Sprache. Unser mächtigstes Kommunikationswerkzeug. Sie formt, wie wir denken, fühlen und handeln. Eine Unterhaltung wird zur Haltung – und Verhalten. Sie ist Ausdruck von Einstellungen, Wertvorstellungen und Bedeutungen. Und sie verändert sich, wächst und passt sich immer wieder an.
Jeden Tag entstehen neue Wörter, alte verschwinden wiederum, und manche bekommen eine neue Bedeutung. Neue Technologien, gesellschaftliche Entwicklungen und kulturelle Einflüsse spielen dabei eine tragende Rolle. Unsere Welt dreht sich nicht nur, sie ist im Wandel und damit auch die Art und Weise, wie wir darüber sprechen.
Männlich, weiblich, divers
Im Jahr 2018 wurde rechtlich die dritte Geschlechtsoption „divers“ eingeführt. Und damit eine Diskussion entfacht, die bis heute anhält. Nämlich die Einführung einer mehrgeschlechtlichen Schreibweise. Sprich eine, die neben dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht auch noch alle anderen Geschlechtsidentitäten berücksichtigt – oder vielmehr sichtbar macht.
Und hier teilen sich die Meinungen gewaltig. Während die einen Gendern als Ausdruck von Gleichberechtigung wahrnehmen, empfinden die anderen es als Sprachverhunzung und Bevormundung. Aber fangen wir mal von vorn an.
Was bedeutet eigentlich Gender?
Das Wort gender stammt aus dem Englischen und bedeutet Geschlecht. Damit ist jedoch nicht das biologische Geschlecht, mit welchem wir auf die Welt kommen, gemeint, sondern das soziale Geschlecht. Und dabei handelt es sich wiederum um das gelebte und gefühlte Geschlecht einer jeden Person. Nicht aber um das aufgrund körperlicher Merkmale zugewiesene Geschlecht.
Geschlechtergerechte Schreibweise – was ist was?
Über diese Formen sprechen wir, wenn es um Gendergerechte Sprache geht:
- Generisches Maskulinum → Mitarbeiter
- Doppelnennung → Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Partizip-Form → Mitarbeitende
- Binnen-I → MitarbeiterInnen
- Doppelpunkt → Mitarbeiter:innen
- Gendersternchen → Mitarbeiter*innen
- Unterstrich → Mitarbeiter_innen
- Schrägstrich → Mitarbeiter/innen
Sprache erzeugt Bilder
Ein häufiges Argument lautet, dass das generische Maskulinum – sprich, die männliche Form (Mitarbeiter), die auch hier in Deutschland angewendet wird, alle Menschen gleichermaßen anspricht. Und doch erzeugt sie in unseren Köpfen ein eindeutiges Bild. Nämlich das eines Mannes. Forschungen zu Geschlechterstereotypen haben dies bereits belegt. Denn, wird uns nur ein Geschlecht präsentiert, bleiben alle anderen unter dem Radar.
Und Tada, die Überraschung ist nicht groß – genauso funktioniert es bei der Nennung beider Geschlechter (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Denn sie bezieht sich zwar auf Männer und Frauen, aber aktiviert zudem im Gehirn die Relevanz dieser beiden expliziten Rollen – nicht jedoch die, der anderen.
Die neutralisierende Partizip-Form (Mitarbeitende) spricht weder Frauen noch Männer an. Sie sind allgemein und präzise. Bei dieser Form rückt das Geschlecht in den Hintergrund. Vielmehr geht es um Fähigkeiten und Kompetenzen. Eigentlich super, oder? Der Haken: Sie wirken künstlich und in vielen Fällen sind sie gar nicht erst anwendbar. Was wird beispielsweise aus dem Wort Schüler? Etwa Lernende?
Sprachforscher*innen haben außerdem herausgefunden, dass die neutralen Formen leider gar nicht so neutral sind, wie sie es sein sollten. Stichwort: Male Bias. Dieser beschreibt nichts anderes als die Verzerrung der Wirklichkeit zugunsten der – dreimal dürft ihr raten – Männer! Und so sind sowohl Frauen als auch alle anderen Geschlechtsidentitäten wieder einmal unterrepräsentiert, weil in unseren Köpfen gesellschaftlich voreingenommen automatisch das Bild eines Mannes erscheint.
Und jetzt? Vielleicht habt ihr schon eine Idee, in welche Richtung die Lösung geht: Eine Sprache, die alle Geschlechter sichtbar macht. Ob Genderstern (Mitarbeiter*innen), Gender-Gap oder Unterstrich (Mitarbeiter_innen), Doppelpunkt (Mitarbeiter:innen), Binnen-I (MitarbeiterInnen) oder Schrägstrich (Mitarbeiter/innen) – sie alle verfolgen dieses Ziel.
Besonders das Sternchen hat sich als Symbol für Vielfalt etabliert: Es steht für alle Menschen, die sich nicht in der binären Einteilung von Mann und Frau wiederfinden. Genau deshalb bevorzugen auch wir als Agentur diese Form – weil sie ein klares Zeichen setzt: für Sichtbarkeit, Inklusion und eine gerechtere Sprache.
Selbsttest
Nach so viel Theorie machen wir jetzt ein kleines Experiment. Meine Frage an euch ist, und bitte seid vollkommen ehrlich, welche Rollenbilder bzw. Geschlechterstereotype kommen euch in den Sinn, wenn ihr an folgende Menschen denkt?
- Euren Lieblingssänger, der ein Gitarrensolo gibt
- Eine Lehrkraft, die Grundschüler unterrichtet
- Einen CEO in dunkelblauem Zweiteiler
- Eine Person im Sportwagen
- Einen IT-Spezialisten
- Einen Kosmetiker (m/w/d)
- Eine Person, die mit Geige am Ohr im Orchester spielt
- Einen Politiker, der eine Rede hält
Ich habe hier bewusst in manchen Fällen das generische Maskulinum verwendet, um zu zeigen, dass mitmeinen eben nicht automatisch mitdenken bedeutet. Bereits von klein auf verfestigen sich stereotypische Vorstellungen von Geschlechtern und finden dadurch automatisch ihren Weg in unsere Köpfe.
Gleichberechtigung von Anfang an
Beim Aufwachsen von Kindern können Eltern, Bezugspersonen und pädagogische Fachkräfte schon in jungen Jahren auf ihre Modellfunktion achten, indem sie sich der Konsequenzen in der Entwicklung bewusst machen. So können sie sich neutral verhalten, indem sie zulassen, dass Kinder sich unabhängig des Geschlechts beispielsweise als Prinzessin oder als Pirat verkleiden dürfen.
Wieso sollte der Sohn nicht mit der Barbie seiner Schwester spielen dürfen und was spricht dagegen, die Tochter mit dem Traktor übers Teppich-Maisfeld fahren zu lassen? Für Kinder stellt sich die Frage nicht, ob Spielzeug für ein bestimmtes Geschlecht produziert wurde. Sie sind unvoreingenommen und wollen ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf lassen.
Ein aufschlussreiches Experiment aus Großbritannien zeigt, wie stark sich früh verfestigte Geschlechterstereotype auswirken. So wurden Kinder einer Kita gebeten einen firefighter, surgeon und fighter pilot zu malen. Bereits im Kita-Alter zeigten die Zeichnungen daraufhin zumeist männliche Personen. Als die realen Vertreterinnen (ja, ich schreibe hier ganz bewusst die weibliche Form) der Berufsgruppen den Raum betreten, sorgen sie für spannende Reaktionen. Schaut mal selbst.
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Haltung zeigen - auch in Unternehmen
Sprache ist nie neutral. Wer kommuniziert, trifft Entscheidungen – auch über Sichtbarkeit und Teilhabe. Deshalb ist Gendergerechte Sprache längst kein rein privates Thema mehr, sondern auch ein wichtiger Teil der Corporate Language. Sie spiegelt die Werte einer Organisation wider und zeigt nach außen wie nach innen: Wir sehen und respektieren die Vielfalt unserer Gesellschaft.
Unternehmen, die sich für eine inklusive Sprache entscheiden, treffen damit eine bewusste, politische Entscheidung – auch wenn sie sich gar nicht explizit als politisch verstehen. Es ist ein Statement für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Und es ist eines, das nicht unbemerkt bleibt: Mitarbeiter*innen fühlen sich angesprochen, Kund*innen gehört und Bewerber*innen willkommen.
Kleines Sternchen, große Wirkung
Fakt ist, Gleichberechtigung muss zum Ausdruck gebracht werden und Ausdruck funktioniert nun einmal über Sprache. Uns allen dürfte das berühmte Watzlawick-Zitat „Man kann nicht nicht kommunizieren“ bekannt sein. Und so ist Gendergerechte Sprache ein(!) wichtiger Beitrag zu einem wachsenden Bewusstsein für eine bessere Inklusion. Letztendlich macht sie nur aufmerksam auf das, was schon immer da war. Nämlich, dass kein Mensch in eine vorgefertigte Form passt und jeder einzigartig auf seine eigene Weise ist.
Mal ehrlich, wollen wir uns aktiv für das Ausschließen von bestimmten Gruppen entscheiden, wenn es doch so einfach ist, sie mit einzubeziehen? Sprachwandel funktioniert eben wie ein Trampelpfad – je mehr Leute ihn gehen, desto mehr wird er anerkannt. Das Sternchen ist klein. Seine Wirkung dagegen groß.