Wie ist die Lage aktuell?

Im Jahr 2021 lagen die Gesamtumsätze des Teleshoppings in Deutschland bei rund 2,3 Milliarden Euro. Das ist rund eine geschmeidige Milliarde mehr als das, was ebay im gleichen Zeitraum in Deutschland umsetzte. Zehn Jahre zuvor erwirtschaftete die Teleshopping-Branche noch einen Umsatz von rund 1,36 Milliarden Euro. 1997 waren es sogar nur 50 Mio. €. Rapides Wachstum – doch wer schaut überhaupt Verkaufssendungen?

Laut der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse 2019 (AWA) sehen rund 1,35 Millionen Personen in Deutschland sehr gerne Teleshopping oder Einkaufsfernsehen. Das Durchschnittsalter der vorwiegend weiblichen Kund*innen liegt bei 60 +. Gleichzeitig gaben rund 54 Millionen Befragte an, niemals Teleshopping-Sendungen zu sehen. Eine große, aber spitze Zielgruppe. Daher die Frage: Haben solche Absatzformate eine Zukunft?

Retro-TV!

Sollte eine heute 35-jährige Konsumentin gefrustet von der Vielzahl benötigter Streamingdienste und deren Preismodellen wieder ins lineare TV zurückwandern, könnte der Gedanke wachsen, dass sich dort in den letzten 20 Jahren nichts verändert hat. Retro ist aktuell das (Erfolgs?-) Rezept. Wetten, dass… ?, die 100.000 Mark- / Euro-Show und diverse Talkshow-Größen sind zurück. Lassen sich mit dieser Masche auch jüngere Zielgruppen in Verkaufssendungen ziehen? Oder bieten sich dort andere Formate eher an?

Stichwort Social Selling

Die Antwort könnte im Begriff Social Selling liegen. Unter Social Selling versteht man die Nutzung von Social-Media-Kanälen und Messenger-Diensten zum Aufbau und zur Pflege von Geschäftsbeziehungen. Der Kundenkontakt wird mittels Sozialer Netzwerke geschaffen und gesteigert. Im Gegensatz zu klassischen Kampagnen- oder Advertising-Ansätzen geht es hierbei jedoch nicht vornehmlich um Sichtbarkeit, sondern um den Verkauf. In vielen Ländern dieser Erde zählt das Verkaufen über Social Media längst zum absoluten Standard. Aber wie kommt man von Social Media zu Teleshopping?

China hat die Antwort. Dort werden bereits 10 % aller Onlinekäufe über Live-Videos getätigt. Eine beachtliche Zahl. Noch beachtlicher dieser Fakt: Der größte chinesische Onlinehändler Alibaba erwirtschaftete am letzten „Singles Day“ (dem chinesischen Pendant zum Black Friday) rund 25 % seines Umsatzes über Live-Stream-Shopping in sozialen Netzwerken. Im vergangenen Jahr verkaufte das Unternehmen an diesem Tag über all seine Kanäle Waren im Wert von knapp 85 Mrd. $.

Warum funktioniert dieser Absatzweg international?

Zum einen baut das Konstrukt auf die etablierten Konzepte und Mechanismen des klassischen Teleshoppings auf. Zum anderen reichert es die eigentliche Verkaufsshow mit den Stärken sozialer Netzwerke an. Kund*innen wird eine zusätzliche Nähe geboten und sie können direkt mit bzw. in der Show interagieren. Über Chats können sie sich direkt an die Moderator*innen wenden und Fragen oder Feedback teilen. Dies kommt einer klassischen stationären Verkaufssituation sehr nahe. Mit den Vorteilen, dass man weder das Haus verlassen noch direkt und physisch mit jemandem in Kontakt treten muss (ein Fakt, der bei der Jugend immer wichtiger wird).

Des Weiteren bieten Livestream-Verkaufsshows deutliche Vorteile gegenüber klassischen Onlineshops. Der oder die Moderator*in präsentiert den Followern ein kuratiertes Angebot, wodurch sich die Konsument*innen nicht mehr selbst durch die Masse an Angeboten schlagen müssen. Gleichzeitig kann er/sie die Produkte deutlich besser präsentieren, als es per Foto, 3D-Modell oder Video der Fall wäre. Auch hier befinden sich die Kund*innen in einer mit einem stationären Beratungsgespräch vergleichbaren Situation.

Und zu guter Letzt erreichen die neuen Formate neue und jüngere Zielgruppen. Liegt der Altersdurchschnitt im Teleshopping bei 60+, ist er bei den webbasierten Formaten in Europa, bei ca. 35 Jahren anzusiedeln. Das ist zwar deutlich älter als die in China angesprochenen Millennials, sicher aber auch immer vom Kanal abhängig.

Machen oder lassen?

Das ganze Potenzial, das in Livestream-Verkaufsshows steckt, zeigt sich in der Tatsache, dass rund 1/3 der Deutschen schon mal über soziale Medien eingekauft hat. Der Einsatz dieser Verkaufskanäle ist die konsequente Weiterverfolgung des Omnichannel-Gedankens. Es zeigt, dass auch digital das Einkaufserlebnis für die Kund*innen von elementarer Bedeutung ist. Zudem gibt es weder für Händler*innen noch für Kund*innen große Einstiegsbarrieren. Bestehende Accounts können mit einfachen Bordmitteln bespielt werden, der Aufbau aufwendiger technischer Strukturen ist für die ersten Gehversuche nicht notwendig –sofern die übergeordnete Strategie passend ist.

Aktuell steht dem Durchbruch des Formats noch eine technische Hürde im Weg: Nahezu allen Plattformen fehlt die Shopping-Integration im Stream. Die Checkout-Funktion steht z. B. bei Instagram bislang nur qualifizierten Business- und Creator-Konten in den USA zur Verfügung. Potenzielle Käufer*innen müssen hierzulande noch die App verlassen und beispielsweise auf die Herstellerwebsite wechseln, um den Kauf zu tätigen. Solch umständliche Handhabung ist in China längst passé. Live-Shopping-Funktionalitäten sind dort elementarer Bestandteil der großen Portale.

Kein Wunder also, dass viele deutsche Unternehmen Kanäle wie Facebook, Instagram, LinkedIn und Co. aktuell eher als Kommunikationstool sehen, um Werbung zu streuen, Mitarbeiter*innen zu gewinnen oder Kund*innen Support zu bieten.

Dies dürfte sich spätestens dann ändern, wenn eine nahtlose Integration der Shoppingfunktionen in die Apps auch bei uns Einzug hält. Heißt: Bis dahin sollten die strategischen Hausaufgaben zur Integration dieses Verkaufskanals in das eigene Portfolio gemacht werden…

Quellen

teleshop.ch

grin.com

giga.de

kompetenzzentrum-kommunikation.de

de-de.facebook.com

stern.de

de.statista.com

absatzwirtschaft.de

t3n.de

Mats ist New Communications Fachmann für Handelsmarketing und 3D/CGI-Projekte. Der studierte Betriebswirt ist wie gemacht fürs turbulente Werbe-Leben. Denn Stress und Hektik perlen von dem leidenschaftlichen Surfer ab, wie Wassertropfen von Neopren. Gleichzeitig weiß Mats, wie man Erfolgswellen reitet und hat ein untrügliches Gespür dafür, woher der Wind weht. Klare Kiste, dass Mats damit an Bord vom Strategie-Team ist.

Heiß auf Insider-Infos?

Immer up to date: Unser Newsletter versorgt dich einmal monatlich mit brandneuen Trends und Innovationen aus der Kommunikationswelt.

Newsletter bestellen