Die Ein-Sterne-Bewertung, um die es im Prozess ging, muss nun gelöscht werden (Az: I O 59/17). Das ist insofern bemerkenswert, da das Landgericht Augsburg in einem vergleichbaren Fall genau entgegengesetzt entschieden hatte: Google musste diese Ein-Sterne-Bewertung nicht löschen (Az. 022 O 560/17). In der Abwägung zwischen freier Meinungsäußerung und Schutzinteresse des Betroffenen waren die beiden Gerichte unterschiedlicher Ansicht.

Der Kieferorthopäde sah sich zur Klage vor dem Landgericht Lübeck veranlasst, nachdem Google eine Löschung der betreffenden Bewertung mit dem Verweis auf auf die freie Meinungsäußerung verweigert hatte. Die Bewertung war in Google Maps sichtbar. Das ist der Fall, wenn Unternehmen (in diesem Fall eine Arztpraxis) ein Google-plus-Profil haben, das dann auch mit weiteren Infos wie Öffnungszeiten, Bildern etc. versehen werden kann. Dann können Nutzer die auf der Karte sichtbare Praxis nach dem auch von Amazon bekannten 5-Sterne-System bewerten.

Im vorliegenden Fall vergab ein unbekannter User nur einen Stern, ohne diese Bewertung in irgendeiner Form textlich zu begründen. Der Arzt argumentierte, dass es sich bei dem Nutzer nicht um seinen Patienten gehandelt habe und die Bewertung zudem geschäftsschädigend sei und seine Persönlichkeitsrechte verletze. Google dagegen führte Art. 5 GG ins Feld, das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die Richter in Lübeck teilten Googles Ansicht nicht. Sie werten das Schutzinteresse des Arztes höher, die Bewertung könne seine Reputation negativ beeinflussen. Zugleich stellten sie klar, dass eine Bewertung nicht automatisch durch die Meinungsfreieheit gedeckt sei.

Anders entschieden im vergangenen Jahr die Richter am Landgericht Augsburg. Sie entsprachen Googles Argumentation und wiesen die Klage eines Zahnarztes ab. Google musste die Bewertung nicht löschen und wurde auch nicht zu strafbewehrter Unterlassung verpflichtet wie im Lübecker Fall. Google hat bereits angekündigt, das Lübecker Urteil genau zu prüfen und dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Es ist somit möglich, dass der Streit in die nächsthöhere Instanz geht.

Die gegensätzlichen Urteile sind für beide Seiten unbefriedigend. Der Dienstanbieter, der den Nutzern von Google Maps durch die Bewertungen einen Mehrwert bietet, hat dadurch keine Rechtssicherheit. Muss er jede schlechte Bewertung, die nicht gut begründet ist, auf Zuruf löschen? Und kann er bei Weigerung verklagt werden? Der Bewertete kann seine Chancen des Widerspruchs gegen solche Bewertungen nicht einschätzen. Klagt er bei Nichtlöschung durch Google und verliert möglicherweise, kostet ihn das nicht nur Zeit und Nerven, sondern auch Geld und Reputation. Sollte Google das Lübecker Urteil akzeptieren, gäbe das den Profilinhabern, die um ihren Ruf fürchten müssen, zumindest etwas Sicherheit. Sie könnten sich bei Löschungswünschen darauf berufen. Eine konsistente Rechtsprechung wird sich vermutlich erst nach weiteren Klagen einstellen.

Sollte man also, solange diesbezüglich Unsicherheit herrscht, lieber kein Profil anlegen? Die Antwort ist ein klares Nein! Mit dem Profil bieten Geschäftsinhaber potenziellen Kunden (oder Patienten) zusätzliche Informationen und erhöhen ihre Sichtbarkeit. Schießlich ist Google Maps der Platzhirsch, wenn es um Straßenkarten/Stadtpläne des digitalen Zeitalters geht. Die Gefahr negativer Bewertungen ohne weiteren Informationswert besteht auch anderswo, beispielsweise bei Jameda, wenn wir bei den Ärzten bleiben.

Für interessierte Nutzer gilt: Je mehr Informationen in einer Bewertung stecken, desto aussagekräftiger ist sie. Das gilt umso mehr mit wachsender Komplexität des Unternehmens und seiner Leistungen. Echte Bewertungsportale bieten hier meist mehr. Auf eine kommentarlose Ein-Sterne-Bewertung bei einem Arzt würde ich persönlich nicht viel geben, da ich keine Anhaltspunkte habe, worauf sich die Kritik konkret bezieht. Wird ein Arzt dagegen für schlechte Praxisorganisation, Fehlbehandlung und schlechtes Sozialverhalten abgeurteilt, würde ich nach einem anderen Ausschau halten. Vor möglichen Fake-Bewertungen ist man allerdings dennoch nicht gefeit, aber das ist ein anderes Thema. Dieser Tipp lässt sich also durchaus auch in umgekehrter Richtung lesen: Wer bewertet sollte sagen, wie er zu seiner Bewertung gelangt ist, wenn diese Ernst genommen werden und weiterhelfen soll. 

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