Denken Sie bei Service-Design sofort an Grand-Hotels oder Sterne-Gastronomie? Denken Sie weiter. Auch in unserem Alltag sind wir von zahllosen Services umgeben: Formulare ausfüllen, eine Information suchen, Dinge versuchen zu erledigen, von denen wir nicht wissen, wie sie offiziell genannt werden. Oder ob es sie überhaupt gibt. Allerdings nehmen wir Services erst als solche wahr, wenn entweder etwas schiefläuft. Oder herausragend gut funktioniert. An der Shopkasse können Sie mit Ihrer neuen exotischen Finanz-App bezahlen: Begeisterung. Ist im Supermarkt hingegen nur Barzahlung möglich: Frustration. Weil Sie wahrscheinlich weder Scheine noch Münzen dabeihaben und wenn, dann nicht in der gewünschten Fülle. Alle Erfahrungen zahlen auf das User Experience- (UX) bzw. Customer Experience (CX) -Konto des Dienstes, der Marke oder des Unternehmens ein. Service-Design hilft, die Erfahrungen Ihrer Kund*innen und Nutzer*innen zu steuern, zu verbessern und gleichzeitig effizienter mit Ihren eigenen Ressourcen umzugehen.

Was ist Service?

Service hat wenig mit Dienen und nichts mit Unterwürfigkeit zu tun – eher mit einem grundlegenden Interesse daran, etwas reibungslos und zu aller Zufriedenheit vollständig zu erledigen.
Ein Service kann ein simpler Vorgang sein, wie der Kauf eines Brötchens auf dem Wochenmarkt – „Darf’s dann noch etwas sein?“. Aber auch ein komplexer, vielstufiger Prozess, wie der Erwerb eines Hauses über eine*n Makler*in. Dabei können auch weitere Akteur*innen beteiligt sein. In unserem Beispiel mit dem Hauskauf sind das Vorbesitzer*in, Gutachter*in, Notar*in und das Finanzamt. Ein Service verbindet Nutzer*innen mit ihrem Ziel, unabhängig davon, wie klein oder groß dies sein mag. Das können selbstgestellte Aufgaben und Ziele, verordnete Pflichten oder die Wahrnehmung ihrer Rechte sein. Analog oder digital, formalisiert oder persönlich. Allen Services gemeinsam ist, dass sie Ihnen helfen (sollten), etwas zu erledigen.

A service is something that helps someone to do something.

Louise Downe

Service ist dann schlecht, wenn er nicht hilft, eine Information zu erhalten. Wenn das Anliegen im jeweiligen Verantwortungsbereich nicht gelöst wird, wenn das Ziel kaum erreicht und auch keine Perspektiven aufgezeigt werden: „Tja, da kann man nix machen“. Nutzererwartungen werden nicht oder falsch eingeschätzt, deren Interessen konsequent missachtet und bisherige Erfahrungen ignoriert. Das führt auf der Nutzerseite in Sackgassen, zu enttäuschten Erwartungen, zu Frustration, Abneigung und je nach Temperament vielleicht auch zu Wut.

Was ist guter Service?

Guter Service ist empathisch, barrierearm und vorbereitet. Er nützt Kund*innen, weil ihre Ziele erreicht wurden. Ihrem Unternehmen nützt er, weil dies effizient möglich ist. Und im Idealfall nützt er der Gesellschaft als Ganzes, weil keine Ressourcen verschwendet wurden.

„Tja, da kann man nix machen.“

Guter Service nimmt konsequent eine Nutzerperspektive ein. Denn hier gilt: Was Sie denken, was Nutzer*innen brauchen ist nicht das, was Nutzer*innen denken, was sie brauchen. Das ist insbesondere bei Zielgruppen von Laien und Gelegenheitsnutzer*innen zu beachten: vermeiden Sie zum Beispiel Fachbegriffe, die ausschließlich in der Kommunikation mit Experten effizient sind. Am Ende des Service zählt auch das Gefühl, wie ernsthaft an der Erreichung des Ziels mitgewirkt wurde.

„Dafür bin ich nicht zuständig.“

Guter Service verbindet Nutzer*innen und ihre Ziele auf möglichst barrierearme Weise. Das ist umso bedeutender, je mehr Akteur*innen involviert und je mehr Schnittstellen im Gesamtservice überbrückt werden müssen. Seien Sie informiert darüber, woher ihre Kund*innen kommen und was als nächstes geschehen muss, kann oder sollte. Bilden Sie mindestens eine leicht zugängliche Rampe von vorbereitenden zu nachfolgenden Prozessschritten, wenn Sie keinen Einfluss auf den Gesamtprozess haben.

„Oh, hier will jemand was.“

Service-Design hinterfragt dafür bisherige Handlungs- und Prozessmuster, analysiert Nutzerinteressen, antizipiert proaktiv mögliche Optionen und hält entsprechende Handlungsalternativen parat. Storyboards, Interviews, Touchpoint-Analyse, Persona-Methode und Beobachtungsstudien helfen Ihnen bei der Entwicklung guter User Experiences. Denn: Service passiert – guter Service ist designt.

Es selbst besser machen: ein paar Service-Design Prinzipien

In Großbritannien wurden einer Hochrechnung zufolge 60% der öffentlichen Verwaltungskosten auf die Bearbeitung von Service-Fehlern zurückgeführt. Anlass für Louise Downe, frühere Design-Direktorin in der britischen Zentralverwaltung, genauer hinzuschauen und ein paar Service-Design-Prinzipien aufzustellen:

1. Einfach zu finden

Verwenden Sie Begriffe, die durchschnittliche Nutzer*innen suchen würden – also „Führerschein“ statt „Fahrerlaubnis“. Nutzen Sie Verben für Laien „Personalausweis verlängern“, Nomen für Experten „Personenstandsregister“.

2. Leicht zu verstehen

Erläutern Sie, was der Service genau macht – und was nicht (siehe nächstes Prinzip).

3. Erwartungen klären

Welche Voraussetzungen oder Bedingungen gibt es? Was müssen  Nutzer*innen vorbereiten oder mitbringen? Wie lange dauert das, was kostet es? Was steht am Ende des Services?

4. So wenig Schritte wie möglich

Machen Sie den Service so überschaubar wie möglich.

5. Transparente Ergebnisse

Erklären Sie nachvollziehbar, warum und wie ein Ergebnis zustande gekommen ist. Insbesondere, wenn dies für Nutzer*innen eine negative Erfahrung ist.

Shikake – zu erwünschtem Verhalten anregen

Weil Japaner*innen ausgesprochen höfliche Menschen sind, wird problematisches oder unerwünschtes Verhalten nicht sanktioniert oder verboten. Attraktivere Handlungsalternativen überzeugen Nutzer*innen von einer erwünschten, für sie neuen Verhaltensweise – Shikake genannt. Machen Sie sich dieses Prinzip zunutze. Stellen Sie Kundenverhalten und ihre bisherigen Services auf den Prüfstand: Welche attraktiven Alternativen oder Vorteile können Sie mit einem gut konzipierten Service anbieten? Transparenz, Schnelligkeit, Unabhängigkeit von Öffnungszeiten, Feedback, Expertenmodus?

Durchdachtes Service-Design hilft Nutzer*innen, Kund*innen und Noch-nicht-Kund*innen beim Erreichen ihrer Ziele. Das führt zu guter User- bzw. Customer-Experience und wirkt sich so schließlich positiv auf Ihr Marken- oder Unternehmens-Image aus. Gutes Service-Design schlägt sich auch in Zahlen nieder: Digitale Services sind nahezu beliebig skalierbar. Effiziente Prozesse sind zielführender, verringern den Aufwand für Fehlerbehandlungen und weitere Support-Level und sind damit insgesamt ressourcenschonender. Kund*innen und Nutzer*innen werden es Ihnen danken.

Quellen

  • Birgit Mager, Michael Gais „Service Design“

  • Lou Downe „Good Services“

  • Good Services

  • Naohiro Matsumura „Shikake: the japanese art of shaping behavior through design“

Lutz ist Creative Director und Innovationsmanager bei New Communication. Seit Agentur-Gründung sorgt er für öffentliches Aufsehen mit wegweisenden Designs und Interfaces. Nebenbei lebt er seine Typographie-Leidenschaft aus. Definiert Corporate Designs. Leitet Kreativ-und Innovationsworkshops. Ist mehrfacher Fachbuch-Autor. Und generiert systematisch Ideen im Sekundentakt. Während Sie diesen Text lesen, waren es übrigens 15 neue.

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