Schon im Jahr 2017 entfielen rund 46 % des Onlineumsatzes in Deutschland auf Amazon und dessen Marketplace. In den USA sah es nicht viel anders aus. Jeder zweite umgesetzte Dollar landet bei dem Unternehmen aus Seattle.

Die Prognose für 2019? Steigend! Aktuell bindet Amazon rund 44 Millionen Kunden aus Deutschland. Rund 17 Millionen besitzen ein Prime-Abo und zahlen somit rund 8 € pro Monat, um exklusive Leistungen wie den kostenlosen Versand und die Nutzung von Streamingdiensten genießen zu dürfen.

Die Wurzel allen Übels

Im Kopf der meisten Kunden und Händler ist Amazon ein großes Onlinekaufhaus, mit einer unüberschaubaren Produktvielfallt. Es gibt nichts, was es nicht gibt. So scheint es zumindest.

Harte Zeiten für den kleinen und unabhängigen Einzelhandel? Ja, doch nicht nur für den. Auch multinationale Großkonzerne und bekannte Marken leiden unter der viel propagierten Digitalisierung und der damit einhergehenden Marktmacht von Amazon. Neben dem schwedischen Modegiganten H&M zeigen die Probleme von Gerry Weber, Esprit oder Tom Tailor, dass sich eine flächendeckende Hilflosigkeit ausbreitet.

Wie ernst die Lage ist, sieht man am Beispiel H&M. Der Konzern hat seinen Kundenstamm in den vergangenen Jahren komplett falsch eingeschätzt und es schlicht und einfach verpasst, eine situationsgerechte Onlinestrategie zu entwickeln. Mit Beginn des vergangenen Jahres brach der Umsatz ein, obwohl gleichzeitig immer neue stationäre Läden eröffnet wurden. Viel zu spät wurden die Zeichen der Zeit erkannt und eine Offensive im Netz gestartet. Ob die unter immensem Zeitdruck entwickelten Ideen zünden, bleibt abzuwarten.

Sicher ist schon jetzt: Der stationäre Handel mit seinen Läden und seinem klassischen Verkaufskonzept kommt gegen den Onlinehandel – und somit natürlich auch Amazon – nicht mehr an. Der Handelsverband Deutschland (HDE) schätzt, dass sich seit 2013 die Zahl der Ladenstandorte um 11.000 auf 450.000 verringert hat, obwohl der Umsatz (preisbereinigt) im selben Zeitraum um ca. zehn Prozent stieg. Wer jetzt darauf verweist, dass es sich um ein reines Phänomen der Modebranche handelt, sei gewarnt. Der Niedergang des Spielzeughändlers Toys„R“Us sowie die Probleme sämtlicher deutscher Warenhausketten können als Zeichen gedeutet werden, wie stationäre Händler unter dem Druck des Giganten zu leiden haben.

Das nicht so geheime Erfolgsgeheimnis Amazons

Die Schuld für den Niedergang des stationären Handels Amazon in die Schuhe zu schieben, ist zu einfach. Eine Vielzahl von Händlern haben den nötigen Schritt in die digitale Welt schlicht verschlafen und zu lange an ihrem bestehenden System und ihren Werten festgehalten. Technisch rückständige Onlineshops, lange Versandzeiten, Versandkosten sowie eine mangelhafte Kundenorientierung und schlechter Service treiben willige Kunden in Scharen zu Amazon. Selbiger setzt Kundenorientierung über alles und treibt seine Investitionen in diesem Bereich unnachgiebig voran.

Das hat zur Folge, dass der Kunde das Leistungsversprechen von Amazon im gesamten Netz zum Standard erklärt. Händler, die hier nicht in allen Punkten mithalten können, geraten schnell ins Hintertreffen. Wieder andere Händler mit alten Web-Shops, Versandzeiten von 3+x Tagen, einer Umlegung der Versandkosten auf den Kunden und ohne eine zügige Kundenhotline, haben höchstens in Nischenmärkten noch Überlebenschancen. Warum? Um die genannten Maßstäbe erfüllen zu können, bedarf es vieler Technologien und entsprechend hoher Investitionen. Dies können sich in Zeiten umkämpfter Märkte nur die wenigsten Händler leisten.

Licht am Ende des Tunnels?

Den Laden dicht machen oder sich selbst auf den Marketplace wagen, um von den Vorteilen Amazons zu profitieren? Die Vorteile für Letzteres liegen klar auf der Hand. Zugriff auf einen riesigen Markt, wie ihn ein eigener Onlineshop nie bieten könnte. Gleichzeitig ist die Bespielung des Marketplaces im ersten Moment deutlich billiger als der Aufbau und die Betreuung eines umfangreichen eigenen Webshops. Somit lassen sich im Idealfall schnell Umsatzzuwächse erzielen. Gleichzeitig stärkt man das Imperium aus Seattle durch seine Margen-Abtretung weiter. Und sollte sich das eigene Business im Marketplace als rentabel erweisen, kann man sicher sein, dass Amazon bald ein eigenes Produkt mit auffällig ähnlichen Eigenschaften auf den Markt bringt.

Aussichtsloses Geschäft

Ist es wirklich alles so aussichtslos? Einerseits ja: Eine US-Studie will herausgefunden haben, dass amerikanische Teens lieber ein Jahr auf Alkohol und Sex verzichten würden, als ihren Amazon-Account für dieselbe Zeit still zu legen. Das sagt wohl alles zur Marktstellung.

Andererseits macht jedoch ausgerechnet die Person Hoffnung, von der man es am wenigsten erwartet hätte. Jeff Bezos – Präsident und CEO von Amazon – sieht die Zukunft seines eigenen Unternehmens düster und verkündet, dass trotz eines Rekordgewinns das Ende von Amazon bevorsteht. Er selbst schätzt die Marktzeit großer Unternehmen auf 30 Jahre + x. Damit wäre das Ende für Mitte des kommenden Jahrzehnts terminiert. Finanzielle Gründe würden wohl kaum das Ende Amazons bedeuten. Aktuell haben nur 56 Staaten dieser Welt ein höheres BIP als Bezos über Privatvermögen verfügt. Zudem läuft das zweite Standbein Amazons – die Webservices – besser denn je und stellt die Handelssparte in Bezug auf die erreichten Margen deutlich in den Schatten. Was kann dann das Ende herbeiführen?

Der Tag X

Am realistischsten wäre hier wohl die Zerschlagung des Konzerns durch die US-Kartellbehörden aufgrund seiner marktdominierenden Position. Doch warum sollte ein Staat einen seiner umsatzstärksten Unternehmen zerschlagen? Vielleicht, weil es auch dort so gut wie keine Steuer zahlt. Trotz eines Rekordgewinns von 11,2 Mrd. Dollar bekam der Konzern durch legale Steuerkniffe eine Steuergutschrift in Höhe von 140 Millionen Dollar. Zudem ist die Zahl der Angestellten mit 250.000 Festangestellten und 100.000 Zeitarbeitern im Vergleich zum Einzelhandelsriesen Walmart mit dem zehnfachen Personal fast verschwindend gering.

Vielleicht droht die Zerschlagung auch aus einem weitaus unbedeutenderen Grund. Es ist Fakt, dass sich der aktuell mächtigste Mann der Welt und der reichste Mann der Welt nicht sonderlich sympathisch sind.

So oder so stellt sich die noch hypothetische Frage: Was passiert, wenn Amazon mal nicht mehr im Handel vertreten ist? Schlägt die goldene Stunde der Innenstadt, kommt der Wochenmarkt 2.0 oder verfallen wir zurück in die Tauschwirtschaft?

Aus Konsumentensicht wäre eine Zerschlagung wohl kein guter Tag, da es das eigene Leben verteuern und unbequemer machen würde. Aus Bürgersicht wäre es wohl ein guter Tag, da auch die Staatskasse an dem wirtschaftlichen Erfolg teilhaben würde. Ein Nachfolgekonstrukt würde wohl diese beiden Welten vereinen müssen, um die entstehende Lücke füllen zu können. Einerseits das Wohl des Kunden im Auge behalten, andererseits der sozialen Verantwortung nachzukommen, die Umwelt im Blick zu halten und ein angemessenes Maß an Abgaben zu leisten.

In beiden Fällen bleibt für den kleinen Händler aktuell nur das Prinzip Hoffnung, dass sein Geschäftsmodell genug Nische und treue Kunden besitzt, dass es bis zum Tag X durchhält, denn dann könnten sich die Karten neu mischen.

 

Quellen:

spiegel.de

rp-online.de

capstigma.de

wikipedia.org

businessinsider.de

Schnauze, Alexa!: Ich kaufe nicht bei Amazon, Vorsicht! - Johannes Bröckers

zeit.de

manager-magazin.de

Mats ist New Communications Fachmann für Handelsmarketing und 3D/CGI-Projekte. Der studierte Betriebswirt ist wie gemacht fürs turbulente Werbe-Leben. Denn Stress und Hektik perlen von dem leidenschaftlichen Surfer ab, wie Wassertropfen von Neopren. Gleichzeitig weiß Mats, wie man Erfolgswellen reitet und hat ein untrügliches Gespür dafür, woher der Wind weht. Klare Kiste, dass Mats damit an Bord vom Strategie-Team ist.

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