Schnelle kurze Schritte. Nervöser Blick. Endloses Gedränge. Herr Müller kommt zu spät zur Arbeit. Mit hochrotem Kopf bahnt er sich einen Weg durch die morgendlichen Menschenmassen. Er bleibt vor einer ebenso roten Ampel stehen. Ob er noch schnell vor den nahenden Autos über die Straße hetzt? Gerade will er loseilen, da entdeckt er etwas Merkwürdiges – einen Bildschirm am Ampeltaster. Der handflächengroße Monitor verrät: Die Rotphase dauert noch zwei Minuten. Er lädt den Mann zu einer Partie Streetpong ein.

Streetpong – spielen, bis es grün wird

Streetpong funktioniert ähnlich wie der Videospiel-Klassiker Pong. Müllers Zeigefinger steuert ein Paddel, das keinen Ball vorbeilassen darf. Stattdessen muss es in Richtung seines Kontrahenten schießen. Der meldet sich gerade auf der anderen Straßenseite an. Dort befindet sich ebenfalls ein Touchscreen, der mit Müllers Apparat vernetzt. Beide Spieler vergessen zwei Minuten lang, dass sie gerade an einer roten Ampel stehen.

Was ein bisschen nach Science Fiction klingt, ist in Hildesheim bereits Wirklichkeit. Dort entwickelten Studenten im Studienfach „Urban Interactions“ das Konzept zu Streetpong. Ein Spiel zur Förderung sozialer Interaktion, für das sich auch die Städte Oslo und Lyon interessieren.

Urban Interactions – zwischen Städteplanung und Street Art

Urban Interactions sind Maßnahmen, die ein wechselseitiges Aufeinandereinwirken von Menschen und dem öffentlichen (städtischen) Raum fördern. In den letzten Jahren ist die Entwicklung solcher Konzepte wichtiger geworden, denn globale Veränderungen führen zu einer wachsenden Funktionstrennung städtischer Räume. Scharf voneinander abgegrenzte Orte, schlechte räumliche Vernetzung und ein monotoner Stadtraum sind die Folge.

Neben Interaktionsdesignern, die das ändern wollen, hacken Street Artists den Raum. Sie zweckentfremden, modifizieren und verbessern ihn. Damit vereinen Urban Interactions auch Disziplinen aus der Werbung: Ambient und Guerilla.

Mutige Unternehmen bekommen neue Chancen, um viral und aufmerksamkeitsstark zu werben. Nicht zuletzt, da sie ihre Werbung mit dem Zweck der Raumverbesserung und sozialen Interaktion ausstatten. Und damit einen ungeahnten Mehrwert für den Nutzer bieten, der sich tatsächlich mit dem Werbemittel auseinandersetzt und interagiert.

Möglichkeiten zur Verhaltensänderung und Interaktion

Ein Parade-Beispiel für solche Werbeformen liefert die „Fun Theory“ von Volkswagen. Die Kampagne warb 2009/2010 unterhaltsam für eine umweltfreundliche und gesunde Lebensweise.

Der Automobil-Hersteller stattete Treppenstufen einer U-Bahn z. B. mit drucksensitiven, schwarzen und weißen Matten aus. Die daraus entstandene Klaviatur gab bei Berührung sogar die entsprechenden Töne wieder.

Das Ergebnis: 66 % mehr Menschen nahmen lieber die Treppe als die Rolltreppe. Das Fun Theory-Video, das die Menschen beim Spielen von Songs auf der Treppe zeigt, verzeichnet bei YouTube mehr als 21 Millionen Klicks.

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Video Vorschaubild

Doch es muss nicht immer so aufwendig sein, wenn man städtische Räume und soziale Interaktion verbinden möchte. Warum nicht z. B. Bänke aus Euro-Paletten fertigen und mit Ketten an kahle graue Wänden hängen? Die neu entstandenen Sitzmöbel sind nicht nur ein Hingucker. Sie werden auch sicherlich gern genutzt und bieten genügend Werbefläche.

Wie wär`s mit einer Werbebotschaft, bei denen Blumen in einem Beet die Worte formen? Oder man geht so subtil vor wie der deutsche Künstler Aram Bartholl: Er mischt Popkultur mit Technologie und spachtelt auch gern mal Löcher in Backsteinmauern zu – mit Zement und eingesetzten USB-Sticks, deren Stecker nach außen zeigt. Damit können sie nicht entfernt werden, die Daten sind aber jederzeit abruf- und änderbar. Daten, die auch Ihre Werbebotschaft sein können.

Fazit

Eingemauerte USB-Sticks und Handys, Licht-Graffitis oder Installationen – Werbung muss nicht nur um des Werbens willen eingesetzt werden. Als Ambient-Werbung im öffentlichen Raum kann sie Städtern einen attraktiven Zusatznutzen bieten. Und weitaus stärkeren Eindruck auf uns Menschen machen als die herkömmliche, alltägliche Werbung. Werbemittel, die der Idee von Urban Interactions entstammen, können damit als Marketing-Stunt zum viralen YouTube-Hit avancieren. Wichtig: Die Werbeform muss originell und sinnvoll sein und einen Mehrwert stiften.

Laut einer Studie des Instituts für Marketing und Kommunikation prasseln täglich etwa 6.000 Werbekontakte auf uns ein. Am nächsten Tag erinnern wir uns durchschnittlich an drei davon. Die ungewöhnlichen, ungesehenen Werbeformen machen den Unterschied. Mutige Unternehmen reagieren jetzt. Machen sich das Konzept der Urban Interactions zu eigen. Und „hacken“ mit aufsehenerregenden Marketing-Stunts den öffentlichen Raum.

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