Es wird gesungen, getanzt, geschauspielert, Tipps verteilt oder interessante Einblicke hinter Kulissen gegeben, die so sonst nirgendwo zu finden sind. Statt klassischer Werbeclips finden sich kurze Videos, die nach Entertainment aussehen, Trends aufgreifen und mit hoher Geschwindigkeit reagieren. Sie fallen ins Auge, wecken Emotionen und laden zur Interaktion ein. Und entscheidend ist dabei nicht die Hochglanzproduktion, sondern Authentizität.
Erfolgreiche Marken verbinden ihre Botschaften mit trendigen Sounds, Hashtags oder Challenges. Sie schaffen es, sich in den Strom der Community einzufügen, und wirken dadurch nahbar. Global Player wie Nike, Red Bull oder auch deutsche Unternehmen wie BMW und die ARD sind längst auf TikTok aktiv. Vor allem aber kleine und mittelständische Unternehmen wissen die Plattform auf sympathische Art und Weise für ihre Zwecke zu nutzen. Hier ein paar Beispiele:
- Naughty Nuts: Das Start-up aus Köln setzt auf freche, knallhart-ehrliche und witzige Interviews oder Situationen aus dem Arbeitsalltag. So entsteht eine Marke, die nahbar wirkt und perfekt zur Lifestyle-Community von TikTok passt.
- ZIEHL-ABEGG: Ein Maschinenbaukonzern mit Selbstironie. Statt Technik-Talk gibt es sympathische Einblicke hinter die Kulissen, Challenges mit Azubis und humorvolle Recruiting-Clips. Ein Paradebeispiel für gelungenes Employer Branding.
- Autohaus Ellmann: Klassische Autowerbung? Sackgasse! Hier gibt es Alltagsszenen, Trends und witzige Mitarbeiter*innen-Videos. Das Ergebnis: ein regionales Familienunternehmen, das durch Humor und Persönlichkeit nationale Reichweite gewinnt.
Zahlen, Daten, Fakten – TikTok auf der Überholspur
TikTok legt ein starkes Wachstumstempo hin. Statista zufolge scrollen sich rund 26,7 Millionen Menschen in Deutschland monatlich durch die App – noch im Februar 2025 waren es 21,8 Millionen. Innerhalb weniger Monate hat TikTok also Millionen neue Nutzer*innen gewonnen und etabliert sich immer stärker im Alltag der Zielgruppe.
Damit ist TikTok inzwischen Instagram (31,3 Mio.) und Facebook (32,9 Mio.) dicht auf den Fersen. Während Facebook vor allem bei Jüngeren deutlich an Relevanz verliert, setzt TikTok genau hier an: Mehr als 70 % der 16- bis 19-Jährigen nutzen die App regelmäßig. Diese Zielgruppe ist dabei immer noch die stärkste. Aber auch bei den 19- bis 29-Jährigen sieht es ähnlich aus. Hier nutzen 67 % die App regelmäßig. Für Marken bedeutet das: Wer die Talente von heute und die Entscheider*innen von morgen erreichen will, kommt an TikTok nicht vorbei.
Noch spannender als die reinen Nutzerzahlen ist die Intensität: Im Schnitt verbringen User rund 55 Minuten pro Tag auf TikTok. Deutlich mehr als auf Instagram oder Facebook. Die App ist damit nicht nur ein zusätzlicher Kanal, sondern längst die Plattform, auf der Trends entstehen, Gespräche beginnen und Marken Nähe aufbauen können
Tagesschau – but make it TikTok
Die Tagesschau mit 2,1 Mio. Follower*innen beweist, dass selbst Nachrichten auf TikTok zum Hit werden können. Statt steifer Studioaufnahmen gibt’s kurze Clips, Faktenchecks und News-Snacks im Scroll-Tempo. Seriös, aber mit Humor. So erreicht die Traditionsmarke eine Zielgruppe, die sonst eher selten die 20-Uhr-Nachrichten einschaltet
Mit der richtigen Content-Strategie zum High statt Bye
Der Schlüssel zum Erfolg: Inhalte, die nicht als Werbung wahrgenommen werden, sondern als Beitrag zur Unterhaltung. Vor allem junge Zielgruppen lassen sich hier erreichen. Ein Mix aus Unterhaltung, Community-Nähe und subtiler Markenbotschaft. Aber was bedeutet das? Besonders erfolgreich sind hierbei Comedy-Formate, Tutorials, Einblicke hinter die Kulissen und Unternehmen, die sich nicht zu ernst nehmen. Denn wer zu starr an Corporate Design und Corporate Wording festhält, wird schnell weitergescrollt
Zwischen Daily Business und Bühnenlicht
TikTok lebt vom Twist zwischen Arbeit und Spaß. Unternehmen inszenieren Arbeitswelten plötzlich als Entertainment-Format: vom humorvollen Blick ins Büro bis hin zu Recruiting-Videos mit eigennützigem Dating Aufruf für Protagonist*innen. Dadurch entstehen Nähe und Authentizität. Aber auch die Gefahr der Banalisierung.
Gerade im Employer Branding zeigt sich, wie mächtig dieser Ansatz sein kann. Mitarbeiter*innen, die als Gesicht für das Unternehmen stehen, machen es greifbar. Doch die Balance ist entscheidend. Professionell wirken, ohne dabei den humorvollen Charakter zu verlieren. Halten wir die goldene Regel fest: Seriosität und Spaß gehen Hand in Hand
Hitschies macht’s vor
Ein herausragendes Beispiel für TikTok-Marketing ist die deutsche Süßwarenmarke Hitschies mit seinem Account @hitschies.official. Das Traditionsunternehmen hat unter dem Geschäftsführer Philip Hitschler-Becker, einen bemerkenswerten Wandel vollzogen und TikTok zur zentralen Markenbühne gemacht.
Die Strategie: TikTok wird nicht als klassischer Werbekanal verstanden, sondern als Community-Plattform. Mit Trends, Challenges und humorvollen Clips gelingt es Hitschies, die Marke jung, nahbar und modern wirken zu lassen. Damit sind sie der Konkurrenz einen Schritt voraus.
Das Besondere: Der CEO tritt selbst regelmäßig vor die Kamera und ist somit gleichzeitig Content Creator und Markengesicht. Statt geheimnisvoll im Hintergrund zu agieren, zeigt er sich locker, probiert Produkte, reagiert auf Trends und interagiert direkt mit der Community. Nahbar im Hoodie statt distanziert im Anzug.
Diese persönliche Note wird sehr positiv von der Community wahrgenommen. Sie nehmen ihn nicht als klassischen CEO wahr, sondern als jemanden, der „einer von ihnen“ ist. Diese Strategie unterscheidet Hitschies von vielen anderen Marken, die TikTok eher unpersönlich nutzen
Chancen und Risiken einer Personenmarke
Die starke Bindung an Philip Hitschler-Becker verschafft Hitschies Reichweite, Sympathie und Wiedererkennungswert. Doch die Strategie hat eine Kehrseite: Verlässt er eines Tages die Bühne oder zieht sich zurück, könnte die Marke einen wichtigen Teil ihrer Identität verlieren.
Dieses Beispiel verdeutlicht die Ambivalenz von Personenmarken: Sie können Nähe und Authentizität schaffen, aber sie binden das Unternehmen stark an eine einzelne Figur. Für Hitschies wird es langfristig entscheidend sein, die Marke so aufzustellen, dass sie auch ohne ihren prägenden CEO funktioniert
Stolperfallen der Trendmaschine TikTok
So groß die Chancen auch sind, so deutlich zeigen sich auch die Herausforderungen. Wo Kreativität, Geschwindigkeit und Humor dominieren, geraten rechtliche und ethische Fragen leicht in den Hintergrund. Hier die größten Fallstricke:
- Musikrechte: Viele virale Inhalte leben von Sounds. Doch nicht alle sind für die kommerzielle Nutzung freigegeben. Unternehmen, die Trend-Audios nutzen, ohne Lizenzrechte zu prüfen, riskieren Abmahnungen oder Sperrungen. TikTok bietet zwar eine eigene Soundbibliothek, doch die Nutzungsrechte variieren je nach Kontoart (privat oder kommerziell) und Land. Wer professionell auftreten und teures Lehrgeld vermeiden will, sollte also genau prüfen, welche Audios erlaubt sind.
- Jugendschutz: Die Plattform ist besonders bei Minderjährigen beliebt. Zwischen Tanzvideos und Challenges finden sich jedoch immer wieder problematische Inhalte, darunter gefährliche Mutproben oder übersexualisierte Darstellungen. Marken, die auf TikTok aktiv sind, tragen Verantwortung dafür, welche Werte sie vermitteln und wie sie ihre Zielgruppen ansprechen. Authentizität darf nicht bedeuten, Grenzen zu überschreiten.
- Suchtgefahr: Mit endlosem Scrollen und algorithmisch perfekt abgestimmten Inhalten fesselt TikTok seine Nutzer*innen und das oft deutlich länger als geplant. Diese hohe Verweildauer ist zwar für Marken reizvoll, birgt aber auch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung. Besonders junge Menschen verbringen täglich Stunden in der App. Hier stellt sich die ethische Frage: Wie viel Aufmerksamkeit darf Werbung kosten
Fazit
TikTok ist kein Experimentierfeld (mehr). Die App ist zu einem mächtigen Marketing-Kanal geworden. Aber keiner ohne Schattenseiten. Wer hier erfolgreich sein will, sollte den Fokus nicht ausschließlich auf Kreativität und Humor legen, sondern dabei ebenso verantwortungsbewusst agieren.
Rechtliche Klarheit, Sensibilität gegenüber jungen Zielgruppen und ein reflektierter Umgang mit der Plattformmechanik sind genauso entscheidend wie Likes und Reichweite. Denn nur wer die Risiken kennt, kann sie vermeiden und langfristig authentisch bleiben.
Und apropos. Als Marketing-Agentur sind natürlich auch wir bei TikTok vertreten. Wer einen Blick hinter unsere humorvollen und selbstironischen Kulissen werfen will, ist herzlich willkommen. Hier geht es zur @nc.crew.
Quellen
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