So manch künstliche Intelligenz könnte bald smart genug sein, über solche Manifestationen menschlicher Kurzsichtigkeit (no pun intended) herzhaft zu lachen. Doch was humoristisch anmutet, ist halbherzig betriebene Barrierefreiheit, die die digitale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen erschwert. Und gleichzeitig eine haushoch verpasste SEO-Chance. Aber der Reihe nach. Was sind Alt-Texte? Wozu sind sie gut? Und wie schreibt man sie, ohne zum Gespött von KIs und von Menschen mit Behinderungen zu werden?

Was sind Alt-Texte?

Online-Shops, Blogs, Nachrichten – ohne Bilder ist heute nichts davon denkbar. Doch wie können Menscheln mit Sehbehinderungen erfassen, was auf den Bildern zu sehen ist? Und wie können Suchmaschinen die Bilder verstehen? Die Antwort sind Alt-Texte, Alternativtexte oder auch Alt-Attribute genannt. Das sind im Script hinterlegte kurze Texte, die Bildinhalte beschreiben. Die Alt-Texte haben dabei mehrere Funktionen. Sie werden von Screenreadern ausgelesen und helfen blinden und sehbehinderten Menschen, die Bilder zu verstehen und deren Bedeutung im Kontext des Artikels zu erfassen. Werden Bilder im Browser blockiert, erscheint stattdessen der Alt-Text, der den Bildinhalt beschreibt. Und zu guter Letzt sind Alt-Texte relevant für Suchmaschinen. Für Google und Co. stellen sie Interpretationshilfen dar, denn Maschinen können Bildinhalte nicht so erfassen wie Menschen.

ALT-Texte für mehr digitale Teilhabe

Sage und schreibe 20 Jahre ist es her, dass die erste Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) in Kraft trat, genauer am 24. Juli 2002. Sie soll Menschen mit Behinderungen den Zugang zur Internetnutzung und damit digitale Teilhabe ermöglichen. So weit, so gut. Dass Absicht und Realität zwei verschiedene Dinge sind, zeigt unter anderem eine Untersuchung der Organisation WebAIM. Sie hat 2019 und 2020 die Majestic Million-Liste der meist referenzierten Websites der Welt auf ihre Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen untersucht. Demnach weisen nur zwei Prozent der untersuchten Websites keine Mängel im Hinblick auf Barrierefreiheit auf. Schlimmer noch: Die Situation hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar leicht verschlechtert. Das zweihäufigste Problem, gleich nach zu schwachem Textkontrast: keine Alternativtexte (66 %). Auch in Deutschland gibt es immer noch große Probleme mit der Barrierefreiheit im Netz. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat zwischen Januar 2020 und Dezember 2021 rund 1.900 Websites von Behörden geprüft: Die gesetzlichen Anforderungen an eine barrierefreie Seite erfüllte keine. Es gibt noch viel zu tun in Sachen Barrierefreiheit, sowohl aufseiten der Behörden als auch der der Unternehmen. Bis 2025 müssen zahlreiche Produkte und der Online-Handel barrierefrei sein. Gute Alt-Texte sind dabei ein wichtiger Teilbereich. Und heute schon ein Wettbewerbsvorteil.

Statistik zur Barrierefreiheit im Web. 66 % aller Websites nutzen keine Alt-Texte.

ALT-Texte für mehr Sichtbarkeit: Bilder-SEO

Die im Alt-Text hinterlegte Information nutzen Suchmaschinen, um den Bild-Content zu verstehen. Obwohl Maschinen Gesichter oder Gegenstände auf Bildern identifizieren können, haben sie dennoch keine Augen, mit denen sie die Nuancen des Bildes erfassen können. Fehlt also der Alt-Text und hat das auf der Website eingebundene Bild auch keinen eindeutigen Dateinamen, wird das Bild nicht gefunden. Gute Alt-Texte hingegen verhelfen zu besserem Ranking sowohl bei der allgemeinen als auch bei der Bildersuche.

Wie schreibt man einen guten ALT-Text?

Die Antwort ist so einfach wie einleuchtend: Ein guter Alt-Text beschreibt das Bild. Zugegeben, das ist schwerer als es klingt. Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass Alt-Texte eine Kategorie für sich sind, eigenen Regeln folgen und eigene Funktionen erfüllen. Alt-Texte sind also deutlich abzugrenzen von Bildunterschriften oder Titeln. Bildunterschriften ordnen das gezeigte Bild ein und geben zusätzliche Informationen. Sie enthalten beispielsweise die Namen der gezeigten Personen, nennen den Ort oder die Veranstaltung, auf der die Aufnahme entstanden ist. Bildunterschriften liefern also den Kontext, sind auch für Menschen ohne Sehbehinderungen sichtbar und werden von Screenreadern als solche erkannt und ausgelesen. Sie beschreiben das Bild nicht, sondern lassen es für sich sprechen, während sie weitere Informationen hinzufügen. Alt-Texte hingegen sind im Hintergrund aktiv und beschreiben exakt und nur, was zu sehen ist.

Kontext ist King

Das Bild sollte mit Blick auf seine Aussage, Wirkung und Nutzen für das Verständnis des Textes und Themas beschrieben werden. Stellen wir uns also zuerst immer die Frage: Was genau an dem Bild ist wichtig für das Thema? Je nach Kontext kann die Alternativbeschreibung unterschiedlich ausfallen.

Beschreibung folgt im Text

In diesem Bild sehen wir die Herrenstraße in Freiburg im Breisgau. Doch in welchem Kontext wird es verwendet? Geht es im (fiktiven) Artikel um den Beginn der Sommersaison für die lokale Gastronomie, die unter Arbeitskräftemangel leidet? Um die Beliebtheit von Innenstädten trotz boomendem Onlinehandel? Oder vielleicht sogar um das Hotel „Bären“, dessen Fassade im Bild zu sehen ist?

Trotz Online-Boom: Innenstädte werden wieder beliebterTitel: Volle Außenbereiche, kaum Personal – Gastronomie am Limit
Ja, hier steht kein korrekter Alt-Text. Gut aufgepasst. Die Beschreibung folgt direkt im TextDie Bildbeschreibung folgt direkt im Text
Bildunterschrift: Die Innenstädte holen im Wettlauf mit dem boomenden Online-Handel auf. Die Herrenstraße ist vor allem an Wochenenden sehr gut besucht.

Bildunterschrift: In den vielen Cafés in der Herrenstraße ist kaum noch ein Platz frei. Für die Servicekräfte sind Überstunden inzwischen Alltag.

Alt-Text: Einkaufsstraße bei Sonnenschein mit vielen Passanten und vollbesetzter CaféterrasseAlt-Text: Vollbesetzter Außenbereich eines Cafés in belebter Einkaufsstraße im Sommer

Je nach Kontext rücken wir die entsprechende Bildinformation in den Mittelpunkt und nennen sie zuerst.

Kurz, präzise und menschlich

Der Alt-Text sollte kurz und präzise beschreiben, was zu sehen ist. Ohne sich dabei in Details zu verlieren. Die Frage ist nicht, was in welchem Drittel des Bildes liegt, sondern worum es eigentlich geht. Ein Alt-Text sollte maximal 12 Wörter haben. Achten Sie dabei darauf, den Text möglichst zusammenhängend, natürlich, menschlich, klingen zu lassen – also keine Aneinanderreihung von Substantiven. Da der Alt-Text auf das Wesentliche reduziert ist und von Screenreadern und Suchmaschinen als Alt-Text identifiziert wird, ist es nicht nötig, zu sagen, dass etwas auf dem Bild zu sehen ist. Statt „Auf dem Bild sind zwei Hunde in Großaufnahme zu sehen, die im Gras toben und miteinander spielen“ reicht das hier vollkommen aus: „Zwei Hunde spielen miteinander im Gras“. Ist Text im Bild zu sehen, kann dieser nicht ausgelesen werden und sollte, wenn relevant, zitiert werden. Beispiel: Kreidetafel mit der Aufschrift „Herzlich willkommen“.

Wiederholungen vermeiden

Der Alt-Text dient in erster Linie der visuellen Beschreibung des Bildinhaltes und sollte nicht die bereits im Fließtext oder in der Bildunterschrift vorhandenen Informationen wiederholen. Diese sind bereits vorhanden, können vom Screenreader gelesen und vom User verstanden werden. Der Kontext ist also schon gegeben. Es wird nur beschrieben, was abgebildet und gemeint ist.

Keywords sparsam verwenden

Wer einen Onlineshop betreibt, sollte seine Produktbilder natürlich auch mit Alt-Texten versehen. So machen sich auch sehbehinderte Menschen ein besseres Bild vom Produkt, das sie kaufen wollen und die Produkte werden besser gefunden. Doch auch, wenn hinter dem Bild eine Verkaufsabsicht steht, sollte der Alt-Text niemals eine Keyword-Aneinanderreihung sein, wie beispielsweise: „Zelt orange tent outdoor camping wandern zelten günstig kaufen!“

Gelbes Zelt auf einer Wiese bei Sonnenuntergang

Nicht nur hilft das niemandem, der auf Screenreader angewiesen ist, das Bild zu verstehen, geschweige denn sich für das abgebildete Produkt zu entscheiden. Suchmaschinen ordnen solche Bild-Beschreibungen und damit die ganze Seite als wenig aussagekräftig, minderwertig oder sogar als spammy ein. Da der Kontext (hoffentlich) bereits in der Produktbeschreibung gegeben ist, sollte der Alt-Text nur beschreiben, was zu sehen ist und, wenn sinnvoll, etwas Atmosphäre einfangen, etwa: „Warm beleuchtetes Zelt auf einem Hügel mit Blick auf Stadtlichter bei Abenddämmerung“. Handelt es sich um reine Produktbilder, sollten Produktart, Farbe, Größe, Muster etc. präzise beschrieben werden. Das hilft allen potenziellen Kunden, ob mit oder ohne Behinderung, genau das richtige Produkt zu finden.

Aber was ist mit Gefühlen? Und Hautfarben?

Wir Menschen haben Gefühle und erkennen sie bei anderen. Für die Beschreibung eines Bildes kann das bedeutsam sein. Sind die Personen fröhlich, ausgelassen, schneiden sie Grimassen? Wirken sie entspannt, nachdenklich oder verärgert? Je nach Kontext kann das relevant sein und sollte in den Alt-Text einfließen. Doch was ist mit dem äußeren Erscheinungsbild der Personen? Sollte man etwa auch Hautfarben beschreiben? Auch hier gilt: Es kommt auf den Kontext an. Wir erinnern uns: Der Alt-Text beschreibt das Bild und seine Bedeutung für den Artikel und sein Thema. Geht es im Artikel um Diversität oder Rassismuserfahrungen, kann die Beschreibung der Hautfarben der abgebildeten Personen durchaus relevant sein.

Fazit

Obwohl Alt-Texte eine wichtige Stütze beim Verstehen von Webinhalten sind und obwohl sie das Ranking deutlich verbessern können, wird deren Potenzial sowohl für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und für die Suchmaschinenoptimierung selten ausgeschöpft. Schlimmstenfalls werden sie völlig außen vorgelassen. Zugegeben, je kürzer und präziser der Text sein soll, desto schwerer wird es, ihn zu schreiben. Dabei lohnt es sich gleich mehrfach, sich mit Alt-Texten zu beschäftigen.

Quellen:

de.statista.com

iwkoeln.de

Nelly ist Expertin für Corporate Language, Publikationen und Public Relations bei New Communication. Außerdem ist die ausgebildete Journalistin Pressesprecherin der Agentur. Theoretisch könnte Nelly ihre Pressekonferenzen auch auf Englisch, Russisch oder Spanisch halten. Spricht sie nämlich alles. Theoretisch könnte sie dabei auch singen und tanzen. Kann sie nämlich auch. Natürlich wäre das albern. Aber wir wollten einfach nur mal kurz damit angeben, wie toll unsere Nelly ist.

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