Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Sie erstaunlich oft recht haben? Oder dass Sie in einer Diskussion immer auf der Seite stehen, die dominiert? Lediglich im Privatleben wird Ihnen mal widersprochen. Ärgerlich! Aber immerhin ist der Rest der Welt schön fluffig. Nur manchmal fällt dieses eine Wort. Dieses Wort, dass erahnen lässt, dass die Welt vielleicht doch nicht so im Einklang mit Ihrer Meinung ist, wie Sie es gerne hätten oder erträumen.

Filterblase. Auch Echokammer genannt. So lautet der etablierte Begriff für die Gruppe von Gleichgesinnten, mit denen Sie sich online versammeln.

Wer suchet, der findet … was für ihn bestimmt ist

Schon 2009 stolperte der Blogger Danny Sullivan in einer Ankündigung von Google über einen Nebensatz, der ihn stutzig werden ließ. „Personalisierte Suche für jeden“ stand da. Was das konkret bedeutete, testete der Autor Eli Pariser im Frühjahr 2010. Die Deep Water Horizon war gerade in aller Munde und die Presseabteilung von BP hatte vermutlich schon entspanntere Arbeitstage gehabt. Pariser bat zwei Freundinnen, online nach dem Unternehmen zu suchen. Die Lebensläufe und Hintergründe der beiden waren ähnlich.

Google sah das aber anders. Der einen wurden Informationen zu dem Unglück angezeigt, der anderen Investmentchancen mit BP. Was war passiert? Google hat sich basierend auf zahlreichen unterschiedlichen Signalen von Browser, vorherigen Suchen usw. ein Bild von den Nutzerinnen gemacht. Daraus resultierend spielte die Suchmaschine die passendsten Suchergebnisse für die beiden aus (Filterblase). Den Test-Ergebnissen von Pariser stehen jedoch Studien gegenüber, die dieses Phänomen nicht reproduzieren konnten und nur marginale Abweichungen zwischen den Suchergebnissen feststellten.

Wie rutscht man rein?

Wir alle hinterlassen Spuren im Netz. Das dürfte nicht erst seit der DSGVO und der daraus resultierenden Cookie-Flut bekannt sein. All diese Informationen werden aber nicht nur genutzt, um zielgruppengenau Werbung auszuspielen. Denn Google, Facebook und Co. wollen uns eigentlich einen Gefallen tun, wenn sie nicht gerade mit unseren Daten Geld verdienen. Sie wollen uns so persönlich ansprechen und erreichen wie möglich. Das ist grundsätzlich ok. Es entspricht sogar dem immer stärker werdenden Trend der Personalisierung.

Vorteile

So mitten in Ihrer eigenen kleinen Filterblase zu sitzen, kann natürlich auch Vorteile haben, wenngleich die Berichte darüber diesen Aspekt oft außer Acht lassen. Ihr Selbstbewusstsein findet es vermutlich ganz nett, auf unterschiedlichste Weise bestätigt zu werden. Viele andere teilen nicht nur Ihre Meinung, es scheint auch noch die RICHTIGE zu sein.

Die Filterblase hilft Ihnen aber auch dabei, für Sie relevante Produkte, Veranstaltungen, Dienstleistungen zu finden. Es ist natürlich angenehm, dass Spotify Ihnen Künstler vorschlägt, die Ihrem Geschmack entsprechen. Auch bei den Nachrichten verhält es sich so.
Außerdem wird vieles, was zu ein und demselben Suchwort erscheinen könnte, automatisch weggefiltert. So müssen Sie sich nicht ärgern, dass der eben entdeckte Star-Friseur in Köln sitzt und nicht in Kiel. Die Filterung bewahrt Sie auch davor, von den schieren Massen an Informationen erschlagen zu werden, die Sie ohne Filter gar nicht komplett verarbeiten könnten.

Nachteile

Sie lesen viele Artikel aus dem Bereich Sport? Dann werden Ihnen weiterhin viele Artikel dazu ausgespielt. Bereiche wie Politik bleiben dann jedoch auf der Strecke. Sie verpassen also einiges, was vielleicht völlig anders ist als das, was Sie bisher konsumiert haben. Die Interessenvielfalt geht verloren.

Das ist ein Faktor, der auch große Marken stören könnte. Wie sollen sie neue Zielgruppen erschließen? Sie sind geradezu gezwungen, teure Werbung zu schalten, um sich in die Filterblase noch unerschlossener Zielgruppen zu zwängen. Und irgendwo hören sie Facebook und Google leise lachen.

Verzerrte Wirklichkeit

Organisch, also mit monetärem Einsatz Werbe- und PR-Botschaften zu verbreiten, scheint auf den ersten Blick nahezu aussichtslos. Insbesondere im PR-Bereich der Politik, dem Lobbyismus, hat der Wahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump gezeigt, wie Filterblasen das Meinungsbild verzerren und beeinflussen können.

Alle, die nicht für Trump waren, waren, überspitzt gesagt, felsenfest überzeugt, dass er nicht gewinnen konnte. Zu eindeutig schienen die Skandale, die sich während des Wahlkampfes abspielten. Zu groß schien die Anzahl der Menschen, die nicht unbedingt für Clinton, immerhin aber gegen Trump waren. Ein Trugschluss – wie beim Brexit.

Der Grund? Die Filterblasen liberal eingestellter Menschen waren von der Wirklichkeit abgeschottet.

Was also kann die PR tun, um Menschen dennoch zu erreichen? Ein Schlüssel dazu ist die Personalisierung. Klingt zunächst widersprüchlich. Ist doch die Personalisierung ein treibender Faktor der Misere. Personalisiert man jedoch Botschaften bis zu einem gewissen Grad, ist es möglich, dass es mehr Übereinstimmungen mit den Signalen neuer Personen gibt. Die PR-Botschaften werden also in deren Blickfeld gespült.

Die Blase platzen lassen

Allerdings haben nicht nur Marketer und PRler ein Interesse daran, hier und da eine Filterblase platzen zu lassen. Immer mehr Menschen, die sich der durch die Filterblasen entstandenen Einschränkungen bewusst werden, wollen sich aktiv aus ihnen befreien.

Das ist gar nicht so einfach. Schlicht ein paar Seiten der AfD zu abonnieren oder sich mit Menschen zu vernetzen, die politisch eher konservativ unterwegs sind, reicht nicht aus. Man wird lediglich feststellen, dass auch sie bei Facebook eher untergehen und nicht im eigenen Newsfeed erscheinen.

Was helfen kann:

  • Browser im Inkognito-Modus verwenden
  • Ad-Blocker nutzen
  • Cookies und Browser-Verläufe regelmäßig löschen
  • nicht nur auf Google vertrauen

StartPage ist eine gute Alternative zur Google-Suche. Die Ergebnisse stammen zwar von Google, aber es werden keine weiteren Informationen über Sie als Nutzer weitergereicht. IP-Adressen, Cookies und andere Informationen speichert StartPage gar nicht erst.

Es gibt allerdings auch einige Tools, die auf die Filterblase hinweisen. Sie unterstützen die Nutzer dabei, Artikel und Meinungen auch von anderen Standpunkten zu betrachten. Hier sind einige dieser Tools bzw. Websites (leider überwiegend auf Englisch):

allsides.com Gibt zu Themen die politisch linke, rechte und mittlere Perspektive wieder
web.hypothes.is Ermöglicht es den Nutzern, zu einer Hypothese Stellung zu beziehen, weitere Standpunkte zu beleuchten und Notizen zu machen.
ConsiderIT Forum, in dem das Für und Wider einer Frage diskutiert werden kann – unter anderem die Frage, ob es Filterblasen wirklich gibt.
hifromtheotherside.com Die Nutzer werden mit anderen Nutzern des entgegengesetzten Meinungsspektrums gematcht. Sie können dann über unterschiedliche Themen diskutieren.

Interessanterweise gab es vor etwa 2 Jahren noch mehr Tools zu diesem Thema. Doch die sind verschwunden. Ob sie an Nutzern oder Relevanz verloren haben, lässt sich nicht sagen.

Quellen:

Pariser, Eli. The Filter Bubble – What the Internet is Hiding from You. Penguin Books, London. 2011.
counterpart.de
Mario Haim, Andreas Graefe & Hans-Bernd Brosius (2018). Burst of the Filter Bubble? Digital Journalism, 6:3, 330-343
Engin Bozdag, Jeroen van den Hoven (2015). Breaking the filter bubble: democracy and design. Ethics Inf Technol (2015) 17:249–265
computerbild.de
ted.com
fs.blog

Jana sorgt als ausgebildete Social-Media-Managerin und Expertin für Public Relations und Newsletter-Marketing bei New Communication dafür, dass ihre Kunden im Rampenlicht stehen. Als Fachfrau für Krisenkommunikation, Influencer Relations und Investor-Relations trifft sie immer den richtigen Ton. Kein Wunder, dass die studierte Anglistin und Skandinavistin privat dem medialen Getöse gern mal den Rücken kehrt und in Norwegen Schnee- statt Shitstorms die Stirn bietet.

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