Wenn ein Mann zum Friseur geht und sich einen trendigen Haarschnitt verpassen lässt, zahlt er für die gleiche Leistung rund 15 Euro weniger als eine Frau. Verbraucher haben sich längst daran gewöhnt, dass Produkte für Frauen oft deutlich teurer sind als für Männer. Ähnlich überraschend verhält es sich zum Beispiel mit der Tatsache, dass Apple im Jahr 2007 in Großbritannien für ein MacBook in Schwarz etwa 70 Euro mehr verlangte als für eins in Weiß.

Zufall? Keineswegs. Hinter dieser auf den ersten Blick undurchsichtigen Preispolitik verbirgt sich ein klassisches Kaufmannsgesetz: „Verlange immer den Preis, den der Markt hergibt!“ Genau dieses Prinzip befolgte Apple mit den zwei verschiedenen Preisen für schwarze und weiße MacBooks. Das Unternehmen reagierte damit auf die guten Verkaufszahlen des kurz zuvor auf dem Markt erschienenen iPods, der sich in Schwarz wesentlich besser verkaufte.

Doch viele Hersteller und Händler wissen oft gar nicht, welche Preise in ihrem Markt möglich sind. Viele orientieren sich daher an der bewährten Faustregel „Hersteller- oder Einkaufspreis plus Marge X“. In den letzten Jahren sind die Margen allerdings deutlich gesunken. Denn in der Wirtschafts- und Finanzkrise scheuten sich viele Anbieter, die höheren Herstellerpreise an ihre Kunden weiterzugeben.

Tatsächlich jedoch könnten zahlreiche Unternehmen ihre Preise deutlich erhöhen und damit mehr Gewinn einfahren. Denn die Verbraucher sind durchaus bereit, tiefer ins Portmonee zu greifen – wenn sie dafür ein besseres oder außergewöhnliches Produkt erhalten. Höhere Preise gelten als Qualitätsmerkmal und können ein Produkt oder sogar eine ganze Marke aufwerten. Ein vergleichsweise hoher Preis gibt dem Konsumenten das Gefühl, etwas Besonderes zu erwerben.

Ein gutes Beispiel bietet der Rasierer-Hersteller Gillette. Dem Konzern ist es gelungen, seine Verkaufspreise zu verdreifachen. Das erreichte er durch spektakulär anmutende Produktinnovationen wie zum Beispiel den Rasierer Mach-3-Turbo mit Mehrklingensystem. Mit ähnlichen Erfindungen verkauft Gillette sehr erfolgreich nicht nur Herren-, sondern auch Damenrasierer. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass eine bestimmte Käuferschicht bereitwillig mehr Geld für Körperpflegeprodukte ausgibt, um sich ein bisschen Luxus zu leisten. Bei dieser Zielgruppe funktioniert dann auch die marktorientierte Preispolitik.

Erfolgreiche Unternehmen verlangen für ihre Produkte also oft Preise, von denen sie glauben, dass ihre Kunden sie für gerechtfertigt halten. Das funktioniert besonders gut auf Luxusmärkten wie dem Kunst- oder Weinmarkt. Auch dort ist ein hoher Preis oft ein Indikator für exklusive Qualität. Dennoch unterliegt die Preisstruktur auf diesen Märkten auch anderen, weniger nachvollziehbaren Regeln. So kostet zum Beispiel ein großes Gemälde mehr als ein kleines, ein Bild einer jungen Frau ist teurer als das einer alten usw. Die Verkaufssumme eines Gemäldes wertet dabei den Künstler auf und verleiht ihm ein gewisses Renommee – nicht umgekehrt.

Ein Experiment des Wissenschaftlers George Loewenstein bestätigt die Suggestivwirkung des Preises auf das Käuferverhalten. Er bot verschiedenen Studenten einen 1998er- Côte-du-Rhône-Wein zum Kauf an. Der Preis orientierte sich zufällig an der Sozialversicherungsnummer der einzelnen Studenten.  Obwohl sie davon wussten, folgten sie der Tendenz des vorgeschlagenen Preises. Studenten mit einer hohen Sozialversicherungsnummer waren bereit, bis zu 20 Dollar für den Wein auszugeben.

In anderen Branchen ist es allerdings nicht so leicht, die Preise zu erhöhen. Auf dem Lebensmittelmarkt beispielsweise muss man schon mit subtileren Mitteln arbeiten, um die Konsumenten zum Geldausgeben zu bewegen. Schließlich kennen die Verbraucher meist die durchschnittlichen Preise von etwa 20 Standardprodukten. Anhand dieser so genannten Ankerprodukte beurteilen sie dann, wie günstig oder teuer ein Supermarkt ist.

Der Handel verkauft folglich Standardprodukte wie Milch, Kaffee, Schokolade oder Butter besonders günstig. Für seltener gekaufte Produkte erhebt er deutlich höhere Preise. Denn der Konsument kann schwerer einschätzen, ob diese recht und billig sind. Er verlässt sich auf den Preis der Ankerprodukte, durch die ein Supermarkt oft günstiger wahrgenommen wird als er tatsächlich ist.

Ein solches Ankerprodukt ist zum Beispiel eine Tafel Schokolade. Ihr Preisniveau hielt sich von 1950 bis 2002 kontinuierlich bei ungefähr einer D-Mark. Wäre ihr Preis in dem gleichem Maß gestiegen wie bei anderen Lebensmitteln, hätte eine Tafel im Jahr 2001 ungefähr vier Euro gekostet. Nach der Euroeinführung wurde die Schokolade zwar plötzlich deutlich teurer, liegt aber im Schnitt immer noch unter einem Euro.

Quelle:

Brand eins, 13. Jahrgang Heft 02 Februar 2011, Artikel: „Weshalb ist ein Haarschnitt für Damen teurer als für Herren?“ von Harald Willenbrock

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