Die Rechenleistung von Computern gepaart mit der Möglichkeit, riesige Datenmengen speichern zu können, eröffnet heute neue Horizonte. Und die KI ist heute gegenwärtiger als manch einer annimmt. Wer Google Maps, Spracherkennung, Alexa oder Netflix nutz, der nutzt KI-basierte Anwendungen.

Wenn wir von Künstliche Intelligenz (KI) sprechen, dürften heute nur noch wenige in erster Linie an eine hyperintelligente Maschine denken, die die Schädlichkeit der Menschheit erkannt hat und sie auslöschen will. Mit KI sind vor allem fallbasierte konkrete Anwendungen gemeint, die in den meisten Fällen Vorhersagen treffen oder Empfehlungen anbieten. KI soll also unser Leben einfacher machen. Komplexität reduzieren. Das nutzen immer mehr Branchen.

Auch die Public Relations-Branche entwickelt sich weiter. Aber passt PR und KI zusammen? Wie soll KI Public Relations machen? Ist sie vielleicht auf Meinungsmache programmiert?

Warum wir Eggs and Bacon kennen und Frauen rauchen

Führen wir konventionelle PR und die neuen technischen Möglichkeiten zusammen, sehen wir jedenfalls Erstaunliches.

Doch zunächst sollten wir die Frage klären, was PR eigentlich ist. Dazu kursieren etliche, mitunter auch humorvolle Definitionen. Doch was könnte sich besser dazu eignen, diese Frage zu klären, als ein Fallbeispiel aus dem Schaffen des „Vaters der Public Relations“, Edward Bernays?

Eggs and Bacon, Spiegeleier mit gebratenem Speck, sind ein Gericht, das die meisten unter dem Namen „Amerikanisches Frühstück“ kennen dürften. Dass das so ist, liegt an einer inzwischen 100 Jahre zurückliegenden PR-Aktion von Edward Bernays.

Bernays, ein Cousin Sigmund Freuds, wurde von einem amerikanischen Lebensmittelhersteller engagiert, um die Fleischverkaufszahlen anzukurbeln. Bernays befragte an die 5.000 Ärzte, ob ein leichtes oder gehaltvolles Frühstück gesünder sei. Die Amerikaner folgten der Empfehlung der Ärzte und integrierten die üppige Mahlzeit mehrheitlich in ihren Ernährungsplan. Und beiläufig in ihre landesspezifische Küche.

Das ist nur eines von vielen bekannten Beispielen von Bernays PR-Künsten. Dass Frauen (leider) überhaupt mit dem Rauchen anfingen, ist ein weiterer, jedoch moralisch fragwürdiger, Verdienst des PR-Experten Bernays. Das alles brachte er ohne KI und Massenmedien zustande. Wie würde er heute arbeiten?

Künstliche Intelligenz, echte PR

Heute existiert eine Reihe an konkreten Anwendungsbeispielen in der PR. Die Text-KI des chinesischen Konzerns Alibaba kann Dinge, die kein Mensch zustande bringt. Bis zu 1 Mio. Texte pro Tag mit bis zu 20.000 Zeichen pro Sekunde. Im Einsatz ist diese Software beispielsweise in Onlineshops von z.B. Esprit und erstellt dort den Content.

Intelligente Krisenvorhersage

Medienbeobachtung ist ein Teilbereich der PR, der nicht wegzudenken ist. Doch im Web den Überblick zu behalten ist schwer. Und noch schwerer ist es einzuschätzen, ob sich ein Post oder ein negativer Kommentar einen Shitstorm auslöst oder nicht.

KI-Tools helfen heute, Krisen vorherzusagen. Das Hashtag-Analyse-Unternehmen Keyhole nutzt das Machine-Learning-Framework TensorFlow von Google, um Social-Media-Krisen für seine Kunden vorherzusagen. Das Unternehmen verbindet dazu seine Datensätze mit der KI-Cloud. Die Genauigkeit der Vorhersagen liegt laut Unternehmen bei 80 bis 90 Prozent.

Cision beispielsweise nutzt eine intelligente Software, die hilft, zielgenau Themen in den Medien zu platzieren. Man gibt einen Begriff ein und die KI geht los. Liest alle Texte der vergangenen zehn Jahre und präsentiert Publikationen und Journalisten, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben, und die sich höchstwahrscheinlich für meine Story interessieren. Die Liste der Beispiele ließe sich verlängern.

Schneller, zielgenauer, effizienter

Ein PR-Stratege hat heute also Tools zur Verfügung, mit denen er Aufgaben erledigen kann, die er ohne diese Tools unmöglich in der Zeit erledigen könnte. Die PR und die Kommunikation wird besser, schneller, zielgenauer. Und effizienter.

Chatbots beispielsweise beantworten Kundenanfragen oder helfen einen Flug zu buchen. So kommuniziert das Unternehmen quasi persönlich, kann mehr Kunden bedienen als mit Manpower und das ohne dabei wirklich persönlich zu sein. Auch der Einsatz von KI als Pressesprecher ist bereits getestet worden.

Doch Bots können noch mehr. Und die kann man online kaufen. 500er, 1.000er, 5.000er-Pakete und das in unterschiedlichen Qualitätsgraden. Die gute Ware kann in Social Media-Kanälen Beiträge posten, liken oder kommentieren. Eindeutig identifizierbar als so genannte Social Bots sind sie dabei nicht.

An Bots scheiden sich die Geister

Die Meinung über Social Bots ist gespalten. Umfragen belegen, dass Bots akzeptiert werden, wenn es um die Kommunikation mit Unternehmen geht, z.B. im Kundenservice. Anders sieht es in der Verwendung im politischen Bereich aus.

Laut einer Statista-Befragung Laut einer Statista-Befragung waren 12 Prozent sicher, Social-Bot-Aktivitäten zu politischen Themen im deutschen Wahlkampf bemerkt zu haben. Ein großer Teil der Befragten war jedoch unsicher, ob es sich um menschliche Aktivitäten oder die einer künstlichen Intelligenz handelte. Den Einfluss von Bots auf politische Entscheidungen bewerten 42 Prozent als relevant für den Brexit beispielsweise. 59 Prozent sind überzeugt, dass Fake Accounts und Meldungen zur Beeinflussung missbraucht werden. 32,3 Prozent sehen in der automatisierten Verbreitung von Informationen eine „deutliche“ Gefahr für die Demokratie.

Die Organisation „Botswatch“ hat allein in der vorletzten Wahlkampfwoche vor der Bundestagswahl im vergangenen Jahr knapp 23 % der wahlrelevanten Tweets den Bots zugerechnet.

PR oder Manipulation?

Ist das noch PR? – Oder ist das Manipulation? Vor fast 100 Jahren sagte Bernays:  „Die bewusste und zielgerichtete Manipulation der Verhaltensweisen und Einstellungen der Massen ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie.“ Im Umkehrschluss bedeutet das: „Wir werden von Personen regiert, deren Namen wir noch nie gehört haben.

Obwohl wir heute etliche Methoden nutzen, die Edward Bernays etabliert hat, gilt vieles heute nicht mehr. Wir leben im Zeitalter des Internets, was bedeutet, dass alles früher oder später ans Licht kommt, wie manipulierte Abgaswerte oder Doktorarbeiten. Für die Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit bedeutet das: Nur authentische und ehrliche PR funktioniert. Und die setzt auf Transparenz.

Daten und was man damit machen kann

Wir finden etliche Beispiele, die vom Gegenteil zeugen. Laut Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundestags sollen im US-Wahlkampf bis zu 50 Prozent aller Trump-Follower Bots oder Fake Accounts gewesen sein.

Im März kommt durch einen Whistleblower ans Licht, dass 87 Millionen Facebook-Profile samt persönlicher Daten der Nutzer preisgegeben und für politische Zwecke genutzt worden sind. Das britische Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica, das die Trump-Kampagne unterstützt, nutzt KI, um aus diesen Daten die für die Kampagne wichtigen Wähler zu extrahieren und diese gezielt über die wenig bekannten Dark Posts zu kontaktieren. Diese Posts sieht nur der Empfänger, danach verschwinden sie.

Transparenter als manch einer denkt

Die Strategie: den Fokus auf wenige unentschlossene Wähler in wenigen Schlüsselstaaten zu legen statt auf die breite Masse. Anhand der Daten wurden 32 Persönlichkeitsprofile basierend auf den digitalen Footprints der Nutzer erstellt und tausende individualisierter Nachrichten an diejenigen versendet, die als besonders besorgt oder ängstlich gelten. Das Ergebnis kennen wir. Trump gewinnt mit drei Millionen Stimmen weniger als seine Kontrahentin. Wer hätte das gedacht.

Wissenschaftliche Studien, die Erkenntnisse über die Auswirkungen von Social-Bot-Aktivitäten liefern, liegen noch nicht vor. Auch nicht solche über die Auswirkungen auf das menschliche Handeln unter Einfluss von KI. KI, die das Verhalten einer Person anhand deren Shares und Likes besser voraussagen kann als ein Arbeitskollege oder sogar ein Familienmitglied.

Wie passt PR und KI also zusammen? Der PR-Branche bietet die künstliche Intelligenz ein enormes und noch wenig ausgeschöpftes Potenzial. Kleine oder regelmäßige Aufgaben können ausgelagert und die Effektivität kann erhöht werden.

Doch der KI-Einsatz in diesem Bereich muss notwendigerweise die (bereits begonnene) ethische Debatte durchlaufen. Vor allem wenn es um einen KI-Einsatz geht, der darauf zielt, die Gewichtung von öffentlich diskutierten Themen zu manipulieren. Und damit Entscheidungen zu beeinflussen.

PR und Verantwortung

Einfach wird das nicht. Mit jeder halbwegs beantworteten Frage ergeben sich zehn neue: Wie unterscheiden wir menschliche von künstlicher Intelligenz? Wie gehen wir juristisch damit um? Und überspitzt: Wenn KI PR generiert und KI PR auswertet, führt sich die PR dann selbst ab absurdum?

Wird KI nach Social Media zur sechsten Gewalt? Oder ist sie das schon? Sind demokratische Werte und Strukturen überhaupt noch gültig? Durch KI und ihren strategischen Einsatz sind Manipulationen kollektiver Entscheidungen nicht nur denkbar, sondern Realität.

Die PR ist für Unternehmen wichtiger denn je. Um ihre Zielgruppen durch die überwältigende Informationsflut zu erreichen, um ihr Image zu pflegen, um mit der Welt in Kontakt zu treten und Verbindungen zu schaffen. KI und PR passen hervorragend zusammen.

Die Frage ist: Wie setzen wir die Möglichkeiten, über die wir verfügen, ein? Kommunizieren wir? Oder klauen wir Daten? Nutzen wir die mangelhafte Datenhygiene aus? Oder tragen wir alle dazu bei, einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten zu entwickeln? Alle diese Fragen werden uns in den kommenden Jahren beschäftigen. Spannend bleibt es allemal.

Nelly ist Expertin für Corporate Language, Publikationen und Public Relations bei New Communication. Außerdem ist die ausgebildete Journalistin Pressesprecherin der Agentur. Theoretisch könnte Nelly ihre Pressekonferenzen auch auf Englisch, Russisch oder Spanisch halten. Spricht sie nämlich alles. Theoretisch könnte sie dabei auch singen und tanzen. Kann sie nämlich auch. Natürlich wäre das albern. Aber wir wollten einfach nur mal kurz damit angeben, wie toll unsere Nelly ist.

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