Die Medien haben es nicht leicht: seit Jahren schon bedroht die Gratismentalität im Internet ihre Geschäftsmodelle, inzwischen wird, auf der Straße und in den Sozialen Netzwerken, gegen sie gepöbelt, „Lügenpresse“ skandiert – und nun sowas: Eine PR-Agentur, ein Tourismusverein und eine Spedition liefern der Presse eine Lügengeschichte ersten Ranges! „Kein Wunder das Rufe nach “LÜGENPRESSE” laut werden. Zurecht!“ kommentiert eine Katharina O. heute morgen auch unter dem entsprechenden Bericht des NDR.

Der sh:z, der auch ausgiebig über den Coup berichtet hatte, geht im Nachgang einen eigenen Weg: Transparenz heißt das Motto. Der Artikel in der Onlineausgabe des Stormarner Tageblatts gibt minutiös die Recherchen des verantwortlichen Journalisten wieder. Und zeigt damit: Es war kein kein Wunder, dass die Medien landauf, landab hinters Licht geführt wurden. Die PR-Aktion war nämlich wirklich gut durchdacht, oder zumindest: gut geplant. Der Fake war nämlich wirklich schwer zu durchschauen. Vier Tage lang hielten die Urheber die Täuschung aufrecht, vom 23. bis 27. November, dann gingen die Tiroler an die Öffentlichkeit und lösten das Verwirrspiel auf. Möglicherweise gab es inzwischen zu viele kritische Nachfragen, die Lunte gerochen hatten. Unter ihnen auch der sh:z-Redakteur, wie aus dem Artikel hervorgeht.

„Am Ende der Geschich‘t, bleibt ein Lächeln im Gesicht“ heißt es im Facebookpost der Olympiaregion Seefeld abschließend. Ja, in der Tat, es gibt viele positive Reaktionen auf diese Aktion. Und ganz ehrlich: Auf den ersten Blick muss man schon irgendwie schmunzeln, wenn man die Geschichte von der „Aneinanderreihung von lustigen Zufällen“, wie der Münchener Merkur es ausdrückt, hört. Das Lächeln dürfte nach der Auflösung allerdings auch vielen, insbesondere der Medienzunft, vergangen sein. Und auch der Verantwortliche des Tourismusvereins beteuert gegenüber dem NDR, dass er es „bereue, die Aktion  in Auftrag gegeben und Journalisten belogen zu haben: ‘Wir haben viel gelernt. Das machen wir nicht noch einmal.’“

Dem Fall hat sich inzwischen auch der österreichische PR-Ethik-Rat  angenommen. Auf seiner Website hat er noch keine Stellung genommen. Doch unter Bezugnahme auf die österreichische Nachrichtenagentur APA wird berichtet, dass die Aktion gegen mehrere Punkte des Ehrenkodex der Branche verstoße: So gibt es dort eine Wahrheitsverpflichtung, die es als unzulässig erklärt, bewusst Falschinformationen in Umlauf zu bringen. Nicht alleine unter diesem Gesichtspunkt ist es vollkommen korrekt, dass sich der Ethikrat eingeschaltet hat. Wie eingangs erwähnt, steht die Presse eh schon im Kreuzfeuer selbsternannter „Skeptiker“, die ihre gefühlten Wahrheiten dort nicht wiederfinden oder gar falsifiziert sehen. Der „Lügenpresse“-Vorwurf ist virulent, und gerade die Medien (inklusive der Pressefreiheit) als sogenannte „Vierte Gewalt“ sind eine wichtige Konstante in der Demokratie. Wir erinnern uns an den US-Wahlkampf und die Fake-News. Diese höchst bedenklichen Tendenzen um einer kurzen Aufmerksamkeit willen bewusst zu befeuern, ist mindestens fragwürdig.

Nahtlos schließt hier auch der zweite kritische Punkt an: Nicht nur die Glaubwürdigkeit der Medien wird unterwandert, sondern auch die eigene. Das Verhältnis zu den Medien dürfte erst einmal nachhaltig gestört sein. Das Image Seefelds dürfte auch unter denen gelitten haben, die es als „idiotisch“ ansehen, einen schwer beladenen LKW rund 2.000 km einfach nur so Sprit verbrennen zu lassen. Von denen, die um die Glaubwürdigkeit der Medien und der PR-Branche besorgt sind, ganz zu schweigen. Ich meine, hier haben sich die Verantwortlichen einen Bärendienst erwiesen. Mit guten Geschichten Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das ist der Job der Marketing- und PR-Branche. Aber man sollte die Aktionen auch zuendedenken und die tieferen Implikationen beachten. Das war bei dieser kurzsichtigen Aktion nicht der Fall.

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