Schwindeln soll man nicht, das predige ich meinen Kindern jeden Tag. Und lüge dann, sobald ich sie im Kindergarten abgegeben habe, wie gedruckt. Buchstäblich. Denn ich bin Werbetexterin. Und Illusionen zu verkaufen ist mein Beruf.

Vorweg: Krasse Unwahrheiten kommen mir nicht aufs Papier. Beschönigungen allerdings schon. Denn obwohl sich viele Produkte kaum voneinander unterscheiden, müssen wir Werber dem Angebot unserer Kunden einen Hauch von Einzigartigkeit verleihen. So kommt es dann, dass eine Tiefkühlpizza schmeckt „wie beim guten Italiener“. Ein Spülmittel „selbst hartnäckigste Verkrustungen mit einem Wisch“ löst. Und ein Waschmittel sogar „weißer als weiß“ wäscht.  

Kunden sind nicht blöd

Natürlich glaubt niemand wirklich an solche Versprechungen. Dennoch akzeptieren wir Übertreibungen in der Werbung. Wir erwarten sie sogar. Denn unser Gehirn verarbeitet Klischee-Bilder deutlich müheloser als ungewohnte Wahrheiten. Darum finden wir es okay, wenn die Hanuta-Frau so tut, als backe sie jede knusprige Waffel von Hand. Ein authentisches Bild von der industriellen Fertigung in der Waffelfabrik dagegen würde uns irritieren.

Lizenz zum Schönreden

Werbung darf übertreiben. Das sagt auch das Gesetz. Solange es sich um eindeutig erkennbare „reklamehafte Übertreibungen“ handelt, die der durchschnittliche Verbraucher als solche erkennen kann. Ist das nicht der Fall, gilt Werbung als irreführend – und das ist nicht erlaubt. So musste Teekanne zum Beispiel seine Werbung für die Sorte Himbeer-Vanille-Abenteuer zurückziehen. Der Tee enthielt nämlich weder Himbeeren noch Vanille.

Riesenlügen mit kurzen Beinen

Auch ohne Gerichtsurteil können Verzerrungen der Wahrheit unangenehme Folgen für Unternehmen haben. Denn kritische Verbraucher decken allzu dreiste Schummeleien schnell auf. Das musste auch RWE erfahren. In einem Imagefilm ließ der Stromkonzern einen gutmütigen Riesen Windräder und Wasser-Kraftwerke pflanzen. Die Botschaft: RWE steht für saubere Energie-Gewinnung. Tatsächlich stammten zu diesem Zeitpunkt nur 2 % des von RWE erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energien. Die Greenpeace-Parodie der „Riesenlüge“ verbreitete sich rasend schnell im Netz. Und aus Greenwashing – dem Versuch, sich umweltfreundlicher zu präsentieren, als man ist – wurde ein Shitstorm.

Preisverdächtig heucheln

Auf besonders fadenscheinige Behauptungen von Lebensmittel-Herstellern macht der Verein Foodwatch seit 2009 mit dem Goldenen Windbeutel aufmerksam. Zuletzt erhielt der „Kinderkeks“ von Alete den Negativpreis. Das Unternehmen pries den Keks auf der Packung als „babygerecht“ an – obwohl er zu einem Viertel aus Zucker besteht. „Alete nutzt sein positives Image bei Eltern aus, um auf Kosten der Kleinsten Kasse zu machen – das grenzt an Körper-Verletzung durch Irreführung", sagte Sophie Unger von Foodwatch.

Unsportliche Vorbilder

Apropos positives Image: Wenn Sportler für offensichtlich ungesunde Produkte werben, ist das streng genommen auch eine Lüge. Denn das Bild des fitten Sportlers verharmlost den Zucker- oder Fettgehalt von Chips, Schokoriegeln und Co. Wenn sogar die Klitschkos Milchschnitten futtern und selbst Manuel Neuer Nutella-Brote zum Frühstück isst – dann kann das alles doch gar nicht so ungesund sein. Oder?

Trend zur Ehrlichkeit

Letztlich ist es eine Frage der Ethik, ob man Sportler nutzt, um Kinder zum Naschen zu verführen. Facebook-Fans im Ausland kauft. Gefakte Mitarbeiter-Statements veröffentlicht. Und Models so dünn photoshopt, dass selbst Heidi Klum die Augenbrauen runzeln würde.

Immer mehr Unternehmen setzen inzwischen auf Authentizität. Und heben sich damit von der Konkurrenz ab. Vorreiter ist die Körperpflege-Marke Dove mit ihrer Initiative für wahre Schönheit. Dass kreative Werbung auch ohne leere Versprechungen geht, zeigt Lidl mit den Spots zum Energy-Drink Kong Strong. Der macht nämlich nicht attraktiver, stärker oder cooler. Sondern einfach nur wacher. Und Smart gibt offen zu: Die Stärken des Zweisitzers liegen nicht im Offroad-Bereich.

Mit einer besonders radikalen Aktion schaute Burger King Norwegen der Wahrheit ins Gesicht. Zuvor war die Fast-Food-Kette kritisiert worden, sich mit einer Gratis-Burger-Aktion Facebook-Fans erschlichen zu haben. Daraufhin machte man den 38.000 Fans ein unmoralisches Angebot: Sie konnten entweder Fan bleiben oder einen MacDonald’s-Gutschein erhalten. Dann würden sie aber auf Lebenszeit von Burger Kings Fanpage verbannt werden. Zwar verlor das Unternehmen 30.000 Fans. Kann aber dafür nun mit 8.481 wirklich echten Anhängern werben.

Quellen:

foodwatch.org

brandeins.de