Soziale Tiere

Hundebesitzer kennen es. Man will den Hund zu einem bestimmten Verhalten bewegen. Sitz, Platz, bleib etc. Gerade am Anfang weiß der Hund mit diesen Befehlen allerdings wenig anzufangen. Also erziehen wir ihn. Setzt er sich, zeigen wir sofort die gewünschte Geste und benennen das Kommando. Auf beides soll er künftig reagieren. Es folgt die Belohnung. Durch Worte, Streicheleinheiten oder Leckerli. Verhält sich der Hund nicht wie gewünscht, erfolgt die Sanktionierung – aber nicht durch Worte. Wir ignorieren ihn, meiden Blickkontakt. Das ist für Hunde das Schlimmste. Schließlich wollen sie gefallen. Sie wollen Aufmerksamkeit. Zuwendung.

Eigentlich wie wir Menschen auch. Darum ist das Konzept des Social Rewarding eigentlich kein neues. Es nimmt lediglich ein anderes Ausmaß an und wird für andere Zwecke verwendet. Wenn man es sich schönreden will, könnte man sagen, dass man es ja nur zum Wohle des Menschen tut. Schließlich geht die Erziehung in eine Richtung, die gut für ihn ist. Wer das bestimmt? Wer sagt, was richtig oder falsch ist? Das können ganz unterschiedliche Personen oder Institutionen, ja sogar Regierungen sein.

Woohooo – Belohnungen! Oder doch nicht?

Social und Rewarding. Soziale Belohnung. Hört sich ja zunächst nicht schlecht an. Zwei Worte, die wir Menschen positiv bewerten. Immerhin sind wir soziale Wesen, es geht also um uns. Und Belohnung? Das kann ja nichts Schlechtes sein. Oder? Menschen, die sich öfter mit Sprache auseinandersetzen, werden aber hellhörig. Zu bekannt sind diese Euphemismen. So stark ist die Ähnlichkeit zu Begriffen wie Umstrukturierungen (Entlassungen), alternative Verhörmethoden (Folter) oder gar Verbraucher-Informationen (Werbung).

Wie bei diesen Begriffen zeigt sich auch bei Social Rewarding, dass man zumindest einmal hinterfragen sollte, wer was oder wen belohnt.

Teile unsere Werbung und du bekommst ein Leckerli

„Du willst gewinnen? Dann like unsere Seite. Kommentiere mit dem Namen deines besten Freundes. Und teile diesen Beitrag.“ Das ist Alltag in sozialen Netzwerken. Und zwar nach wie vor mit einer regen Beteiligung. Wir alle wollen gewinnen, uns eine Belohnung abholen. Was sind da schon ein paar Klicks?

In einer perfekten Welt konsumieren Nutzer jegliche Werbung natürlich auch ohne Anreize und Aussicht auf Belohnung. In dieser Welt leben wir aber nicht. Nutzer sind jedoch bereit, sich relevanten Content anzusehen, auch in Form von Werbung. Wird dieser mit der Aussicht auf eine Belohnung kombiniert, steht dem Erfolg der Werbung nicht mehr viel im Wege.

Auch in Apps nimmt diese Art der Werbung zu. Besonders gut funktionieren dabei Videos. Die Nutzer bekommen eine Belohnung. Das können Gratis-Streams oder mehr Matches in Dating-Apps sein. Oder der Zugang zu Paywall-Inhalten oder zusätzlichen Leben oder Punkten innerhalb eines Spiels.

Das hat Erfolg. Beinahe 100 % der Nutzer schauen die Videos bis zum Ende an. Das lassen sich auch Unternehmen wie McDonald’s, Honda oder T-Mobile nicht zweimal sagen. Sie platzieren Rewarded Ads. Das gefällt auch den Nutzern. Umfragen ergaben, dass sie diese Art der Werbung gegenüber Pre-rolls und anderen Formaten vorziehen.

Wir wollen nur dein Bestes

Aber auch jenseits der reinen Werbung spielt das Thema Social Rewarding in Deutschland eine zunehmend große Rolle. Angefangen beim Fitnesstracker. Wer sich ausreichend bewegt und das belegen kann, wird von seiner Krankenkasse in Form von Boni belohnt. Klingt harmlos, ist es weitestgehend auch. Jedenfalls so lange, bis die Menschen, die dabei nicht mitmachen und ihre Daten nicht weitergeben, sanktioniert werden.

„Führe ein gesundes Leben, wir wollen nur dein Bestes!“ Diesen Ansatz bezeichneten Richard H. Thaler und Cass R. Sunstein im Jahr 2008 als libertaren Paternalismus. Der Begriff ist an sich ein Oxymoron. Aber er beschreibt, dass der Meinung dieser beiden Forscher zufolge „private Institutionen, Behörden und Regierungen bewusst versuchen [sollen], die Entscheidungen der Menschen so zu lenken, dass sie hinterher besser dastehen.“

Ein Schubs in die richtige Richtung

Aus dieser Ansicht geht eine weitere Maßnahme hervor, die dem Social Rewarding sehr ähnlich ist: das Nudging (anstoßen, anstubsen). Thaler und Sunstein verstehen darunter „alle Maßnahmen, mit denen Entscheidungsarchitekten das Verhalten von Menschen in vorhersagbarer Weise verändern können, ohne [dabei] irgendwelche Optionen auszuschließen oder wirtschaftliche Anreize stark zu verändern. Ein Nudge muss zugleich leicht und ohne großen Aufwand zu umgehen sein [und] ist nur ein Anstoß, keine Anordnung.“

Beispiele finden sich zahlreiche. Die Raucher kennen die Schockbilder auf Zigarettenpackungen. Auch Energieeffizienz-Aufkleber, Gebäude mit wenig Fahrstühlen und Bodenschwellen auf der Fahrbahn schubsen uns in die richtige Richtung. Das Buch von Thaler und Sunstein heißt passenderweise auch „Nudge. Improving Decisions About Health, Wealth, and Happiness“.

China belohnt das Volk

Nur das Beste will man auch in China für das Volk. Daher plant man dort, bis zum Jahr 2020 ein soziales Kreditsystem zu implementieren. Für gutes Verhalten gibt es Bonuspunkte. Je mehr Punkte man sammelt, desto besser.

Die Punkte werden aufgrund von Daten berechnet, denn die App hat Zugriff auf unterschiedliche Datenbanken. So zahlen eine hohe Kreditwürdigkeit, keine Einträge im Strafregister und das soziale und politische Verhalten auf dieses Punktesystem ein. Kauft jemand online Windeln, so erhält er Punkte. Eltern tun schließlich etwas für die Gesellschaft. Spielt man unentwegt Videospiele, gibt es Punktabzug. Denn Gamer gelten als faul. Umgibt man sich zu oft mit Menschen mit geringem Punktestand, sinkt die Anzahl der eigenen Punkte. Die Angst vor schlechtem Einfluss ist groß.

Man spricht in China von einem Sozialkreditsystem. Das Ziel der Regierung: Die Bürger sollen so zu mehr Aufrichtigkeit und einem sozialeren Verhalten erzogen werden. Argument: Man überwacht nicht die Bürger, sondern den Staat.

Doch was passiert mit den Bürgern, die weniger Punkte auf ihrem Konto haben? Wie entsteht der eigentliche Anreiz für sie? Ihnen werden unterschiedlichste Dinge verwehrt. Oder anders formuliert: Menschen mit Punkten dürfen reisen. Sie erhalten Kredite. Sie können bessere Schulen besuchen. Die anderen nicht.

Was ist mit uns?

In Deutschland wäre so etwas undenkbar, könnte man meinen. Und dann denkt man an die Schufa und deren Kredit-Scoring. Das private Unternehmen gibt Auskunft über unsere Kreditwürdigkeit. Ohne entsprechende Schufa-Auskunft kommt man oft nicht weit.

Wie die Schufa genau ihre Daten berechnet, ist schwer zu sagen. Denn je nach Zweck der Anfrage werden diese anders berechnet. Aber auch die Anzahl von Bankkonten und ein Wohnungswechsel spielen in das Scoring hinein.

Tatsächlich wirkte sich sogar bis 2001 das Einholen einer Eigenauskunft negativ auf das Scoring aus. 2014 wies der Bundesgerichtshof die Klage einer Frau ab, die wissen wollte, wie die Schufa ihre negative Kreditauskunft berechnet hatte. Begründung: Die genaue Berechnung des Scorings ist ein „schützenwertes Geschäftsgeheimnis“ der Schufa.

Fazit

Das Thema Social Rewarding bleibt spannend – ganz besonders in Hinblick auf China. Die Auslegungen des Begriffes sind so vielfältig wie die Möglichkeiten, die es bietet. Und nicht alle Resultate sind zwangsläufig im Sinne von Otto Normalverbraucher. Niemand lässt sich gerne manipulieren, auch wenn es zu seinem Wohl ist.

Wir finden: ein Trend, den man definitiv im Auge behalten sollte. Und im Hinterkopf. Denn wer weiß, ob unsere Entscheidungen nicht doch irgendwie gerade beeinflusst wurden.

Quellen:

youtube.com

digital-hub-vienna.at

adzine.de/app-publisher-vertrauen-auf-rewarded videos

adzine.de/rewarded-video-ads

mediapost.com

mmaglobal.com

handelsblatt.com

schufa.de

vzhh.de

Richard H. Thaler & Cass R. Sunstein, Nudge. Improving decisions about health, wealth and happiness, Penguin Books, London. 2009.

Jana sorgt als ausgebildete Social-Media-Managerin und Expertin für Public Relations und Newsletter-Marketing bei New Communication dafür, dass ihre Kunden im Rampenlicht stehen. Als Fachfrau für Krisenkommunikation, Influencer Relations und Investor-Relations trifft sie immer den richtigen Ton. Kein Wunder, dass die studierte Anglistin und Skandinavistin privat dem medialen Getöse gern mal den Rücken kehrt und in Norwegen Schnee- statt Shitstorms die Stirn bietet.

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