Was soweit ist? Foodwatch hat wieder die Wahl zum „Windbeutel des Jahres“ gestartet.
Der Schmähpreis wird seit 2009 für die „dreisteste Werbelüge des Jahres“ verliehen. Der „Goldene Windbeutel“ oder auch nur die bloße Nominierung ist, anders gesagt, ein Schlag ins Gesicht derer, die hoffen, mittels Verbrauchertäuschung Geschäfte machen zu können. Gerade die Lebensmittelindustrie steht immer wieder in der Kritik: Billige Zusatz- und Ersatzstoffe statt hoch- (oder zumindest höher-)wertiger Originalingredienzien, gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe wie beispielsweise ein Übermaß an Zucker, Lebensmittelskandale und Rückrufe aufgrund von Produktionsfehlern oder -unfällen rütteln am Image derer, die uns mit dem versorgen, was wir zum Leben wirklich brauchen.
Manchmal versucht versucht man dann mit Marketing solcherart Flecken wegzuwischen. Dabei gilt es auch, andere Wünsche zu bedienen. Der Wunsch nach immer höherer Effizienz belastet die Menschen mit immer mehr Arbeit, weshalb die Essenszubereitung möglichst schnell gehen möge. Der Wunsch nach einer gesunden Lebensweise verhalf den sogenannten Superfoods zu einem sagenhaften Aufstieg. Der Wunsch der Verbraucher nach niedrigen Preisen – auch wenn die vielfach (und zurecht) kritisierte „Geiz ist geil“-Mentalität spürbar zurückgegangen ist – bedingt, dass die Hersteller so günstig wie möglich produzieren, sei es durch Ersatzstoffe, durch Massentierhaltung, durch Einsatz an Chemikalien zur Ertragssteigerung bei Ernten.
Das sind dann auch die drei großen Kritikpunkte, die bei den fünf Kandidaten für den „Windbeutel des Jahres“ durch besonders „geschicktes“ bzw. dreistes Marketing übertüncht werden sollen. In die Kategorie Gesundheit/Lifestyle fallen ein Pflanzenöl, das angeblich besonders viel gesunde Omega-3-Fettsäuren enthalten soll, ein Müsli, das die „Urkorn“- bzw. Superfood-Karte spielt und eine Vanillemilch mit Proteinzusatz. Unter dem Punkt „Convenience“ kann man „babygerechte“ Kinderkekse mit hohem Zuckenateil verorten. Mit Ersatzstoffen bzw. dem kompletten Fehlen der namensgebenden Zutat hat sich eine Ochsenschwanzsuppe qualifiziert.
Die eingesetzten Methoden:
- Man nehme ein Vergleichsobjekt, das das eigene Produkt besonders gut aussehen lässt. So der Fall bei Unilevers Becel-Pflanzenöl. Man verglich den Omega-3-Anteil einfach mit Olivenöl, um mit diesem angeblichen Pfund zu wuchern. Dass dieses von Natur aus nur einen sehr geringen Anteil davon hat, weiß schließlich kaum jemand. Zöge man einfaches Rapsöl heran, sähe der Kandidat ziemlich schlecht aus.
- Man nehme wohlklingende Namen und platziere sie prominent. Das macht Kellog’s bei seinem „Urlegenden“-Müsli „Quinoa, Apfel, Cranberries & Chia-Samen“. Zum einen gilt nur Quinoa als Urgetreide, zum anderen ist der Anteil mit 2,5% vernachlässigbar. Ebenfalls enthalten neben den über tausende Kilometer aus den Amerikas importierten Zutaten: Palmöl, für dessen Gewinnung Regenwälder und damit auch Habitate und CO2-Speicher zugunsten von Monokulturen im großen Stil abgeholzt werden, Aroma, Zucker. Der CO2-Fußabdruck ist sicher verheerend, aber es ist halt schick, lifestylig.
- Man nehme eine Extraportion von etwas, was positive Assoziationen weckt und den Lifestylegedanken bedient, was aber niemand braucht. Bauers Protein Drink Vanille lässt sich zu deutlich höheren Preisen verkaufen als normale Vanillemilch. Das Extraprotein ist dabei aber überflüssig, da vom Körper nicht notwendigerweise gebraucht. Zudem spielt man ein Verwirrspiel mit unterschiedlichen Einheiten: „23 g Protein und 1% Fett“ statt „7% Einweiß und 1% Fett“.
- Man nehme einen wohlklingenden Begriff und verwende ihn in ganz anderem Kontext. Alete Kinderkekse sind angeblich babygerecht. Vielleicht, wenn man das Kind an Karies heranführen will: Der Zuckeranteil liegt bei einem Viertel. Im Kleingedruckten erfährt man dann aber, dass sich das Attribut „babygerecht“ auf die Form [!] beziehe: handgerecht, um das Kind ans Kauen heranzuführen.
- Man nutze die volle Spannweite des Lebensmittelrechts aus und verzichte einfach auf die Hauptzutat, da es erlaubt ist. Lobbyismus, ick hör dir trapsen: Ochsenschwanzsuppe ohne Ochsenschwanz darf tatsächlich so heißen. Angeblich aus Qualitätsgründen, da Ochsenschwanz knorpelig und sehnig sei. Das mag wohl eher an der Qualität des verwendeten Materials liegen, das Preisargument kommt hier also ins Spiel.
All diese Fälle sind rechtlich erlaubt. Aus ethischer Sicht sind sie jedoch problematisch. Wir müssen uns nichts vormachen: Werbung/Marketing sind dazu da, Produkte bekannt zu machen, begehrenswert zu machen, um dem Produkt (und damit dem Produzenten) das Überleben zu sichern. Dabei wird natürlich auch übertrieben, wird auch ein Nachteil verschwiegen. Das ist bekannt, das legitim. Allerdings sollte man dabei immer so ehrlich bleiben, dass der Verbraucher sich nicht hinters Licht geführt fühlt.
Mit einem Marketing, das mit Tricks wie den von Foodwatch angeprangerten arbeitet, suggeriert man dem Konsumenten vor allem eines: dass man ihn nur als Cash Cow respektiert, er einem ansonsten aber vollkommen egal ist. Da nimmt es nicht Wunder, dass noch keines der so „ausgezeichneten“ Unternehmen den Preis je angenommen hat. Und das sehe ich als unethisches Marketing an. Aus diesem Grund ist die Initiative wichtig. Schließlich gilt es auch zu bedenken: Wer sich von einer Marke getäuscht fühlt, der traut ihr nicht mehr – und wendet sich vielleicht ganz von ihr ab.
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