Vom Wert der Neugierde

Die Arbeitswelt von Werbeagenturen hat sich gewandelt. Galten Werber früher als kreative Spaß-Bohème, sind sie mittlerweile zu terminlich durchgetakteten Fließbandschaffern geworden. In den Terminkalendern fehlt meist die Zeit – und in aller Regel wird sie auch nicht von den Agenturkunden bezahlt –, sich in neue Themen und Anwendungsprogramme einzuarbeiten oder auch frei von akuten Jobs Herangehensweisen und Techniken auszuprobieren. Auf der Strecke bleibt dabei langfristig die Neugierde auf kreative Innovationen.

Unternehmen wie Google haben die Gefahr dieser Entwicklung erkannt. Google stellt seinen Mitarbeitern darum frei, freitags an eigenen kreativen Projekten zu arbeiten. Das klappt in der Praxis nicht immer, aber allein der formulierte Anspruch gibt der Neugierde wichtigen Raum. Doch was der Internetriese sich leisten kann, ist für keine Werbeagentur machbar: einen Werktag pro Woche für solche Projekte zu reservieren.

Die Firma 3M hat ebenfalls eine tiefgehende Innovationskultur etabliert: 25.000 Patente sind daraus inzwischen hervorgegangen, von denen der Post-it nur eines ist. 3M veranstaltet regelmäßig einen Tag der Leidenschaften. Dann erzählen Mitarbeiter interessierten Kollegen von ihren Hobbys. An solchen Tagen taucht auch mal ein Segelflugzeug auf dem Firmenparkplatz auf.

Die Kölner Digitalagentur Denkwerk unterhält ein eigenes Innovationslabor. Im „Thinx“ wird an neuen Prototypen getüftelt. Betreut wird es von einem fünfköpfigen Kernteam. Es steht auch jedem weiteren Mitarbeiter zur Verfügung, allerdings nach seiner regulären Arbeitszeit.

Innovationsfähigkeit zählt heute in den meisten Branchen zu den zentralen Überlebensfaktoren für Unternehmen. Das gilt auch für Werbeagenturen. Jedoch arbeiten dort eben Menschen, deren zentraler Antrieb es ist, Neues zu schaffen. Agenturen, denen es gelingt, dieses Potenzial zu nutzen, werden künftig auch Innovationsmotoren ihrer Kunden werden.

5 Aspekte sind dabei zu beachten:

1. Zeitfenster öffnen

„Wir müssen innovativer werden!“ ist ein hehrer Anspruch. Zu seiner Umsetzung muss Arbeitszeit in einem wirtschaftlich tragfähigen Maß eingeräumt werden. Zusätzliche Anreize können die Mitarbeiter bewegen, eigene freie Zeit zu investieren.

2. Kulturbrüche inszenieren

Ein Pharma-Unternehmen ließ seinen Mitarbeitern auf dem Weg zum gewohnten Tagungsort eine Panne vorspielen. Die Tagung wich scheinbar spontan in eine Fabrikhalle aus. Mit herumliegenden Gegenständen wurden die Inhalte der Versammlung improvisiert. So wurde die Umsatzentwicklung mit Hilfe von Getränkeflaschen dargestellt. Gerade der überraschende Ablauf der Veranstaltung brachte die Teilnehmer dazu, sich deutlich aktiver und ideenreicher als sonst zu beteiligen.

3. Durchhalten

Unter dem Effizienzdruck werden innovative Ansätze nach einer Kosten-Nutzen-Beurteilung sehr schnell abgewürgt. Insbesondere der Nutzen wird dabei oft schnell klein geredet. Wie aber will man die Marktchancen von Dingen beurteilen, die es noch gar nicht gibt? Wer sah vor 10 Jahren den Erfolg von Tablets voraus oder, jünger, den Run auf Loom-Armbänder? Wer innovativ sein will, muss Ausdauer aufbringen.

4. Räume schaffen

Innovation braucht einen Ort, der möglichst wenig an den alltäglichen Arbeitsplatz erinnert. Einen Raum, der inspiriert, die Ideen in neue Richtungen fließen zu lassen. Deshalb finden Innovationsworkshops eher in der Kletterhalle als im Konferenzraum statt.

5. Scheitern erlauben

Zur Kultur des Innovations-Willens gehört eine Kultur des Scheitern-Dürfens. Es muss zugelassen werden, dass Projekte initiiert werden, ohne ihren Erfolg oder Misserfolg absehen zu können. Geht ein Ansatz schief, ist das eine nützliche Lektion auf dem Weg zum nächsten Versuch.

Wenn es den Werbeagenturen gelingt, neugierig zu bleiben und diesem Drang Entfaltungsmöglichkeiten zu bieten, dann finden sie ihren Weg. Auf dem können sie sogar zu innovativen Motoren ihrer Kunden avancieren.

Sören ist Geschäftsführer von New Communication. Der studierte Betriebswirt ist immer auf der Jagd nach neuen Herausforderungen. Wenn er die in der Gegenwart nicht findet, sucht er sie in der Zukunft – in Form von Trends, die die Marketing-Welt bewegen. Und weil Zeitreisen für Sören nicht genügen, überrascht er im Anschluss die gesamte Belegschaft mit Stunt-Training. Ehrensache, dass wir auch dort für ihn durchs Feuer gehen.

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