„Lügenpresse“ ist glücklicherweise nicht mehr das Wort des Tages. Dennoch sind die Nachwirkungen der Debatte um das Vertrauen in Medien noch spürbar und werden uns noch lange beschäftigen. Hinzu kommt, dass das Rezo-Video weiteren Diskussionsstoff zu einer wichtigen Frage geliefert hat: Wem und welchem Medium kann man eigentlich sein Vertrauen schenken? Die Gesellschaft ist polarisiert wie nie zuvor. Und noch mehr: Vertrauensverlust ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen. Trotzdem, oder vielleicht deswegen, spricht vieles dafür, bei der Kommunikation auf Printmedien zu setzen.

Mit Vertrauensverlust haben dieser Tage nicht nur Medien zu kämpfen. In allen Bereichen des Lebens ist Vertrauen ein erodierendes Gut. Donald Trump, Wahlmanipulation, Fake News, Trollfabriken, Abgasskandale, Relotius: Die Liste der Stichworte, die für Vertrauensverlust stehen und die sowohl Politik, Gesellschaft, Wirtschaft sowie digitale, soziale und Print-Medien betreffen, ließe sich verlängern. Menschen fällt es unter diesen Umständen generell zunehmend schwerer, zu vertrauen.

Der Orientierungsbedarf ist hoch

Dass hier ein Bedarf an Orientierung und sogar ein Markt besteht, zeigt ein US-amerikanisches Start-up. NewsGuard ist kurz vor der Europawahl in Deutschland an den Start gegangen. Das Medien-Start-up versteht sich als Anti-Fake-News-Tool. Es bewertet Nachrichtenseiten und hat sich damit das Ziel gesetzt, Medienkompetenz zu fördern. Dabei sollen in den Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist, 90 Prozent der Nachrichtenseiten geprüft und mit Mediensteckbriefen gekennzeichnet werden.

Bis Ende Juni will das Unternehmen diese Zielmarke auch in Deutschland erreicht haben, zum Start waren es 70 Prozent. Wie kann das gelingen? Mit intelligenten Programmen und lernenden Algorithmen? Nein. Das Start-up schwört auf gesunden Menschenverstand und journalistische Erfahrung und setzt damit auf ein einfaches Prinzip: Authentizität und das Vertrauen in Menschen, statt in Maschinen und Technologie, die nicht jedem Verständnis zugänglich ist.

„Wir setzen die menschliche Intelligenz unserer Analysten auf genau das Problem an, das die künstliche Intelligenz des Silicon Valley nicht zu lösen vermochte – das Problem von Fehlinformation und Desinformation im Internet, die das Vertrauen in Medien beschädigt und Bedenken zur Integrität von Wahlen laut werden lässt“, sagte Steven Brill, amerikanischer Journalist und einer der beiden CEOs von NewsGuard.

Die Nachrichtenseiten werden dabei nach unterschiedlichen Qualitätskriterien bewertet. Dazu gehören die deutliche Unterscheidung von Nachricht und Meinung, die Vermeidung von irreführenden Headlines, Kennzeichnung von Werbung, schnelle Richtigstellung von Fehlern und die transparente Darlegung der Finanzierung und der Eigentumsverhältnisse des jeweiligen Nachrichtenanbieters.

Geprüft wird alle drei Monate, gegebenenfalls auch häufiger. Nutzer finden die Bewertungen über ein Browser-Plugin, das für die gängigen Browser zur Verfügung steht. Dieses Modell muss sich zwar noch bewähren, aber es hat Potenzial das generelle Vertrauen in journalistische Medien zu stärken.

Die neuen Medienmacher

Rezo hat den großen Volksparteien mit einem einzigen Video kurz vor der desaströsen Europawahl etwas sehr Wichtiges gezeigt. Nämlich, dass sie mit ihrer Politik an wichtigen Teilen der Gesellschaft jahrelang vorbeigelaufen sind, und dass sie immer noch nicht verstanden haben, wie „das Internet“ funktioniert. Vermutlich ist bei den Volksparteien bis heute noch nicht gänzlich durchgedrungen, dass „Zerstörung“ nicht die sprichwörtliche Zerschlagung einer Partei bedeutet. Was hat das mit den Medien zu tun?

Gesellschaftliche Akteure führten mit den Medien lange Zeit eine unzertrennliche Symbiose. Die eine Seite produziert Informationen, die die andere aufbereitet und möglichst verständlich der Öffentlichkeit erklärt. Doch die Rolle der Medien als Informationsvermittler und Meinungsbildner ist längst nicht mehr so gefestigt, wie es manch einer glauben möchte. Trump hat gezeigt: Ein Präsident braucht keine Journalisten, um mit der Welt zu kommunizieren.

Rezo hat gezeigt: Eine ganze Generation braucht keine professionellen Politikerklärer, denn die neuen Medienmacher dieser Generation sitzen nicht mehr in den Verlagshäusern, sondern sind auf youtube und Instagram zu finden. Sie gehen nicht online. Sie leben online. Sätze wie „Hey Rezo, du alter Politikzerstörer“ lassen da selbst die jüngsten innerhalb der Volksparteien sehr sehr alt aussehen. Daraus können auch die Medien lernen, nämlich, wie Kommunikation bei den jüngeren Altersgruppen funktioniert.

Das Ende der Printmedien zu prophezeien ist da nur naheliegend. Es ist nicht allzu lange her, dass Karl-Heinz Ruch, taz-Geschäftsführer, sagte, das Zeitalter der gedruckten Zeitung sei zu Ende und der Journalismus lebe im Netz weiter. Angesichts sinkender Auflagenzahlen mag das nur konsequent erscheinen. Ist aber nur die eine Seite der Medaille. Denn das Vertrauen in Printmedien liegt weit vor dem Vertrauen in soziale Medien.

Vertrauen in Printmedien

Die schlechte Nachricht zuerst: Das Misstrauen in Medien im Allgemeinen wächst. Laut einer PwC-Studie vertrauen drei von vier Deutschen zwar in Medien, jedoch hat jeder Dritte Vertrauen verloren. Den größten Vertrauensverslust verzeichnen dabei die sozialen Medien, allen voran Facebook und Twitter, in die 39 bzw. 31 Prozent der Befragten Vertrauen verloren haben. Der Grund: Es fehlen Kontrollmechanismen, die die Verbreitung von Hass- und Falschmeldungen verhindern, sowie Datenmissbrauchsskandale.

Das größte Vertrauen genießen allerdings nach wie vor die öffentlich-rechtlichen Sender (74 Prozent), sowie überregionale Tages- und Wochenzeitungen, die genau wie die Online-Nachrichtenseiten bei 68 Prozent liegen. Sie sind auch die wichtigste Informationsquelle bei den Social Media-Nutzern.

Die psychologische Wirkung von Print

Die Menschheitsgeschichte besteht zu einem großen Teil aus Jagen, Sammeln, Kämpfen, Gemüse anbauen und Vieh züchten. Und nur zu einem verschwindend geringen Teil aus der Nutzung digitaler Medien. Unser Gehirn versteht, dass physisch greifbare Dinge einen Wert haben – Bilder und Zahlen auf Bildschirmen hingegen sind evolutionsgeschichtlich viel zu abstrakt. Die Evolution, die mit der Entwicklung neuer Technologien nicht Schritt halten kann, ist einer der Gründe, weshalb Print noch lange nicht tot ist.

Das bestätigt auch die Creatura-Metaanalyse „The Power of Print“, die Ergebnisse von über 300 Studien über die Werbewirkung von Print untersucht und zusammengefasst hat. „Trotz Digital-Euphorie, der manch Marketer verfallen ist, erleben wir derzeit eine Renaissance des Analogen. Offline liegt wieder voll im Trend“, heißt es darin. Sie kommt unter anderem zu dem Schluss, dass Menschen sich länger an Inhalte erinnern können, wenn sie sie in gedruckter Form, statt am Bildschirm gesehen haben. Gerüche tragen stark zur Wiedererkennung von Produkten bei. Aus den Studienergebnissen geht zudem hervor, dass vor allem hochwertige Papiere das Vertrauen in Marken steigern können. Die Teilnehmer einer der analysierten Studien bewerteten beispielsweise einen Turnschuh hochwertiger, wenn er auf einem Papier mit rauer Oberfläche beworben wurde als mit einer glatten Oberfläche.

Ausblick: Print wird nachhaltig

Printprodukte stehen etwas gegenüber, das viel mehr als ein Trend ist. Es ist ein Wertewandel hin zu weniger Wegwerfartikeln und nachhaltiger ressourcenschonender Produktion. Gedrucktes wird deshalb nicht verschwinden, sondern wird (und muss) wertiger werden. Die Prospektpacken, die ungelesen in der blauen Tonne landen, verlieren an Bedeutung. Ein interessantes Beispiel sind Kundenmagazine. Die Auflagenhöhen sind konstant, die Inhalte werden zunehmend magaziniger. Doch das wichtigste dabei: Der Content bietet echten Nutzwert für die Zielgruppe, statt mit Produktangeboten und Preissenkungen zu werben. Und ist dabei völlig kostenlos. Damit werden Kundenmagazine eine ernstzunehmende Konkurrenz für Publikumsmedien.

Nachhaltig werden die Printprodukte auch hinsichtlich der Kundenbindung. Zalando oder Airbnb, die als reine Online-Player an den Start gegangen sind, geben gedruckte Kundenmagazine heraus.

Während die InStyle Auflagen zwischen 200.000 und 300.000 verkauft, sind die Auflagen mancher Kundenmagazine, wie z.B. „Alverde“ von dm, im siebenstelligen Bereich. Und auch das Rewe-Magazin „deine Küche“ kann sich sehen lassen. Hier gibt es Rezepte, Deko- und Küchentipps oder Artikel zu Ernährungsthemen.

Wertvollere Inhalte und nachhaltig produziertes Papier mit Designs, die man sich am liebsten an die Wand hängen möchte, statt das Ganze nach dem Lesen wegzuwerfen, sind die Zukunft im Printbereich.

Bei Print und Online handelt es sich jedoch nicht um ein Gegensätzeduo. Vielmehr sollte das beste aus beiden Welten die Marketingstrategie bilden, um genau die richtigen Botschaften in den richtigen Medien und an den richtigen Orten zu platzieren. Um die zu erreichen, deren Interessen die Botschaften und Inhalte entsprechen.

Wir erleben eine Vertrauenskrise, die nicht nur die Medien betrifft. Aber wir können auch dazu beitragen, dass Vertrauen wieder wachsen kann. Durch authentische und wertvolle Inhalte. Durch hochwertige und nachhaltige Produkte und Publikationen. Durch transparente Arbeitsprozesse. Vor allem aber durch das, worauf auch die Gründer von NewsGuard setzten: Intelligenz und gesunden Menschenverstand.

Quellen:

meedia.de

newsguardtech.com 

zeit.de 

pwc.de 

wuv.de

creatura.de

Nelly ist Expertin für Corporate Language, Publikationen und Public Relations bei New Communication. Außerdem ist die ausgebildete Journalistin Pressesprecherin der Agentur. Theoretisch könnte Nelly ihre Pressekonferenzen auch auf Englisch, Russisch oder Spanisch halten. Spricht sie nämlich alles. Theoretisch könnte sie dabei auch singen und tanzen. Kann sie nämlich auch. Natürlich wäre das albern. Aber wir wollten einfach nur mal kurz damit angeben, wie toll unsere Nelly ist.

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