Regenbogen-Flaggen auf Turnschuhen. Schwarze Quadrate auf Instagram. Gender-Sternchen in jedem Beitrag: Immer mehr Unternehmen greifen sozialpolitische Themen in ihrer Kommunikation auf. Ihr Ziel: Das Image aufpolieren und umweltbewusste, sozial engagierte Zielgruppen für sich gewinnen. Doch wenn auf Worte keine Taten folgen, ist das Vertrauen der Konsument*innen schnell verspielt und der Shitstorm im Anflug. Denn insbesondere jüngere Zielgruppen halten Augen und Ohren offen. Sie werden selbst aktiv, indem sie Ungerechtigkeiten öffentlich anprangern. Die Gesellschaft entwickelt sich zur „Woke Culture“.

Ausdruck der Aufgewachten

„Woke“ ist die Vergangenheitsform des englischen Verbs „to wake“, was „aufwachen“ oder „wecken“ bedeutet. Der Begriff hat sich im Zuge der „Black Lives Matter“-Bewegung in der breiten Masse etabliert und steht für das Bewusstsein gegenüber sozialer Ungerechtigkeit. Wach sein im Kopf. Unrecht erkennen. Die Vielfalt der Gesellschaft und fehlende Chancengleichheit stehen zunehmend im Fokus. Seien es Frauen, die gegen den Gender Pay Gap und für mehr Selbstbestimmung kämpfen, People of Colour, die sich gegen Diskriminierung und Rassismus einsetzen oder die LGBTQIA+ Community, die Formen von Stereotypisierung öffentlich macht und eine offene Kommunikation fordert. Sie alle verändern die Sicht auf Diversität und ebnen den Weg für eine langfristige Entwicklung zur „Woke Culture“.

Produkte und Services sollen niemanden mehr ausgrenzen. Inklusive Designkonzepte sollen unterschiedliche Bedürfnisse von Anfang an berücksichtigen und so gesellschaftliche Teilhabe fördern. Missstände sollen öffentlich gemacht und verändert werden. Soziale Medien bieten marginalisierten Gruppen dabei das Sprachrohr und die Reichweite, um sozialpolitischen Themen Gehör zu verschaffen. Sie sind die Plattform für Aktivismus.

Werte als relevanter Konsumfaktor

Der gesellschaftliche Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen setzen Unternehmen unter Druck. Denn Menschen kaufen zunehmend bei Unternehmen, deren Ansichten und Einstellungen mit den eigenen Werten übereinstimmen. 2013 fanden noch 44 %, dass Unternehmen sich für sozialpolitische Themen einsetzen sollten. Laut dem Report der Global Strategy Group waren es fünf Jahre später bereits über 80 %, Tendenz steigend. Menschen erwarten, dass Marken ihren Einfluss nutzen: 72 % gehen davon aus, dass Unternehmen die Kompetenz und Möglichkeiten besitzen, um Lösungen für globale und gesellschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Und dazu beitragen können, Missstände zu beseitigen. Damit werden Werte und Haltung zum zentralen Aspekt der Unternehmenskommunikation.

Viel Gerede, nichts dahinter

Zahlreiche Unternehmen machen Feminismus, Antirassismus oder die Queer-Bewegung bereits zum Thema ihrer Kampagnen. Empowerment ist die Botschaft. Wenn Worte und Taten nicht zusammenpassen, kann der Schuss allerdings nach hinten losgehen. Nike propagierte in einer Kampagne Feminismus und setzte dazu Aufnahmen berühmter Sportlerinnen in Szene. Die Stimme der Tennisspielerin Serena Williams begleitete den Werbespot mit folgenden Worten: „Wenn wir Emotionen zeigen, nennen sie uns dramatisch, wenn wir von Gleichberechtigung träumen, sind wir wahnwitzig und wenn wir zu gut sind, dann stimmt etwas nicht mit uns.“ Was als profeministische Kampfansage an den Start ging, endete in diversen Boykottaufrufen und einem massiven Glaubwürdigkeitsproblem. Denn kurze Zeit später machte die von Nike gesponserte Läuferin Alysia Montaño öffentlich, dass ihr das Unternehmen den Mutterschaftsurlaub nicht bezahlen wollte. Angelehnt an Green Washing spricht man hier von Woke Washing: Unternehmen oder Institutionen kommunizieren ihre Unterstützung für ein gesellschaftlich relevantes Thema, aber setzen sich nicht wirklich für dieses ein. Es braucht eben mehr als Gender-Sternchen, um fortschrittlich zu wirken. Viel wichtiger sind echtes Hinterfragen und die Veränderung der eigenen Geschäftspraktiken.

Dein Ernst?

#metoo oder ein Regenbogen-Profilbild im Pride-Month reichen nicht aus, um das eigene Image aufzupolieren und aus politischen Themen Kapital zu schlagen. Marken, die sich für soziale und politische Zwecke einsetzen, müssen ihre Haltung glaubwürdig kommunizieren. Dabei spielen der Zeitpunkt und die Häufigkeit der Kommunikation für ein vermeintlich (un)populäres Thema genauso eine Rolle, wie die internen und externen Maßnahmen, die diese Aussagen stützen. Wirbt das Unternehmen das ganze Jahr über für eine bestimmte Problematik oder nur zu einem gewissen Zeitpunkt? Widersprechen beworbene Aussagen und Werte den tatsächlichen Handlungen? Passt der Bezug zur Identität des Unternehmens? Das alles sind Fragen, die die (Online-)Community haargenau unter die Lupe nimmt.

Haltung heißt auch Aushalten

Die digitale Welt hat für mehr Transparenz gesorgt. Da fliegen Unternehmen wie Audi schnell auf, wenn sie zum Super Bowl mit dem Slogan „Audi of America is committed to equal pay for equal work“ antreten, aber User*innen in nur wenigen Klicks herausfinden können, dass bei Audi zu dem Zeitpunkt keine einzige Frau im Vorstand sitzt. Einer Positionierung müssen operative Konsequenzen folgen – oder besser noch vorangehen. Nur wer sich für den propagierten Standpunkt einsetzt und dem damit einhergehenden Diskurs stellt, ist und bleibt glaubwürdig. Dass so etwas funktioniert, beweisen z. B. fritz-kola und Otto: Beide Unternehmen haben sich öffentlich klar gegen rechte Randgruppen positioniert. Beide bekamen in sozialen Medien enormen Gegenwind von rechts. Und beide hielten standhaft aus.

Werte in Einklang bringen

Eine starke Haltung und sichtbare Bemühungen, etwas zu verändern, zahlen sich gleich mehrfach aus. Neue Kund*innen werden gewonnen, bestehende bleiben treu. Mitarbeiter*innen sind loyaler und Arbeitgeber*innen für potenzielle Fachkräfte attraktiver. Eine aufgewachte Gesellschaft stellt sich gegen jede Form von Ungerechtigkeit und fordert Transparenz und die Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse. Unternehmen sollten diese Entwicklung nicht verschlafen und sie als Chance begreifen. Als Chance, ihre Marke und die ihr zugrundeliegenden Werte ehrlich zu definieren, relevante Themen und Befindlichkeiten ihrer Zielgruppe zu identifizieren und miteinander in Einklang zu bringen. Zudem können sie strategische und kommunikative Maßnahmen konsequent daran ausrichten. Durch Haltung macht man sich verwundbar. Umso solider sollte das Fundament sein. Zeit aufzuwachen.

Quellen:

trendexplorer.com, Studie „Impact Brands“ – Brand Strategy Consultants, Studie „Call out culture: brands and politics collide in 2020“ (globalstrategygroup.com), gesundheitstrends.com, absatzwirtschaft.de

Mandy ist extrem flexibel. Kein Wunder – die studierte Online-Marketing-Fachwirtin hat 13 Jahre Kunstturn-Erfahrung. So wundert es nicht, dass sie den Spagat zwischen mehreren Experten-Rollen problemlos wuppt. Neben Unternehmenskommunikation und Personalmarketing ist Mandy bei New Communication auch für Marketing-Strategie und SEO-Projekte zuständig. Ganz nebenbei mischt sie noch im Management-Team mit. Sportlich, sportlich …

Tim ist Junior-Berater bei New Communication. Und liebt neue Herausforderungen. So sprach er bereits als Schüler im Europaparlament und verließ für uns nicht nur seine Heimatstadt Lübeck, sondern auch den Familienhund. Als Ersatz knuddelt Tim jetzt unsere Büro-Fellnasen.

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