Der Online-Handel wächst ungebremst. Gerade in kleineren und mittelgroßen Städten büßt der stationäre Handel immer weiter an Umsatz ein. Smartphones, Preisvergleichsmaschinen und Same-Day-Delivery-Angebote machen dem Händler das Leben schwer. Doch es gibt Hoffnung. Das Stichwort RoPo (Research online, Purchase offline) ist längst bekannt, stößt dank Google jetzt aber in neue Sphären vor. Mit den Local Inventory Ads erlaubt das US-Unternehmen dem stationären Handel ihr lokales Sortiment im Internet abzubilden. Suchen Kunden auf Google nach einer Ware, die ein Händler in seiner Nähe über Local Inventroy Ads eingestellt hat, erscheint die Anzeige in ihrer Google-Suche.
Wie funktioniert das technisch? Die Händler koppeln ihre IT / Warenwirtschaftssysteme mit den Google-Servern. Diese greifen dann permanent Bestands- und Preisdaten ab. Kleineren Händler ohne passende Systeme bleibt aktuell nur die manuelle Pflege ihrer Produkte. Erste Versuche zeigen, dass sich diese Arbeit positiv in den Umsatzzahlen niederschlägt.
Online-Händler drängen in die Stadt
Als wären kleine, selbstständige stationäre Händler nicht schon genug gebeutelt, rückt ihnen in den Großstädten die Online-Konkurrenz sogar physisch auf die Pelle. Unternehmen wie MyToys, Home24, Amazon oder Zalando haben sich mittlerweile stationär niedergelassen. Internet-Pure-Player gibt es kaum noch. Warum das? Die Umsätze im Bereich Online steigen doch rasant! Das stimmt natürlich, dennoch werden heute noch immer über 85 % des Gesamtumsatzes des Handels offline erwirtschaftet. Das EHI Retail Insitute hat errechnet, dass 57 % der 1.000 umsatzstärksten Onlineshops auch stationäre Läden führen. Waren solche Niederlassungen vor Jahren oftmals Resterampen zum Abverkauf von Retouren, hat sich das Bild mittlerweile gewandelt. Immer mehr Geschäfte dienen als Showroom und sollen das Markenbild in den Köpfen der Kunden verfestigen. Stadtentwickler dürften sich angesichts von Leerständen und der sinkenden Attraktivität der Innenstädte zumindest kurzfristig über diesen Trend freuen.
Läden ohne Personal
Im vergangenen Jahr hatte Amazon mit seinem Projekt GO für Aufsehen gesorgt. In Seattle eröffnete zu Testzwecken ein Shop für das eigene Personal. Vollkommen ohne Personal. Im Frühjahr dieses Jahres folgte dann die Enttäuschung. GO wurde wegen technischer Probleme auf unbestimmte Zeit verschoben.
In China ist man da schon deutlich weiter. Das StartUp BingoBox bietet rund um die Uhr an 160 Standorten Waren des täglichen Bedarfs an. Kunden melden sich mit ihrem Smartphone über den Chatdienst WeChat an und identifizieren sich. Per QR-Code erhalten sie Zutritt in die containerartigen Ladenräume. Dort wählen sie die benötigten Waren aus, legen sie auf einen Scanner und zahlen mit dem Smartphone. Ob alles bezahlt wurde prüft ein optischer Scan. Erst dann öffnet sich die Tür.
Die Technik hinter diesem Prozess: RFID, Gesichtserkennung, Objekterkennung nebst der dahinterstehenden künstlichen Intelligenz. Mittelfristig wird letztere durch Trainingseffekte im Bereich der Objekterkennung den Einsatz von RFID Chips überflüssig machen.
Welchen Vorteil hat dieses Konzept für den Kunden? Bei BingoBox sind die Preise aktuell im Schnitt 20 bis 30 % unter denen der Mitbewerber. Ob sich dieses Szenario in Deutschland deckungsgleich übertragen lässt, ist aufgrund der engen Margen allerdings fraglich. Dennoch zeigt es, dass die Technologie in bestimmten Segmenten soweit ist, auf den Mensch am POS zu verzichten.
Retail Recruiting
Verkäufer an der Kasse sind eine vom Aussterben bedrohte Art. In der Zukunft benötigt der Handel eine Vielzahl an digitale Experten. Schon jetzt hat die Digitalisierung rund 50 % der bestehenden Jobprofile im Bereich Handel gravierend verändert. Es reicht nicht mehr, dass das Personal in der Lage ist die Ware aus dem Regal oder Lager zu holen und zu kassieren. Kunden wollen bei ihrem Einkauf unterhalten werden. Sie erwarten eine individuelle und fachlich fundierte Beratung auf Augenhöhe. Für den Händler bedeutet dies vor allem steigende Kosten. Intensiverer Schulungsaufwand, höher qualifiziertes Personal und die Übertragung von mehr Verantwortung an die Mitarbeiter müssen über die Automatisierung vergleichsweise banaler Prozesse (wie dem Kassieren) aufgefangen werden.
Onlineshops verlieren an Bedeutung
Klingt im ersten Moment verrückt, doch neue Technologien machen Onlineshops in Teilbereichen überflüssig. Sprachgesteuerte Assistenten wie Amazon Echo und Google Home, Chatbots, oder Dash-Buttons warten nur darauf, von uns um ihre Hilfe gebeten zu werden. Der Konsument kann einkaufen ohne einen Bildschirm vor Augen haben zu müssen.
Im Kampf um die maximale Convenience bieten Dash-Delivery und Voice-Commerce dem Kunden den denkbar einfachsten Weg an sein Wunschprodukt zu kommen. Ein Kopfdruck oder ein kurzer Sprachbefehl genügen und schon macht sich die Ware auf den Weg. Dem Konsumenten bleibt dann nur noch das Warten und Türöffnen.
In Zeiten von Same-Day-Delivery und Wunschtermin-Anlieferungen ist Warten schon jetzt keine aufwendige Angelegenheit mehr. Dennoch mag sich der ein oder andere daran stören. Doch spätestens im kommenden Jahr wird es auch dafür Lösungen geben, diese letzten beiden Hindernisse auf ein Minimum reduzieren. In München und Berlin ist mit Amazons Prime Now bereits der erste Schritt getan.
Auf ein spannendes Handels-Jahr 2018.
Quellen:
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