D2C? Endlich wieder mal ein neues Buzzword. Was für Millennials wie die Kreuzung aus einem Skateschuh und einem Star-Wars-Droiden klingt, umschreibt eigentlich altbekannte Handelsstrukturen. Im Zuge der Corona-Pandemie gewinnen aber gerade diese wieder an Bedeutung.

D2C steht für Direct-to-Consumer. Also für den Verkauf einer Dienstleistung oder eines Produktes direkt von der Marke bzw. dem Hersteller an den Endkunden. Ohne Zwischenhändler. Oder deutlicher ausgedrückt, ohne Plattformen wie Alibaba oder Amazon. Und ohne stationäre Händler in Gewerbegebieten, Einkaufsstraßen oder Shoppingmalls. Sämtliche Mittelsmänner werden bei diesem Vertriebsweg außen vorgelassen – mit voller konzeptioneller Absicht.

Sollten Einzelhändler und B2C-Marken um ihr Geschäftsmodell fürchten?

Vielleicht, denn viele innovative D2C-Marken boomen. Warum? Weil sie experimentierfreudig sind und kaum einen Vertriebsweg unversucht lassen. Sie nutzen Produkttests über Plattformen wie Instagram, Shopify und Snapchat. Und setzen auf erweiterte Produktlinien bis hin zu Pop-up-Shops, um ihren Marktanteil zu erhöhen.

In den USA erwartet man für dieses Jahr D2C-Verkäufe in Höhe von 17,75 Mrd. Dollar. Das entspricht einem Anstieg von 24,3 % gegenüber dem Vorjahr.

Warum umgehen D2C-Marken den Einzelhandel?

Für Marken bzw. Hersteller bieten sich – wie im klassischen Direktvertrieb – einige Vorteile.

Sie haben die volle Kontrolle über die Produkte und den Preis, zu dem sie angeboten werden. Es gibt keine weiteren Preisaufschläge durch nachgelagerte Handelsstufen. Marken oder Hersteller profitieren von einer größeren Marge – und Kunden von einem geringeren Endpreis.

Die Präsentation der Waren im Sortiment bleibt in den Händen des Verkäufers. Das gilt auch für alle Maßnahmen zur Absatzförderung. Damit ist auch die Gefahr gebannt, dass eigene Produkte in Rabattschlachten geopfert werden. Oder zugunsten von Eigenmarken des Handels aus dem echten wie virtuellen Regal zu fliegen.

Im stationären Bereich umgeht man mit D2C die coronabedingte Gefahr von Lockdowns. Und schützt sich vor damit verbundenen direkten wie indirekten Umsatzeinbußen bis hin zum Verlust ganzer Standbeine.

Warum ist D2C plötzlich hip?

Trotz Corona und des klassischen Direktvertriebs, der seit vielen Jahrzehnten besteht, befindet sich D2C im Aufwind. Wie so oft, spielt auch hier das Thema Digitalisierung eine wichtige Rolle.

Der technische Fortschritt und das Aufkommen mannigfaltiger Tools und Dienstleistungen haben den Markteinstieg für jedermann ermöglicht. Sämtliche benötigten Strukturen können auch ohne tiefes technisches Verständnis oder massive Investitionen in Technik und Personal aufgebaut bzw. eingekauft werden. Im Jahr 2020 ist somit jeder Hersteller in der Lage, einen eigenen Onlineshop aufzubauen und auch kleinste Produktmengen direkt an den Endverbraucher zu verkaufen. Und zwar ohne dafür eine eigene Abteilung nebst passender Infrastruktur aus Boden stampfen zu müssen.

Etablierte Marken aus dem Consumer-Bereich tun sich mit dem Thema noch immer schwer. Doch Newcomer haben D2C längst für sich entdeckt und ihre Existenz erfolgreich auf diesem Ansatz aufgebaut. Sie machen sich vor allem ihre eigene Agilität zunutze. Oftmals verfügen sie nicht über Jahrzehnte gewachsene Geschäftsbeziehungen mit nachgelagerten Handelspartnern. Daher können sie freier und mit weniger Einschränkungen am Markt agieren.

Was haben D2C-Marken, das klassische Marken nicht haben?

Sie haben einen – in der Neuzeit wichtigen – strategischen Vorteil. Sie haben die volle Kontrolle über die Erhebung und Nutzung wertvoller First-Party-Daten. Sie müssen nicht länger auf Dritte vertrauen oder Umwege zur Abbildung einer vermeintlichen Realität nutzen.

Gerade der Verkauf über das Internet bietet unendlich viele Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Trotzdem haben viele Marken auch im Jahr 2020 noch keinen direkten Kontakt zu ihren Kunden. Und somit auch keinen Zugriff auf First-Party-Daten, da Verkäufe über Zwischenhändler abgewickelt werden. Aus strategischer Sicht ist die Überlassung dieser Daten an Händler, Plattformen oder Media-Agenturen eine Katastrophe.

Findet D2C ausschließlich online statt?

Ganz ohne den klassischen Handel geht es mittelfristig wohl nicht. In den USA mehren sich D2C-Modelle, die ihre Fühler aus dem genannten Modell herausstrecken. Laut einer Arvato-Studie verfügen dort rund 60 % der D2C-Marken über eigene Shops. 58 % haben Großhandels-Partner. Und 28 % nutzen Amazon als Vertriebskanal.

Gerade bei reparatur- und wartungsbedürftigen Produkten fehlt aber ein Ort, an den diese zum Service gebracht werden können. Dies zwingt D2C-Marken, sich Dienstleister oder Partner zu suchen. Bei Waren mit kleinen Produktmargen und hohen Servicemargen ist das nicht kritisch. Anders herum wird es zu einer echten Herausforderung.

Liegt die Zukunft im D2C-Bereich?

Für viele alteingesessene Akteure der Handelswelt werden die alternden Partner und Vertriebswege zum Problem. Und das nicht nur durch Corona. Der Handel sollte den Ansatz der jungen, experimentierfreudigen Marken daher in seinen strategischen Baukasten aufnehmen.

Wie dies gelingen kann, zeigen zum Beispiel die Sport-Riesen Nike und Adidas. In der Vergangenheit haben sie sich immer mehr vom Einzelhandel und von den Plattformen abgekapselt. Zuerst stampften sie eigene Flagshipstores aus dem Boden. Sagten dann Ebay und Amazon den Kampf an. Und bauten schließlich ihre eigenen Online-Absatzkanäle massiv aus. Ohne diese Maßnahmen wäre der coronabedingte finanzielle Einbruch sicherlich noch heftiger ausgefallen.

D2C ist somit nicht das Ende des Einzelhandels. Klassisch aufgestellte Marken sollten sich dennoch ausgiebig mit diesem Thema beschäftigen, da es bei konsequenter Anwendung große strategische Vorteile bietet.

Quellen:

etailment.de
computerwoche.de
arvato-supply-chain.com
the-future-of-commerce.com
emarketer.com

Mats ist New Communications Fachmann für Handelsmarketing und 3D/CGI-Projekte. Der studierte Betriebswirt ist wie gemacht fürs turbulente Werbe-Leben. Denn Stress und Hektik perlen von dem leidenschaftlichen Surfer ab, wie Wassertropfen von Neopren. Gleichzeitig weiß Mats, wie man Erfolgswellen reitet und hat ein untrügliches Gespür dafür, woher der Wind weht. Klare Kiste, dass Mats damit an Bord vom Strategie-Team ist.

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