Neo-Öko
Leicht, nachhaltig und gesund – gerade Unternehmen aus der Nahrungsmittelindustrie stellen sich auf die veränderte, sensibilisierte Wahrnehmung ihrer Kunden ein. Das passiert nicht nur in vereinzelten Kampagnen. Firmen wie Bel, Danone oder Danish Crown verankern ökologische Werte in den Grundpfeilern ihrer Erscheinungsbilder. Mit mutigen Aussagen und runderneuerten Designs. Die Zukunft wird zeigen, mit welcher Ernsthaftigkeit die edlen Absichten auch in die Tat umgesetzt werden.
Typografie
Schablonen
Was haben Kaffesäcke, grobe Transportkisten und Militäreigentum gemeinsam? Die Beschriftung mit rustikal anmutenden Schablonenbuchstaben. Deren charakteristische Besonderheit sind stabilisierende Stege bei Buchstaben mit Binnenformen, den sogenannten Punzen: o, b, p, e. Die würden nämlich ansonsten herausfallen und den Buchstaben wie einen dunklen Klecks wirken lassen.
Was seinen Ursprung als mechanische Notlösung hatte und lange ausschließlich robusten Transportbehältnissen vorbehalten war, wird jetzt erstmals salonfähig. Moderne Schriften werden sogar zunehmend mit einer ergänzenden Stencil-Version veröffentlicht. Dies ist sicher auch eine Folge der Variable-Fonts-Technologie, die wir bereits im vergangenen Jahr als Treiber für kommende Schriften-Trends identifizierten.
Zeitgenössische Stencil-Fonts haben jedoch ausgesprochen elegante Grundmuster und sind damit weit entfernt von ihren rustikalen Wurzeln. Derzeit sind sie im Editorial Design, also im Layout von Zeitschriften und Magazinen, besonders beliebt. Diese typografische Ästhetik unterstützt unter anderem auch den Look des visuellen Neo-Öko-Trends.
Multi-Line
Das haben wir ernsthaft angewandt zuletzt in den 60erund 70er-Jahren gesehen. Nun kommt der Trend jenseits von Einladungen zu Schlagermoves oder Mottopartys zurück: Buchstaben werden in mehrere parallel laufende Linien aufgelöst. Auch hier hilft moderne Schriften-Technologie nach: Einzelne Linien können farbig hervorgehoben werden.
Serifen
Viele Jahre fristeten Schriften mit Serifen ein Schattendasein. Serifen, das sind die kleinen Querstäbchen an den Enden der Buchstaben. Nur deren besondere Eigenschaften, vor allem die Lesefreundlichkeit und die daraus resultierende Verwendung in Büchern, bewahrten sie vor dem Aussterben. Nun besinnt man sich ihrer wieder und setzt Serifenschriften gezielt ein, wenn es inhaltlich zum Beispiel um Themen wie Langlebigkeit, Nachhaltigkeit, moderne Tradition, hochwertige Materialien oder Werte generell geht.
Asymmetrie und offene Komposition
Sauber, konsistent und harmonisch – so sollen Broschüren und Publikationen gestaltet sein. Harmonisch bedeutet aber auch immer ein bisschen langweilig. Das wissen Designer und verstoßen vorsätzlich gegen die guten Gestaltungsregeln. Sie missachten das Layout-Raster, enttäuschen grafi sche Erwartung, sprengen das Format und deuten Elemente nur an. Was wild und teilweise sogar ungestaltet wirken mag, ist allerdings doch nur ein visuelles Spiel. Denn Verständlichkeit und inhaltliche Konsistenz sind immer noch gegeben. Nur die Langeweile, die bleibt außen vor.
Bildstile
Polaroid is back
Die 70er-Jahre sind zurück. So wie nach jeder Übersättigung beginnt sich auch in der Bildästhetik ein Gegen-Trend zu manifestieren. Anstelle von cleanen, durchinszenierten Imagefotos erobern der beiläufige Stil und die Farbigkeit von Polaroids die Bühne zurück. Warme Brauntöne, leicht entsättigte und pastellige Farben lösen harte Brillanz und den durchgeschärften Stil ab.
Gender
Was in Gesellschaften passiert, spiegelt sich auch immer in Design und Fotografie wider. So findet man bei Stock fotoanbietern zunehmend auch Motive mit Transgender-Models. Und ungegenderte Models und Motive – bereit zur geschlechtsneutralen Darstellung von Inhalten.
Punktwolken
So wie eine Fülle unverbundener Gedanken stehen Pixel, Buchstaben oder Objekte, zu diffusen Punktwolken aggregiert, derzeit hoch im Kurs. Vornehmlich auf dunklem Untergrund, um den Eindruck kosmischer Expansion zu verstärken. Sie visualisieren frei im Raum stehende Gedanken und Einzelfakten, die erst durch eine weitere Idee formalere Gestalt annehmen.
Chromatische Aberration
Die Ästhetik des Unperfekten: Billige Linsensysteme lassen an harten Kontrasten in Fotografi en gelegentlich einen blau-roten Farbsaum entstehen – die sogenannte chromatische Aberration. Dieser rein optische Fehler hat sich jetzt zum eigenen Bildstil gemausert: Objekte werden extra zweifarbig ausgeleuchtet. Kanten in zwei Farben aufgelöst, vorzugsweise blau und rot. Jüngstes Beispiel: das Logo des Video-Streaming-Dienstes TikTok.
Mid-Century-Illustration
Der Illustrationsstil der 1950er-Jahre erfreut sich wieder zunehmender Beliebtheit: ein paar Striche, ein paar überdeckende Farbfl ächen und fertig ist die lockere Szene. Im 21. Jahrhundert verzichten wir jedoch auf Nierenform und Haarpinsel. Heute sieht man den Werken ihre digitale Herkunft an: Geometrisch akkurate Linien zeigen, mit welcher Vektorzeichensoftware sie entstanden sind.
Longcopy
Anzeigen und Plakate müssen catchy sein. Heißt: aufmerksamkeitsstarkes Bild, knackige Headline. Und wieder wird ein Dogma gebrochen. Denn manche Botschaften wollen sich nun mal nicht überspitzt auf einen Punkt bringen lassen. Und wer etwas mehr zu sagen hat oder komplexere Anliegen kommunizieren möchte, braucht eben doch mehr als das. Also gibt man dem Verbalen die Bühne, die sie benötigt. Auch wenn es das ganze Format füllt. In Asien erwarten Verbraucher von Anzeigen zu erklärungsbedürftigen Produkten oder hochpreisigen Investitionsgütern übrigens schon immer etwas mehr Informationen als nur eine freche Headline.
Farben
Schwarz-Weiß
Einen stärkeren Kontrast als den zwischen Schwarz und Weiß gibt es wohl kaum. In Zeiten politischer Extreme ist es also kein Wunder, dass auch Designer Ausdruck in Schwarz und Weiß suchen. Was sich sonst nur auf Typografi e beschränkte, umfasst jetzt zunehmend Muster, Ornamente, Striche und räumliche Projektionen.
Pink
Alle paar Jahre taucht eine besondere Farbe wieder auf: Pink. Mal hart und grell, dann wieder pastellig und weich. Letzteres zeichnet sich jetzt wieder ab. Dabei wird die Farbe sowohl als stimmungsgebende Hintergrundfarbe als auch zur Akzentuierung eingesetzt. Vielleicht hat das aktuelle Revival seinen Ursprung in den seit einigen Jahren beliebten Infrarot-Fotografien: Dort wird die sonst als grün bekannte Fauna pink bis korallefarben dargestellt.
Zero User Interface
Devices werden zunehmend ohne visuelle oder haptische Schnittstellen bedient. Künstliche Intelligenz antizipiert das Anliegen des Users, oder die Steuerung geschieht via Gesten oder Stimme. Auf diese neuen Herausforderungen sollten sich User-Interface-Designer einstellen: Denn sie müssen eine positive User Experience auch ohne visuelle Komponente erreichen.
Artificial Intelligence
In vielen Bereichen begegnen wir mittlerweile Prozessen und Arbeitsergebnissen der künstlichen Intelligenz. In der Kreation tut man sich da schwerer. Es ist inzwischen jedoch möglich, einfacher strukturierte Prozesse mithilfe von KI abzubilden. Die Deutsche Post/DHL hat seit 2019 einen maßgeschneiderten KI-gestützten „Layout-Creator“. Der erkennt zum Beispiel, wenn eine Headline über ein Gesicht laufen würde, und käme auch nie auf die Idee, ein Logo schräg oder in falschen Farben zu platzieren. Es ist ein intelligentes Brand System mit einer Media Library. Allgemeinere oder umfassendere Gestaltungsregeln aber kennt auch der Layout-Creator nicht. Der Programmierund Lernaufwand ist derzeit schlicht noch zu groß. Sollten Designer nun Angst vor solchen Automaten haben? Nicht, wenn sie sie als mehr als ein flexibler InDesign-Bediener begreifen.
Quellen/ Bildnachweise Kopfgrafik:
- Pink: UV „Lehuo-Life Series“
- Typo: Wete Studio „Stela UT“
- Polaroid: Lil Yachty Cover-Art für „Lil Boat 2“