Ich will ja nicht jammern. Aber Werbetexter haben’s schwer. Wir lieben Worte und wollen naturgemäß viele davon schreiben. Aber in der Werbung gilt oft der Grundsatz: Bilder sagen mehr als Worte. Und: Den Copytext liest eh keiner. Copytext, das ist der Fließtext unter der Headline. Und dass den angeblich keiner liest, das tut weh.

Zurück in die 80er?

Die Fass-dich-kurz-Philosophie gilt vor allem für Großflächen und Anzeigen. In Broschüren und Flyern darf es ein bisschen mehr sein. Klar – dort erstreckt sich der Text ja auch über mehrere Seiten und muss nicht mit großflächigen Motiven um jeden Zentmeter Platz konkurrieren. Aber wer sagt eigentlich, dass Text nicht auch in Anzeigen Blicke auf sich ziehen kann? Schließlich waren so genannte Long-Copy-Anzeigen, also Anzeigen mit großem Textanteil, bis in die 80er Jahre hinein keine Seltenheit. Nur ca. 30 % der Fläche zeigten damals das beworbene Produkt. Der Rest war Text, der es ausgiebig erklärte und natürlich lobte.

Gründe, warum man heutzutage lieber auf kurze Texte setzt, gibt es viele. Und sie leuchten durchaus ein. Zunächst einmal ist da die viel beklagte Reizüberflutung. Viele tausend Werbebotschaften kämpfen täglich um unsere Aufmerksamkeit – wer hat da schon Zeit und Lust, einen langen Text zu lesen? Lieber auf aufmerksamkeitsstarke Headlines in Kombination mit ausgefallenen Bildern setzen. Dazu noch ein Störer mit einem unschlagbaren Angebot und der Kunde bleibt hängen. Der zweite Grund ist das Internet. Die Anzeige dient als Appetitanreger. Wer mehr wissen will, gelangt via URL oder QR-Code auf eine Landingpage mit ausführlichen Informationen.

Geschichten verkaufen

Ja, ja, macht alles Sinn. Aber trotzdem. Ich finde Anzeigen mit Long Copys gut. Und ich bin in bester Gesellschaft. Schon Werbe-Papst David Ogilvy setzte sich in einem Manifest für lange Texte auch in Anzeigen ein. Vor allem bei erklärungsbedürftigen B2B-Produkten ginge es darum, den Lesern so viele Informationen wie möglich zu liefern. „You might be able to sell a candy bar with very short copy but you could never make a case for buying a Cessna Citation in a handful of words”, erklärte Ogilvy.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Eine zusammenhanglose Aneinanderreihung nüchterner Fakten ist der Todesstoß für jede Anzeige. Das Geheimnis einer guten Long Copy ist eine fesselnde Geschichte. Und die steckt in jedem Produkt – man muss sie nur herauskitzeln. Das bewies zum Beispiel der für mutige Werbung bekannte Baumarkt Hornbach mit einer Long-Copy-Anzeige, in der eine Schraube die Hauptrolle spielt. „Ist es nicht Irrsinn, eine Schraube zu führen, die nur alle 154 Tage jemand kauft?“, leitet die Headline den Text ein. Er erklärt, warum es der Philosophie des Baumarkts entspricht, jedes noch so kleine Heimwerker-Produkt zu führen. Klarer Fall: Zugpferd ist die aufmerksamkeitsstarke Headline. Aber auch über die vielen folgenden Zeilen bricht der Spannungsbogen nicht ab: Der Text ist leicht lesbar, unterhaltsam geschrieben und gekonnt gelayoutet. Für die Schrauben-Anzeige erhielt Hornbach 2011 die Auszeichnung Best Sellers Best der ZMG Zeitung Marketing Gesellschaft für die erfolgreichste Angebotswerbung des Jahres.

Mercedes kam in seiner Anzeige für die S-Klasse sogar ganz ohne Bilder aus – extrem ungewöhnlich für eine Branche, in der normalerweise ohne Hochglanz-Produktfotos gar nichts geht. Dieses mal jedoch nutzte man den Text als Gestaltungselement, um die Reaktionsgeschwindigkeit des Wagens zu illustrieren. In fünf nebeneinander angeordneten Spalten werden die Reaktionen der Wageninsassen (Fahrer, Ehefrau, Kind, Hund) den komplexen Abläufen des Mercedes innerhalb von 0,5 Sekunden nach einer Vollbremsung gegenübergestellt. Die Spalten der Insassen sind fast leer und bestehen nur aus den Worten „Einatmen“ und „Ausatmen“ während die Zeile des Wagens zum Bersten mit technischen Vorgängen gefüllt ist. Die liest vielleicht nicht jeder Wort für Wort. Aber die Botschaft ist kristallklar – trotz, oder gerade wegen der Long Copy.

Kreative Buchstabensuppe

Das Mercedes-Beispiel und viele weitere kreative Text-Anzeigen hat der Pinterest-Nutzer Jaron Jackson auf seiner Pinnwand gesammelt. Die meisten wirken eher redaktionell als werblich und grenzen sich allein dadurch von herkömmlichen Anzeigen ab. Allen gemein ist darüber hinaus die überdurchschnittlich lange und Neugierde-erweckende Headline. Gelingt es, dieses Spannungs-Versprechen über den gesamten Text zu halten, erreichen diese Werbung nicht nur viel Aufmerksamkeit, sondern verleihen dem Produkt ein klareres Gesicht, als ein Bild allein es jemals könnte.

Quellen:

„Grafik für Nicht-Grafiker“ von Frank Koschembar

infomarketingblog.com

zmg.de

pinterest.com

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