiten. Innerlich gekündigt. Sensibilisierten Führungskräften kommt hier eine Schlüsselrolle zu. Sie sind die Botschafter*innen des Unternehmens, die die Vision, Werte und Kultur verkörpern. Die Identifikation, Förderung und Bindung von Talenten sollte daher ein zentrales Anliegen der Führungskräfte sein. So können sie innerlichen oder gar handfesten Kündigungen entgegenwirken. Und die Fluktuationsrate senken.
Beehren Sie uns bald wieder!: Offboarding
Die wenigsten Unternehmen schenken dem Offboarding die Aufmerksamkeit, die es verdient. In Zeiten von TikTok-Trends, wie QuitTok, in denen Kündigungen öffentlich geteilt werden, sollten Unternehmen den Abschied genauso gut gestalten wie den Einstieg. Wertschätzung und Anerkennung sind hier zentral. Austrittsgespräche bieten die Chance, ehrliches Feedback zu erhalten und Optimierungspotenziale aufzeigen. Zudem kann die Pflege von Netzwerken und die Reaktivierung ehemaliger Mitarbeitender, sogenannte „boomerang hires“, in Zeiten des Fachkräftemangels enorm wertvoll sein.
Fazit: Was hängen bleibt
Auch wenn es verlockend ist – es reicht nicht aus, die Employee Journey einmal zu entwickeln und sie als fertigen Prozess zu betrachten. Unternehmen müssen sich und ihre Journey kontinuierlich hinterfragen. Das kann mitunter schmerzhaft sein, denn ehrliche Analysen zeigen oft Schwächen auf, die nicht leicht zu beheben sind. Attraktive Arbeitgeber*innen der Zukunft haben die individuellen Lebensabschnitte und Bedürfnisse ihrer Talente im Blick. Und beweisen kontinuierlich den Mut zur Veränderung.
Dieser Artikel ist Teil unseres Trendspot 2025.
Quellen
Klaffke, Martin (2022: 15): Generationen-Management: Konzepte, Instrumente, Good-Practice-Ansätze.