Statistiker kürten das Alle-11-Minuten-Versprechen des Dating-Portals Parship zur Unstatistik des Monats. „Wenn sich bei geschätzten rund 5 Millionen Mitgliedern in Deutschland sogar alle 10 Minuten 2 davon ineinander verlieben, (…) beträgt (…) die Wahrscheinlichkeit einer neuen Liebe pro Jahr kaum mehr als 2 %“, so Professor Thomas Bauer vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung.

Parship ist jedoch nicht das einzige Unternehmen, das Verbrauchern mit cleveren Formulierungen die Köpfe verdreht. Es geht dabei nicht um platte Lügen. Sondern um wortgewandte Manipulationen, die die Attraktivität von Produkten und Dienstleistungen steigern sollen.

Von der Not zur Tugend

Vertragsbindungen sind unsexy. Immer mehr Menschen möchten flexibel bleiben in Sachen Telefonverträge, Zeitungsabos und Co. Bei Produkten, die Preisschwankungen unterworfen sind, wird durch eine geschickte Formulierung die Not zur Tugend. Statt Vertragsbindung liest man bei Energieanbietern zum Beispiel oft von einer Festpreisgarantie. Gemeint ist das Gleiche. Doch der Kunde hat nun seinen eigenen Vorteil vor Augen – und ist geneigter, zu unterschreiben.

Es lebe der Underdog

Haben Sie sich schon mal gewundert, warum ein vermeintlich unbekanntes Produkt als Bestseller angepriesen wird? Dabei kommt es immer darauf an, auf welchen Rahmen sich der Vergleich bezieht. Innerhalb einer sehr überschaubaren Auswahl fällt der Aufstieg deutlich leichter. Das gleiche gilt bei Studien und Befragungen. Wenn 8 von 10 Frauen das Produkt einer Freundin weiterempfehlen würden, entspricht das zwar formal einer Rate von 80 %. Mit einer repräsentativen Umfrage haben solche Aussagen jedoch nichts zu tun.

Eines Underdogs anderer Art bedient sich die Nahrungsmittelindustrie. Gesundheitsbezogene Aussagen für Lebensmittel sind nur unter Einhaltung strenger Regeln erlaubt. Es ist zum Beispiel nicht zulässig, einen Joghurt mit probiotischen Bakterien mit dem Slogan „zur Stärkung des Immunsystems“ anzupreisen. Setzt der Hersteller dem Joghurt allerdings bestimmte Vitamine zu, darf er auf das Immunsystem verweisen. Die Formulierung „trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei“ ist zwar nicht so stark wie der Hinweis auf eine Stärkung des Immunsystems. Verbraucher, die sich nicht kritisch mit der Aussage auseinandersetzen, fragen sich womöglich trotzdem: Riskiere ich im Umkehrschluss die normale Funktion meines Immunsystems, wenn ich auf den Joghurt verzichte?

Kluggeredet

Um verwirrende Begriffe geht es auch in der Kosmetikindustrie. Die Branche ist Meister darin, ihre Werbung mit pseudowissenschaftlichen Begriffen und Fachwörtern zu spicken. Wer weiß schon genau, was Pro-Retinole und Mikrofruchtwachse sind? Gepaart mit ein paar Grafiken und einer faltenfreien Mittvierzigerin wirken die Ausdrücke jedoch auf viele überzeugend. Martina Kerscher, Hautärztin und Professorin für Kosmetikwissenschaft an der Universität Hamburg, klärt über ein gern genutztes Missverständnis auf: „Die Aussage (dass Kosmetika Zellen erneuern können), ist richtig, aber man stellt sich vielleicht das Falsche darunter vor – es entstehen keine neuen kollagenbildenden Zellen, die etwa Falten auffüllen würden.“

Die goldene Mitte

Das Premium-Angebot kommt Ihnen zu teuer vor? Da wirkt der Komfort-Tarif doch wie ein echtes Schnäppchen. Das Basis-Modell dagegen scheint allzu karg. Und schon entscheiden Sie sich für die goldene Mitte. Ein Schelm, wer vermutet, dass überteuerte Premium-Tarife von vornherein nicht dem Abverkauf dienen – sondern ausschließlich dazu da sind, den nächstgünstigeren Tarif attraktiver wirken zu lassen.

Nur solange der Vorrat reicht

„3 weitere Gäste sehen sich dieses Hotelzimmer gerade an.“ Wer bei diesem Hinweis auf einer Online-Buchungsplattform Herzklopfen bekommt, ist empfänglich für künstliche Verknappung. Kaufanreize dieser Art – ebenso wie Frühbucher-Rabatte etc. – sollen Kauf-Entscheidungen beschleunigen. Ob das Angebot tatsächlich kurz vor dem Ausverkauf ist, ist schwer nachvollziehbar. Doch Formulierungen, die einen guten Deal versprechen oder die Angst schüren, leer auszugehen, wirken unbestritten. Jedoch nur, solange sie glaubwürdig sind. Wer bei jeder Buchung mit einem Verknappungshinweis unter Druck gesetzt wird, reagiert genervt – und verlässt die Plattform.

Vorsicht, Marktschreierei!

Am Beispiel der künstlichen Verknappung zeigt sich: Viele Werbetricks sind ein alter Hut. Allzu plumpe Aussagen fallen schnell auf und schaden der Glaubwürdigkeit. Es gilt daher immer, die Grenze zwischen akzeptierter werblicher Zuspitzung und billigen Tricks zu wahren. Dazu gehört auch, Marketing-Verantwortliche davon zu überzeugen, dass bestimmte Produktvorteile gar keine sind. Und sich stattdessen auf Strategien zu besinnen, die langfristig wirken. Denn Werbung, die hält, was sie verspricht, ist noch immer die effektivste Art des Marketings.

Quellen

rwi-essen.de/unstatistik
spiegel.de

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