Wie misst man das Wohlergehen einer Gesellschaft? Der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat sich ausgiebig mit dieser Frage beschäftigt. "Was wir auf jeden Fall nicht fördern müssen, ist das Wirtschaftswachstum", sagt dazu der Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel. Mutet seine Aussage zunächst auch provokant an, deckt sie sich doch mit einer zentralen Botschaft aus dem Zukunftsinstitut. Dieses hat für die trendbasierte Standortentwicklung erkannt: Keine rein ökonomischen Kennzahlen, sondern der Faktor „Lebensqualität“ prägt die erfolgreichen Standorte der Zukunft. 

Standort und Lebenszufriedenheit

Schon viele berühmte Denker, von Aristoteles über Adam Smith zu Charles Darwin, haben die zentrale Bedeutung des Glücks erkannt und formuliert. Im Kontext der Standortanalyse ist die Beschäftigung mit dem Glück jedoch ein relativ junger Forschungszweig. Hier dominierte über Jahrzehnte hinweg die Orientierung an makroökonomischen Daten, allen voran das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Die Erkenntnis, dass mehr Geld nicht automatisch zu mehr Wohlbefinden führt (das sogenannte Easterlin-Paradox), zieht jedoch zunehmend die Aussagekraft des BIP in Zweifel. Mit der Suche nach alternativen Wohlstands-Indikatoren wie der Work-Life-Balance befassen sich unter anderem auch die Vereinten Nationen, die Europäische Union und eine Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages.

Was ist Glück und wo findet man es?

Die Faktoren tatsächlicher Lebensqualität und anhaltendem Glücklichseins sind das Arbeitsfeld der Glücksforschung. Hierzu nutzt sie interdisziplinär Erkenntnisse beispielsweise der Neurobiologie, Soziologie oder der Volkswirtschaftslehre. Unterschieden wird zwischen emotionalem und kognitivem Wohlbefinden. Emotionales Wohlbefinden beschreibt das Glücklichsein im Moment und in welchem Verhältnis dieser Zustand im Tagesverlauf im Vergleich zu negativen Stimmungen erreicht wird. Kognitives Wohlbefinden hingegen zielt auf ein grundsätzliches Glücklichsein als dauerhafte Zufriedenheit mit dem Leben.

Als Quellen subjektiven Wohlbefindens wurden (nach Layard 2011) folgende primäre Faktoren identifiziert:

  • gelingende soziale Beziehungen (Partnerschaft, Familie, Freunde)
  • physische und psychische Gesundheit
  • Engagement und befriedigende Tätigkeiten (Erwerb und Nichterwerb)
  • persönliche Freiheit
  • innere Haltung und Lebensphilosophie (z.B. Lebensziele, Spiritualität)
  • Mittel zur Befriedigung der materiellen (Grund-)Bedürfnisse und finanzielle Sicherheit

Den größten Einfluss auf die Lebenszufriedenheit haben hierunter die sozialen Kontakte.

Regionen mit Happiness-Faktor

Wie sich die Glück bringenden Faktoren deutschlandweit verteilen, stellt der „Deutsche Post Glücksatlas 2012“ vor. Er basiert auf den Daten des sozio-ökonomischen Panels (SOEP) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Auch hier bestätigt sich: Die wichtigsten Glücksbringer sind Gesundheit, Partnerschaft, Freunde. Die größten Glückshemmnisse dagegen sind Scheidung, Tod des Partners und Arbeitslosigkeit. Auch Vertrauen und Lebenszufriedenheit hängen eng zusammen. Wer Vertrauen zu Mitmenschen hat, ist deutlich zufriedener.

Wie schon im Vorjahr belegte wieder die Region Hamburg den Spitzenplatz. Insgesamt glänzt der Nordwesten Deutschlands mit hohen Zufriedenheitswerten.  Auch Schleswig-Holstein befindet sich auf Rang 5 unter den Gebieten, deren Glücksindex signifikant über dem Bundesmittel liegt. Im Alterssegment unter 35 Jahren erreicht Schleswig-Holstein sogar den dritten und im Segment der 35–65-Jährigen den zweiten Rang. Im Bundesvergleich sticht besonders das hohe Maß an Vertrauen heraus, mit dem die Schleswig-Holsteiner ihren Mitmenschen begegnen. Darüber hinaus kann die Region mit weiteren „Glückbringern“ aufwarten, wie die hohen Zufriedenheitswerten für Einkommen und Arbeit belegen. Die Unternehmen der Region erhalten damit selbst eine besondere Rolle als Imageträger. Lesen Sie mehr zum Thema "Glück am Arbeitsplatz" im Artikel von Silke Schröckert.

Standortmarketing: Wie kommuniziert man Glück?

Ein Beispiel für die kommunikative Umsetzung des Happiness-Faktors im Standortmarketing liefert das Landesmarketing Baden-Württemberg: Im Rahmen seiner Werbe- und Sympathiekampagne verspricht das Land nicht nur Zufriedenheit, sondern wirbt sogar mit einer „Zufriedenheitsgarantie“. Das Bundesland sagt verbindlich zu, neu Hinzugezogenen eine Wiederwegzughilfe von bis zu 500 Euro zu zahlen, sollte es ihnen in der Region nicht gefallen. Das Ergebnis: Im sechsmonatigen Aktionszeitrum wurde kein einziger Antrag auf eine Umzugskostenbeteiligung gestellt.
Für das Standortmarketing stellt sich die zentrale Frage, wie es die entscheidenden Glücks-Faktoren ihrer Region systematisch entwickeln und vor allem sichtbar machen kann.

Quellen:

Layard, R. (2011): Happiness: Lessons from a New Science, 2. Auflage, London.

Harvard Business Review (2012), “The Happiness Factor”, Ausgabe Jan./Feb.

Raffelhüschen, Bernd und Schöppner, Klaus-Peter (2012): Deutsche Post Glücksatlas 2012, Knaus Verlag

Ruckriegel, Karlheinz (2013): 2. Jahrbuch Nachhaltige Ökonomie, Glücksforschung – Erkenntnisse und Konsequenzen für die Zielsetzung der (Wirtschafts-)Politik.

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