Die Suche nach dem Deckel

Ein Unternehmen hat ein Produkt und möchte dieses verkaufen. Konsument*innen haben einen Bedarf. Diese beiden Parteien zusammen zu bringen, das ist die Aufgabe einer Werbekampagne. Sie informiert über das Produkt des Unternehmens. Sie erzählt vom Nutzen des Produktes, von den Vorteilen, die das Produkt dem Konsumenten bietet. Sie spricht in alltäglichen Situationen die Konsument*innen in ihrer Sprache an und erklärt ihnen, warum das Produkt ihren Bedarf erfüllt, ja ihr Bedürfnis befriedigt und so ihr Leben bereichert.

Nun ist es die Aufgabe von uns Werbetreibenden, die Werbekampagne so zu konzipieren, dass das Unternehmen am Ende z. B. möglichst viele Produkte verkauft – und die Bedürfnisse von möglichst vielen Konsument*innen gestillt sind.

Wir fragen Unternehmen nach den Zielen für ihr Produkt, nach den Benefits und Unique Selling Propositions, wir erarbeiten gemeinsam die Reason(s) Why und die Tonalität für die Kommunikation und definieren einen Call to Action. Klar, eine Menge Anglizismen. Genauso wichtig ist jedoch die große Frage: Wo finden wir unseren bedürftigen, interessierten, kaufkräftigen Konsument*innen in spe, um ihnen von unserem Produkt zu erzählen?

Eine neue Zeitrechnung

Was für ein Glück, dass wir im digitalen Zeitalter leben, in dem alles mit Daten belegt und digital fast alles möglich ist. Wir können uns per Mausklick eine ganze Wohnung einrichten, den Kühlschrank befüllen lassen, ohne das Haus zu verlassen oder Fitness-Studio-Verträge ohne Kontakt zu anderen Menschen abschließen und wieder kündigen. Wir suchen, finden und daten einander online – und auch unser Geld haben wir immer seltener wirklich in der Hand. Aber jeder Klick mit der Maus bedeutet auch, dass wir Informationen über uns in einen großen Topf geben. Durch Big Data sind wir alle mehr oder weniger zu gläsernen Konsument*innen oder zumindest Teil sogenannter Look-Alike-Audiences geworden.

Früher wurde die Gesellschaft in wertebasierte Sinus-Milieus eingeteilt, Mafo-Studien wurden durchgeführt, Vox Pops in Fußgängerzonen aufgenommen, um getroffene Annahme in Präsentationen zu untermauern oder sich auf das Bauchgefühl und das Wort von erfahrenen Mediaplaner*innen zu verlassen. Diese Zeiten sind passé. Denn mit all den Daten, die über das Kaufverhalten, die Bedürfnisse, das Leben von Konsument*innen gesammelt werden, sind wir einigermaßen messbar geworden.

Von der Masse zum Individuum

Um diese komplexen Daten besser gruppieren und davon Bedürfnisse und Ansprüche an Produkte und Marken ableiten zu können, analysieren wir Kaufverhalten, Öffnungsraten, Reichweiten, Impressionen und Klicks, lassen KI-basierte Software Wahrscheinlichkeiten eines Kaufs er- und den Preis dieses Kaufs be-rechnen. Wir entwickeln Personas und bauen die Kampagnen immer kleinteiliger und individueller auf. Diese Consumer Centricity stellt das Produkterlebnis auf sämtlichen Ebenen ins Zentrum der Kampagne.

Der Topf hat seinen Deckel gefunden

Dank Digitalisierung und der Möglichkeit, damit auch im Rahmen einer Werbekampagne individuell zu reagieren, kann durch automatisiertes Ausspielen von – auf einzelne Personengruppen zugeschnittenen – Werbebotschaften mittels Programmatic Advertising die Effizienz einer Werbekampagne maximiert werden. Oder in kurz: jede*r sieht genau, was sie/er sehen soll. Die datenbasierte Aussteuerung von Werbekampagnen bietet also die Möglichkeit, nicht mehr nur der breiten Masse von einem Produkt zu erzählen und zu hoffen, dass die Zuhörer*innen und Zuschauer*innen sich überhaupt dafür interessieren. Sondern durch das Erkennen von Mustern, das Clustern nach Interessen und das gezielte Aussenden der Werbebotschaften hat – im Idealfall – das Produkt Relevanz für die/den jeweilige*n Empfänger*in. Und der Topf hat seinen Deckel gefunden.

Dass digitale, datenbasierte, targetierte Werbung sich mittlerweile nicht mehr nur auf den Onlinebanner von ImmoScout24, wenn man sein web.de Postfach checkt, oder die „Werbeblöcke“ in den Insta-Stories beschränkt, sondern sich auch in den Bereich der klassischen Medien, wie z. B. Out of Home ausweitet, hat jüngst Googles Erweiterung der hauseigenen Marketing-Plattform Display & Video 360 durch digitales OOH gezeigt. Die Bündelung verschiedener Medien in einer Plattform bietet so eine noch gezieltere Aussteuerung und am Ende eine noch holistischere Analyse der Gesamtkampagne.

Die Stecknadel und der Heuhaufen

Aber nicht nur für Unternehmen und Produkte ist eine solche Mediastrategie und eine ausbalancierte, hypergezielte Ausspielung von personalisierter Werbung relevant. Auch Parteien und Ministerien bedienen sich des sogenannten Micro-Targetings und visieren mit Kampagne ganz bewusst Kleinstzielgruppen an.

Dass das auch mal übers Ziel hinausschießt, zeigen die Target Leaks, eine Recherche um Jan Böhmerman im Rahmen der Bundestagswahl 2021. Aufgedeckt wurde, dass die Ausspielung von Werbeanzeigen über Facebook hypergezielt möglich ist, auch im Rahmen von Wahlwerbung. So hat z. B. die FDP Menschen mit „grünem“ Interesse Werbung gezeigt, wonach sie sich als Partei für mehr Klimaschutz und nach der Wahl für ein CO₂-Limit einsetzt. Einer anderen Zielgruppe, den Vielfliegern, wurde Werbung angezeigt, die verspricht, dass es „keine staatlichen Maßnahmen, Verbote oder Freiheitsbeschränkungen“ durch die FDP geben wird.

Aufgabe der Werbeplattformen ist es nicht nur, den Zugang zur Zielgruppe zu ermöglichen, sondern auch die Inhalte der Werbung zu überprüfen. Dass es hier noch Verbesserungspotenzial gibt, ist offensichtlich. Ein erster Schritt in die richtige Richtung ist aber gemacht: Facebook hat im Rahmen von weniger Diskriminierung in der Gesellschaft, die Möglichkeit, das Alter der Zielgruppe einzugrenzen, kürzlich entfernt. Wir sagen: weiter so! Soziale Medien sind für uns Werbetreibende eine wichtige Plattform aus all den oben genannten Gründen. Aber natürlich müssen die Plattformen auch glaubwürdig bleiben, damit wir sie unseren Kund*innen besten Gewissens als Medium empfehlen können.

Fazit

Auch, wenn sich die Möglichkeiten von Messbarkeit und gezielterer Aussteuerung von Kampagnen durch die Digitalisierung potenziert, sollte man nicht das Individuum, dessen Interesse man wecken möchte, hinter all den Daten vergessen. Eine emotionale Werbebotschaft, ein sympathischer Markenauftritt, ein sinnliches Kauferlebnis hinterlassen bei Konsument*innen eine positive Erinnerung und führen dazu, dass durch modernes Storytelling mit dem Kauf die Liebesbeziehung zwischen Konsument*innen und Marke erst beginnt.

Quellen:

sinus-institut.de

usability.de

wirtschaftswissen.de

onlinemarketing.de

wuv.de

targetleaks.de

marketing-boerse.de

Laura ist Beraterin für klassische und digitale Kommunikation. Und auch wenn man es ihr nicht ansieht: Laura ist ein alter Hase in der Werbebranche. Die Gute ist ordentlich rumgekommen – und hat schon fast überall gelebt und gearbeitet. Nach Stationen in Bremen, Berlin, Brooklyn und Brüssel ist die Beratung in der besten Agentur Schleswig-Holsteins allerdings nur der nächstlogische Schritt gewesen, oder? Großartig jedenfalls, dass sie bei uns endlich eine Heimat gefunden hat, die Laura.

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