Innovationsstau auf der Straße in die Zukunft

Weltweit trieb die Digitalisierung schon vor der Corona-Krise in weiten Kreisen einen revolutionären Umbruch voran, während man sie hierzulande lange verschlafen, wenn nicht gar unterdrückt hat. Schon vor über 40 Jahren fiel unter der Regierung Helmut Kohl eine maßgeblich kurzsichtige Entscheidung, die bis heute Auswirkungen zeigt: Man setzte auf Kabelfernsehen statt Glasfaserausbau. Die Digitalisierung wurden dem Lobbyismus und der Selbstbereicherung deutscher Politiker geopfert. So begrub man auf lange Zeit eine vielversprechende und technologische Zukunft.

Man wundert sich rückblickend wenig darüber, dass Deutschland angesichts seiner Vergangenheit im weltweiten Vergleich lange als digitales Entwicklungsland einzuordnen war. Kaum auszumalen, wo die Bundesrepublik mit vorausschauendem Handeln im Umgang mit Technologie und fokussierter Innovationsarbeit im Jahre 2021 hätte stehen können. In Expertenkreisen geht man davon aus, dass die BRD neben Südkorea und den skandinavischen Staaten heute zu den am höchsten technologisierten Staaten und damit in vielen (und nicht wie heute in nur wenigen Bereichen) zur innovativen Weltspitze gehört hätte.

Vor diesen Hintergründen überrascht es, dass Deutschland im Bloomberg Innovation Index 2020 (erschienen Anfang 2020) tatsächlich den ersten Platz belegte, obwohl die goldene Zeit als führende Innovationsnation schon vorbei gewesen zu sein schien: Schwächen im Service-Sektor sowie in Bildung und Produktivität wiesen Grenzen auf. Der Maschinenbau, sowie die zunehmende Anzahl an Hochtechnologie-Clustern und Patentanmeldungen stützten das gute Abschneiden der deutschen Innovationskultur maßgeblich. Jedoch wurde der Spitzenplatz im Innovationsranking vor einem Jahr auch durch übliche Fluktuationen in diesem, sowie natürliche Innovationsruhen aufseiten der Konkurrenz begünstigt. Und dann stand der Welt noch eine globale Pandemie bevor, die den Innovationsstau in der Bundesrepublik deutlich offenlegen sollte.

Deutschland im Innovationsranking: Spezialist statt Allrounder

Die Corona-Pandemie bringt das Gleichgewicht in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft weltweit seit nun über einem Jahr gehörig ins Wanken und stellt unsere Vorstellungen von der Welt sowie ihrer Zukunft gehörig auf den Kopf. Dies wirkt sich auch deutlich auf das weltweite Innovationsgeschehen aus, wodurch Deutschland im Bloomberg Innovation Index 2021 (erschienen Anfang 2021) aus den Top 3 hinter Südkorea, Singapur und der Schweiz auf Platz 4 abrutschte. Die Krise zeigte der Bundesrepublik ihre Grenzen in Innovation, Digitalisierung und Technologie auf, was sich auch im Ranking deutlich widerspiegelt.

Trotz des üblichen Auf und Ab in den Top 10 und dem stetigen Abrutschen großer Technologie-Nationen wie den USA und Japan, schneidet Deutschland trotz hoher Platzierung in der Gesamtwertung in nur wenigen Kategorien von Bloomberg wirklich gut ab. Während die Bundesrepublik in den Bereichen Ausgaben für Forschung (Platz 7), Wertschöpfung (Platz 6) und Hightech (Platz 3) besser abschneidet, fallen die Resultate in Produktivität (Platz 20), Bildung (Platz 23), Aktiv Forschende (Platz 12) und Patente (Platz 14) maximal durchschnittlich aus. Betrachtet man die Ränge deutscher Innovationsarbeit in den einzelnen Disziplinen, wird schnell klar: Deutschland ist derzeit eher Spezialist als innovativer Allrounder.

In der Realität lassen sich diese Ergebnisse daran belegen, dass man viele Ausgaben für die Forschung und so wichtige Beiträge zur Bewältigung der Corona-Krise leistete, weiterhin zur weltweiten Wertschöpfungsspitze gehört und seine Anzahl an inländischen Hightech-Aktiengesellschaften erheblich erweitern konnte. Auf der anderen Seite führten Verteilungsengpässe sowie starre bürokratische Prozesse den Deutschen die eigene limitierte Produktivität schonungslos vor Augen – so auch in der Bildung, wo in der schulischen Ausbildung und an Universitäten deutlich wurde, dass man im internationalen Vergleich derzeit (u. a. aufgrund der selbst verschuldeten digitalen Begrenzungen) eher hinterherläuft als antreibt.

In der aktiven Forschung und Patentanmeldung bewegt sich Deutschland im Mittelmaß, obwohl aus diesen Bereichen konstant wichtige Beiträge kommen. Womöglich findet sich hier einerseits ein Hinweis für mangelnde Wertschätzung, Meinungsteilhabe und Kooperation für und mit Wissenschaftlern wie Innovationstreibern. Andererseits spielt eine auf Konsum, Gewinnmaximierung und Wachstum ausgelegte Wirtschaftspolitik eine hemmende Rolle für echte, neue digitale und technologische Innovationen.

Die Krise als Innovationstreiber für ein neues technologisches Zeitalter

Gehen den Deutschen denn nun wirklich die Ideen aus oder ist es schlicht an der Zeit für eine neue deutsche Innovationskultur? Wie wir feststellen, hat Deutschland für den Sprung an die Innovationsweltspitze deutlichen Nachholbedarf in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Produktivität. Die Corona-Krise zeigt auch im zweiten Jahr der Pandemie auf, dass die Bundesrepublik wichtige Gelegenheiten für technologische Fortschritte und digitale Innovationen in der älteren wie jüngeren Vergangenheit verpasst hat. Natürlich ist nicht alles schlecht, denn wie man anhand des aktuellen Bloomberg-Reports erkennen kann, wird neben der Großindustrie auch viel Geld in die Forschung und in neue Hightech-Unternehmen investiert, was Innovationen deutlich fördert.

Man kann angesichts des derzeitigen gesellschaftspolitischen Umbruchs in Deutschland und weltweit darauf hoffen, dass die Investitionen in gemeinschaftlichen Fortschritt durch neue Technologien und Innovationen weiter steigen. Mit Blick auf die weltweite Klima- und Umweltkrise, neue globale Konflikte und Versorgungsprobleme sind alternative Konzepte und innovative Ideen dringend gefordert. Doch Not macht bekannterweise erfinderisch und so konnte die Corona-Krise auch als Innovationstreiber für kreative Lösungen, sowie technologische und digitale Neuerungen in vielen Lebensbereichen wirken. Wie kann es nun weitergehen?

Vor allem ließ sich im letzten Jahr mit Verweis auf die weltweite wirtschaftlich-soziale Ungleichheit unter Beweis stellen, dass echter Fortschritt, gerechte Ressourcenverteilung und wirksame Innovationen nur gemeinwohlorientiert wirklich zustande kommen und funktionieren können. So ruft die linke Starökonomin Mariana Mazzucato in ihrer neuen Veröffentlichung Mission Economy: A Moonshot Guide to Changing Capitalism zum allgemeinen Wandel von bloßen Staatsapparaten hin zu idealistisch lenkenden Innovationsmotoren auf, die ihre eigenen Systeme stärken, um Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Umwelt und damit der Wirtschaft eine neue Richtung zu geben. Dieser Ansatz käme für die Zukunft neuer, deutscher Innovationskraft durchaus in Betracht, um das alte und träge System endlich abzulösen.

Die deutsche Unternehmerin, Gründerin und Autorin Verena Pausder liefert in ihrer jüngsten Veröffentlichung Das Neue Land: Wie es jetzt weitergeht! Ansätze für eine neue deutsche Unternehmerkultur und wirbt damit für eine visionäre Zukunft der Bundesrepublik. Ein Deutschland, das digital, risikofreudig und vor allem chancengleich agiere, übernehme endlich Verantwortung für den eigenen innovativen Fortschritt. Anders als Mazzucato stellt Pausder das mutige und beharrliche Unternehmertum in den Fokus.

Bereits 2016 wies der Wirtschaftsphilosoph Anders Indset in seinem Artikel Forget ‘‘innovation‘‘ – forge your future with avant-garde eine neue Perspektive auf. Er schlägt vor, die Zukunft mithilfe avantgardistischer Methodik anzugehen, die das Streben nach Freiheit, den Einbezug alternativer Inspirationsquellen, das Schaffen neuer Arbeitsatmosphären, die Akzeptanz für radikale Flexibilität und die Bereitschaft, Fehler machen und aus ihnen lernen zu dürfen, miteinander verbindet. Auch aus dieser Sichtweise lassen sich mit Sicherheit Visionen und Herangehensweisen für neue Wege zu Fortschritt und zukunftsweisenden Innovationen ableiten.

Fazit

Fest steht: der Bloomberg Innovation Index 2022 wird kommen und erst dann wird sich zeigen, welche Staaten die Krise wirklich effektiv für die Bündelung neuer Innovationskraft genutzt haben. Wir leben in rauen Zeiten, die vor allem Chancen und Perspektiven für eine neue Zukunft in der Welt der Unternehmer und Innovationen bieten. Der durch die Pandemie provozierte gesellschaftliche Umbruch stellt uns vor neue Herausforderungen und zwingt uns zum Umdenken, speziell aus deutscher Perspektive bergen die aktuellen Entwicklungen in der Krise großes Potenzial für nachhaltigen Fortschritt, von dem Mensch und Umwelt gleichermaßen profitieren können. Mit großen, anstehenden Herausforderungen in Bezug auf Umweltschutz, Menschenrechte sowie Ressourcen steht uns der Übergang in ein neues technologisches Zeitalter bevor, zu dessen Erfolg Deutschland und seine Innovatoren mit neuen, wirtschaftlichen und kreativen Lösungen maßgeblich beitragen können.

Oder um es abschließend eleganter zu formulieren: Neues Innovationsdenken verbindet wirtschaftlichen Umbau mit kreativer Avantgarde!

Quellen:

makronom.de

manager-magazin.de

businessinsider.de

sueddeutsche.de

br.de

manager-magazin.de 2

bloomberg.com

laborpraxis.vogel.de

de.statista.com

trendone.com

wirtschaftsphilosoph.com

Patrick ist Berater für digitale Kommunikation bei New Communication. Der gebürtige Nordhesse ist unter anderem unser Spezialist für Nachhaltigkeitsthemen und Gemeinwohl – und Memes. Letztere dienen vor allem dem agenturinternen Gemeinwohl. Und bringen uns nachhaltig noch Tage später zum Lachen.

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