In kaum einer Branche wird so emotional diskutiert wie in der Agrar- und Ernährungsbranche. Die Unternehmen befinden sich im Kreuzfeuer von Lobbyisten, kritischen Verbrauchern und Medienauftritten von Meinungsbildnern. Wer es schafft, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, hat die Nase vorn. Das gelingt am besten mit einer klaren Positionierung. Diese Chance nutzen laut einer aktuellen Studie der Engel & Zimmermann AG, jedoch nur wenige Unternehmen.

Präsenz auf allen Kanälen

Zuverlässiger Service ist auch in der Agrar- und Lebensmittelbranche das A und O für zufriedene Kunden. Vor allem Online-Kanäle spielen eine wichtige Rolle. Verbraucher wollen jederzeit umfangreiche Informationen zum Produkt abrufen, es bewerten und schließlich auch erwerben können. Ein breit aufgestellter und unkomplizierter Online-Service stärken Vertrauen und Bindung. Mindestens ebenso wichtig: Er ermöglicht eine schnelle und direkte Interaktion zwischen Unternehmen und Verbrauchern. Ein entscheidender Vorteil – wenn er clever genutzt wird.

Im Gespräch bleiben

Die Studie von Engel & Zimmermann stellte fest, dass viele Hersteller auf die Bemerkung, ein Produkt entspreche nicht dem persönlichen Geschmack, abwehrend oder sogar persönlich beleidigt reagierten. Anstatt ein anderes Produkt aus dem Sortiment zu empfehlen, erklärte man häufig, das Produkt „müsse so schmecken“ oder gar, die Produkte des Wettbewerbers seien „auch nicht besser“. Auch bei Antworten auf Fragen zu Inhaltsstoffe und Produktverpackung gibt es stellenweise noch substanziellen Verbesserungsbedarf. Grundsätzlich positiv war laut der Studie der Umgang mit Anfragen hinsichtlich des Produktsortiments wie auch die Behandlung von Ideen und Anregungen. Problematisch bleibt weiterhin, dass viele Unternehmen im Agrar-Ernährungsbereich nur einmal mit ihren Kunden interagieren. Auf die erste Anfrage antworten rund 93 Prozent, die auf der Herstellerantwort basierende Folgeanfrage blieb in 23 Prozent der Fälle unbeantwortet.

Social Media nutzen

Nur 25 Prozent der Agrar- und Lebensmittelunternehmen betreiben laut der Studie von Engel & Zimmermann einen Social-Media-Kanal. Besonders Fleischverarbeiter und Molkerei-Hersteller sind zurückhaltend. Die Gefahr, die dahinter steckt, bringt Conomic in ihrem Vortrag auf den Punkt: Wenn Sie nicht über Ihr Unternehmen berichten, tun es andere für Sie. In den Sozialen Medien wird über jedes Produkt diskutiert. Wer auf Facebook, Twitter und Co. nicht präsent ist, hat keine Chance, mitzureden. Das ist besonders bei negativen Aussagen oder einem sich zusammenbrauenden Shitstorm fatal. Aber auch positive Äußerungen zum Unternehmen gehen ohne Social-Media-Präsenz unter – eine verschenkte Chance.

Engagierte Fachverkäufer einsetzen

So wichtig Online-Kanäle sind – die meisten Verbraucher kaufen Agrar- und Lebensmittelprodukte direkt im Laden. Gut ausgebildetes und engagiertes Personal ist daher im Lebensmitteleinzelhandel laut einer McKinsey-Studie entscheidend für die Kundenzufriedenheit. Branchen-Primus Edeka hat das längst erkannt und setzt in der Werbung auf sympathische und bestens informierte Verkäufer. Der Erfolg spricht für sich: Die Hamburger Gruppe ließ 2014 wieder alle anderen Lebensmitteleinzelhändler mit einem Umsatz von knapp 52 Milliarden Euro hinter sich. Auch in den sozialen Netzwerken setzt der Branchenriese auf Kommunikation. Fast kein Kunden-Beitrag bleibt unkommentiert. Nur am Wochenende gönnt sich das Social-Media-Team eine Auszeit.

Emotionen wecken

Neben dem On- und Offline-Dialog gibt es noch eine weitere Möglichkeit, ein „Gespräch“ mit dem Konsumenten zu beginnen: das Storytelling. Wie das in der Praxis aussehen kann, zeigen De Öko Melkburen aus Schleswig-Holstein. Ihnen gelingt es, ein scheinbar austauschbares Produkt wie Milch emotional aufzuladen – mit großem Erfolg. Diese Taktik versucht Professor Ulrich Hamm von der Universität Kassel seit Jahren zu vermitteln. In zahlreichen Studien hat sein Institut für Agrar- und Lebensmittelmarketing der Ökologischen Agrarwissenschaften nachgewiesen, dass die Deutschen durchaus bereit sind, für Biolebensmittel mehr Geld auszugeben. Viele ließen sich sogar noch während des Einkaufs von einem höheren Preis überzeugen – wenn sie nur einen guten Grund dafür genannt bekämen. Dieser Grund muss längst nicht nur aus Fakten bestehen. Emotionale Verknüpfungen mit dem Produkt sind mindestens ebenso mächtig.

Wie man Milch einzigartig macht

Hans Möller und De Öko Melkburen entschieden sich dafür, ihren Kunden zu erklären, dass „richtige“ Milch frisch sein muss. Zudem machten sie klar, dass beim Prozess zur Erhöhung der Haltbarkeit Geschmack und Inhaltsstoffe auf der Strecke bleiben. Soweit die Fakten. Was die Kunden aber ansprach, war die Geschichte. De Öko Melkburen erzählten, dass echte Frischmilch, je nach Wetterlage und Laune der Kühe etwas anders schmeckt. So wurde aus dem Produkt Milch die Marke „Vier Jahreszeitenmilch“, deren saisonaler Karton viermal im Jahr das Design wechselt. Der Kunde sollte die Frische der Milch wieder schätzen lernen und den Unterschied zwischen Frühjahr und Herbst schmecken. Bei Möller wird der Kunde vom Milchtrinker zum Sommelier, der zu Roter Grütze im Juli eine süffig-leichte Sommermilch kredenzt, während er im Februar eine heiße kräftig-schwere Wintermilch mit Honig genießt. Und das man für den Genuss von Feinschmecker-Premium-Milch bereit ist, andere Preise zu zahlen, als für Standard-H-Milch, liegt auf der Hand.

Fazit

PR in der Agrar- und Lebensmittelbranchen ist derzeit noch Brachland. Es lohnt sich aber durchaus, es zu kultivieren. Der Dialog mit den Kunden ist in keiner anderen Branche so wichtig. Denn längst haben sich die Kunden meilenweit von der Urproduktion entfernt. Hier gilt es, die kommunikative Lücke sinnvoll zu schließen und sich so echt Wettbewerbsvorteile zu sichern. Dabei ist es mit der einfachen Einrichtung einer Facebook-Seite nicht getan. Unternehmen sollten auf Kommunikationsprofis setzen und in einen authentischen und ehrlichen Dialog mit ihren Kunden treten.

Quellen:

Studie zur Verbraucherkommunikation in der Lebensmittel-Wirtschaft der Engel & Zimmermann AG. Darin wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten erhoben; mittels eines Pseudonyms wurden Markenhersteller mit bis zu drei aufeinander aufbauenden, realitätsnahen Verbraucheranfragen konfrontiert und die Antwortschreiben nach Inhalt, Sprache und Form beurteilt.

Studie von Epsilon zur Kundentreue 2013 – Deutschland McKinsey Akzente 2’12

Statista.de Bruttoumsatz der führenden Unternehmen im Lebensmittelhandel in Deutschland im Jahr 2014 (in Milliarden Euro) 

Batten & Company Retail Brands in Deutschland 2014 Special: Lebensmitteleinzelhandel Düsseldorf, Juni 2014 

Conomic Marketing & Strategy Consultants - Kommunikationsstrategien für regionale Produkte – Kernaspekte und Erfolgsbeispiele 2013

Brand 1 - Ausgabe 02/2015 - Schwerpunkt Marketing

Heiß auf Insider-Infos?

Immer up to date: Unser Newsletter versorgt dich einmal monatlich mit brandneuen Trends und Innovationen aus der Kommunikationswelt.

Newsletter bestellen