Psychedelico

Die 60er-Jahre klopfen mal wieder an und schieben ihre psychedelischen Muster und Farbkombinationen durch den Briefschlitz. Die Freude an wilden Farborgien und labyrinthartig verschlungenen Mustern bleibt, aber die Tools sind neu. Als Vektorillustrationen lassen sie sich weitaus vielfältiger und vor allem einfacher variieren.

Künstliche Intelligenz, Co-Kreativität und Augmented Design

Intelligente, autonome Assistenzsysteme, sogenannte Cobots, sind in der Hochtechnologie bereits seit einigen Jahren im Einsatz. Ähnliches lässt sich zunehmend auch in der Kreation beobachten. Und auch bei uns ist es nicht das eine große Tool, das Designer*innen die Arbeit ab- oder wegnimmt. Es sind viele kleine Helferlein, die den Alltag schneller gestalten oder stupide Aufgaben übernehmen. Künstliche Intelligenzen (KI) wie Khroma und Colormind lernen, auf der Basis individueller Präferenzen passende Farbpaletten und Verläufe zu generieren. Den Hintergrund von Personen und deren Haaren wegzuretuschieren, das ist der zeitfressende Angstgegner aller Mediengestalter*innen – mit „Topaz Mask“ geschieht das mit wenigen Mausbewegungen. Let’s enhance, Gigapixel und seit kurzem auch der Platzhirsch Photoshop interpolieren schlecht aufgelöste Fotos dramatisch gut. Wo früher Gestalter*innen angesichts schlecht aufgelöster Fotografien die Tränen in den Augen standen, leuchtet heute wieder ein Hoffnungsschimmer.

Florale Ornamente

Nanu – hatte da jemand zu viel Zeit oder sind da talentierte und überaus gestaltungsfreudige Illustrator*innen am Werk? Üppige florale Ornamentik bahnt sich ihren Weg aus dem Jugendstil ins 21. Jahrhundert. Je stärker wir die Natur als bedroht wahrnehmen, desto mehr kehrt sie auch in die visuelle Kommunikation ein – als Wunschvorstellung und Mahnung zugleich.

Typografie: Borstenpinsel und starke Kontraste

Headlines werden fetter, größer und kontrastreicher – der typografische Spiegel einer Zeit der Extreme. Der Brushlettering-Trend hat seinen Zenit überschritten. Was davon bleibt, ist die gebrochene Ästhetik eines fast trockenen Pinsels, schwarze Tinte und kräftige Strichstärken – wie auf Demonstrationsplakaten. Sehr feine und sehr starke Strichstärken innerhalb eines Buchstabens gewinnen ebenfalls an Beliebtheit. So wird die Spannung, die ohnehin zwischen Schwarz und Weiß entsteht, typografisch noch verstärkt.

Fotografie

Wie kann man aus 1.430.000.000.000 Fotografien noch hervorstechen? Denn so viele Fotos werden im Jahr 2020 weltweit erzeugt worden sein. Nicht allein das Motiv entscheidet, sondern wie und womit es aufgewertet wird. Oder in welchem Kontext es steht. Für 2021 erwarten wir daher vermehrt Fotografien, die mit grafischen oder anderen Ergänzungen angereichert werden. Und umgekehrt: freigestellte, schwarz-weiße Fotoobjekte, die als visuelle Ergänzung und Aufwertung von illustrativen Designs dienen.

Three Color Graphics

Ein, zwei, drei Farben – fertig ist das Design. In der freiwilligen Beschränkung liegt eine Stärke der Kreation, so auch beim intelligenten Einsatz von Farben. Der weltbekannte Titelillustrator Noma Bar trug mit seinen Covern sicherlich zur Beliebtheit und Verbreitung dieses Trends bei. Mit meist nicht mehr als eben drei Farben bringt er seine Sichtweisen, Ideen und Provokationen auf den Punkt. Das ist einfach, plakativ und smart. Und freut alle, die Illustrationen und Grafiken im Corporate Design einer Unternehmens- Farbpalette zu gestalten haben.

Glitch wird Mainstream

Die erstaunlichsten Dinge entstehen oft durch Zufall. So auch der Glitch-Effekt – eine unbeabsichtigte Verzerrung, ausgelöst durch einen digitalen Defekt. Nachdem sich dieser Stil in den letzten Jahren großer Beliebtheit bei den Designs von Randgruppen erfreute, ist er jetzt endgültig im Mainstream angekommen. Vom Plattencover bis zum Netflix-Serien- Trailer: Glitch Art gehört zum Standardrepertoire moderner Grafikdesigner*innen und wird auch in Zukunft eine große Rolle spielen.

Raster aus Punkten und Buchstaben

Ein Mix aus Ordnung und Chaos. Grenzen setzen und diese gleichzeitig sprengen. Harmonie und Zerwürfnis. Designs, die sich eine Fessel aus steifem Raster anlegen, um dieses im selben Moment zu sprengen, erzeugen große Aufmerksamkeit und wirken hochmodern. Buchstaben werden weit auseinandergezogen und spielerisch mit anderen Grafikelementen in ein Raster gewoben. Ob dieses Designprinzip überdauert, wird sich zeigen – 2021 kann damit auf jeden Fall gepunktet werden.

Rohes Design, klare Farben

Designer*innen werden wieder Kinder und spielen, was das Zeug hält – mit Textschnipseln, freigestellten Bildern und Grafiken. Es entsteht ein wilder Tanz der grafischen Elemente. In mitreißenden Collagen fegt dieser über die Gestaltungsfläche und ist kaum zu bändigen. Einzig die reduzierte, klare Farbigkeit gibt Halt und zügelt dieses wunderschöne Chaos.

Superheroes

Das sogenannte Hero-Element, also der Einstiegsbereich einer Website, gewinnt weiter an Bedeutung und Ausmaß. Bewegung im Hero schafft visuelle Anreize, die Seite zu entdecken und herunterzuscrollen. Entweder durch Videos oder andere Arten der Animation. Ob durch Mausbewegung getriggert oder automatisch ablaufend – der Fantasie sind dank technischer Möglichkeiten keine Grenzen gesetzt. Bewegungen sollten aber generell nie überbordend und immer zu stoppen sein.

Die Typografie im Hero wird immer größer. Teilweise sogar so groß, dass gescrollt werden muss, um alles lesen zu können. Die Website wird zum Plakat.

Only the sky is the limit

Max-width bezeichnet die horizontale Begrenzung von Inhalten, die wir immer noch von News-Seiten wie spiegel.de oder medium.com kennen. Wesentlich grenzenloser gestaltet man inzwischen Webauftritte, die eher Produkte präsentieren oder Unternehmen darstellen. Denn das Layout soll auch auf großen Monitoren mit hoher Auflösung den gesamten Raum einnehmen, statt sich in einer schmalen Spalte einengen zu lassen. Herausforderung dabei: die Lesbarkeit von Texten zu gewährleisten und zu breite Textzeilen zu vermeiden.

Von Linien und Kreisen

Schon im letzten Jahr häufig zu sehen: Texte in Konturlinien. Die Binnenfläche kann sowohl ausgefüllt als auch transparent sein. Ein eigener Schriftsatz ist nicht notwendig – die Outline wird per CSS erzeugt. So entstehen interessante Effekte beim Hovern, d. h. beim Darüberfahren mit der Maus. Deutliche vertikale und horizontale Linien grenzen auf vielen Webseiten die Bereiche klar voneinander ab. Im Zusammenspiel mit spannender Typografie entstehen ungewohnte Layouts. Andernorts schweben Kreise über der Seite, dienen als strukturierende Elemente oder einfach als Kontrast zum rechteckigen Browser-Rahmen. Immer häufiger sehen wir rotierende Texte, die sich an Kreislinien anschmiegen – ein Stilmittel, das in Print längst ausgestorben schien.

Das „appige“ Gefühl

Eine Website soll sich am besten gar nicht mehr wie eine Website anfühlen, sondern eher wie eine eigenständige App. Seitenübergänge werden animiert – das Gefühl des „Nachladens“ entfällt, alles wirkt wie eine einzige Anwendung. Verstärkt wird dieser Eindruck durch den Einsatz vieler weiterer Mikro- und Makro-Animationen.

Dark Mode

Was für nächtliche Smartphone-Nutzer*innen schon lange eine augenschonende Option war, setzt sich zunehmend auch für Apps und Websites durch: der Night oder Dark Mode. Weiße Schrift auf dunklem Hintergrund ist bei widrigen Lichtverhältnissen nicht nur besser, weil blendfrei lesbar. Im Dark Mode lässt sich auch leichter ein Fokus auf bestimmte Seitenbereiche lenken. Außerdem verlängert er die Akkulaufzeit, denn nur Buchstaben und bestimmte Call-to- Action-Elemente müssen mit maximaler Helligkeit – und damit Batterieleistung – dargestellt werden.

Flash strikes back

Erinnern Sie sich noch an die frühen 2000er-Jahre? Damals feierte die Applikation Flash von Macromedia ihren Siegeszug. Webseiten entstanden, auf denen wirklich alles in Bewegung war. Sogar die Navigation. Heute lässt sich all dies mit HTML und CSS nachahmen – bevorzugt auf Portfolios von Designer*innen, im Fashion- oder Eventbereich. So erscheinen beim Hovern über Worte plötzlich Bilder an der Position des Mauszeigers und folgen seinen Bewegungen. Manches Mal verschwindet der Mauszeiger sogar komplett und wird durch ein neues Element ersetzt – einen Punkt, einen Kreis oder Ähnliches. Auch andere Effekte werden geradezu exzessiv eingesetzt. Das alles wirkt besonders auf junge Designer*innen sehr beeindruckend. Kommen dann allerdings noch animierte Seitenübergänge, große Videos und weitere Animationen dazu, geht das sehr zu Lasten der Performance. Weiterer Nachteil: Man verbringt viel Zeit damit, der Seite beim Laden zuzusehen.

Die Rückkehr der Barrierefreiheit

Google verschärft die Maßstäbe für die Auffindbarkeit von Seiten im Netz immer mehr. Kriterien wie Performance und Accessibility, also die Zugänglichkeit von Inhalten, werden ausschlaggebender. Das Thema barrierefreies Internet rückt wieder in den Vordergrund. Und das nicht, weil es immer mehr Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen gibt. Eine schlechte Internetverbindung im Zug, ein Kind auf dem Arm oder eine spiegelnde Sonne können ebenfalls „Barrieren“ darstellen. Auch dann sind Farbkontraste, Schriftgrößen, Bedienbarkeit und schnelle Ladezeiten wichtig, die sich entscheidend auf das Webdesign auswirken.

 

Lutz ist Creative Director und Innovationsmanager bei New Communication. Seit Agentur-Gründung sorgt er für öffentliches Aufsehen mit wegweisenden Designs und Interfaces. Nebenbei lebt er seine Typographie-Leidenschaft aus. Definiert Corporate Designs. Leitet Kreativ-und Innovationsworkshops. Ist mehrfacher Fachbuch-Autor. Und generiert systematisch Ideen im Sekundentakt. Während Sie diesen Text lesen, waren es übrigens 15 neue.

Christian Klose

Christian ist Creative Director für Screendesign bei New Communication. Und trägt einen Nachnamen, der eine Menge über sein Talent aussagt. So gilt er in den Bereichen Website-Konzeption und User Experience als wahrer „Virtu-Klose“ und seine Entwürfe als „Klose to perfection“. Dafür, dass der gebürtige Bayer trotz des ganzen Lobs nur geografische Höhenflüge erlebt, sorgen seine drei Kinder. Die ziehen Papa an seinem langen Zopf nämlich immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Patrick Wilkens

Patrick ist Creative Director für Kommunikationsdesign bei New Communication. Und sowas wie unsere kreative Allzweckwaffe. Während andere noch ihren ersten Kaffee schlürfen, rappeln Patricks Synapsen bereits auf Hochtouren. Weil so viel Energie ansteckend ist, lassen wir ihn als Mentor regelmäßig auf unsere Design-Azubis los. Am liebsten morgens. Solange wir Normalos noch Kaffee trinken.

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