Es geht ums Geschäft: Was ist LinkedIn?

Zugegeben: to link, sich verbinden – darum geht es auf den meisten Social-Media-Plattformen. Anders als bei Instagram und Co. soll bei LinkedIn jedoch das berufliche Leben im Fokus der Aufmerksamkeit stehen.

Ein Facebook für die eigene Karriere, wenn man so will. Mit allem, was dazu gehört: Profilseiten, Interaktion mit anderen User*innen, Unternehmen und Gruppen zum Verbinden und Folgen, einem endlosen Feed aus Posts und Werbung. Und auch die obligatorischen Likes, Kommentare und Messenger-Möglichkeiten sind mit von der Partie. Funktionen wie die großflächige Jobbörse oder das hauseigene Fortbildungs-Portal LinkedIn Learning zahlen zusätzlich auf die Agenda des Karriere-Networks ein. Vor zwei Jahren berichteten wir bereits einmal grundlegend über LinkedIn. Seitdem hat das Netzwerk jedoch einen weiteren Bedeutungs-Boost erhalten. Auch hierzulande.

Hype oder Heavyweight: LinkedIn in Zahlen

Im Falle von LinkedIn ist die Frage nach dem Wann ebenso relevant wie die Frage nach dem Was. Denn das Netzwerk wurde bereits vor mittlerweile 20 Jahren in Mountain View, Kalifornien gegründet. Eine Ewigkeit im Internetzeitalter. Ebenso bemerkenswert aus heutiger Sicht: An seiner Gründung waren teils dieselben Köpfe am Werk, die schon für den Start des Online-Bezahldienstes PayPal verantwortlich waren. Seit 2016 gehört LinkedIn zudem zur Konzernfamilie von Microsoft. LinkedIn ist 2022 also alles andere als ein hyperaktives Garagen-Startup, das hektisch seinen Platz am Tisch der Digital-Giganten sucht.

Das verdeutlicht nicht nur der Jahresumsatz von 10,2 Mrd. US-Dollar, der sich in den letzten vier Jahren mal eben verdoppelt hat, sondern auch die Zahl der Nutzer*innen. Weltweit sind nämlich bereits 810 Mio. User*innen bei LinkedIn angemeldet. Der Löwenanteil hiervon stammt aus den USA (185 Mio.), aber auch im deutschsprachigen Raum verfügen bereits 18 Mio. Menschen über einen Account bei LinkedIn. Trotz regionaler Konkurrenz durch Xing – aber dazu später mehr.

Noch signifikanter aus Unternehmenssicht (vor allem für jene, die bislang keinen gesteigerten Wert auf LinkedIn gelegt haben): das Ergebnis einer Erhebung aus dem letzten Jahr. Weltweit wurden Marketingverantwortliche zur Social-Media-Nutzung durch Unternehmen befragt. Hier landete LinkedIn bereits auf dem dritten Platz hinter Facebook und Instagram.

Aber was ist mit Xing?

Wir haben doch in Deutschland bereits ein Karrierenetzwerk. Also: LinkedIn oder Xing? Welches Netzwerk ist besser? Welches Karriereportal ist unsere Zeit eher wert? Ganz so einfach ist es dann leider doch nicht. Zumindest nicht, wenn es um eine längerfristige Prognose gehen soll. Denn die Unterschiede zwischen LinkedIn und seinem hiesigen Pendant Xing sind im Wandel begriffen.

Zum Beispiel in puncto UX. Hier zog Xing etwa erst im letzten Jahr nach und versucht nun – ebenso wie LinkedIn – den Userinnen-Fokus mehr und mehr in Richtung eines Feeds zu lenken, statt sich damit zu begnügen, ein Verzeichnis von Profilen und Gruppen zu sein. Besonders mobil sehen sich die beiden Business-Netzwerke damit ähnlicher denn je. Und doch ist es gerade die Charakteristik des digitalen Adressbuches, die den Charme von Xing (besonders in den Augen von Recruiter*innen) ausmacht.

David gegen Goliath: Ein Gruscheln aus der Vergangenheit

Mit ca. 20 Mio. Mitglieder im deutschsprachigen Internet ist Xing im Frühjahr 2022 natürlich ein Powerhouse. LinkedIn zählt – wie eingangs erwähnt – derzeit an die 18 Mio. Mitglieder in der DACH-Region (Statista, 04/22). Noch enger wird es, werfen wir einen Blick auf die Anteile der beiden Netzwerke an der Gesamtzahl der Internetnutzer*innen in Deutschland im vergangenen Jahr. Hier liegen Xing (14,7 %) und LinkedIn (14,6 %) noch einmal näher beieinander.

Davon abgesehen, dass 18 Mio. eine gewaltige Userinnen-Zahl ist, schwindet der Vorsprung Xings – und zuweilen fühlt man sich fast an die einstige deutsche Vormachtstellung des Netzwerks StudiVZ gegenüber Facebook erinnert. Auch StudiVZ verfügte im DACH-Raum seinerzeit über ca. 17 Mio. Userinnen. Für kurze Zeit schien das Social Network gegen Ende der Nullerjahre damit den weltweiten Siegeszug des Zuckerberg-Imperiums zumindest im deutschen Online-Markt zu stoppen. Allerdings nur vorübergehend. Heute sind Gruscheln und Gruppen mit witzigen Titeln nichts weiter als eine Anekdote der jüngeren deutschen Online-Geschichte und die VZ-Seiten längst abgeschaltet.

Was beide Szenarien darüber hinaus eint: der Unternehmens-Fokus. Denn wie einst die VZ-Netzwerke konzentriert sich die New Work SE, der Mutterkonzern hinter Xing und dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu, auf das deutschsprachige Internet. LinkedIn denkt und handelt global. Und global gesehen ist Xing nicht sonderlich bedeutend. Dass sich das ändert, ist in Anbetracht des Größenverhältnisses der beiden jetzt schon unwahrscheinlich.

Warum das langfristig auch hierzulande den Unterschied macht? Die Vergangenheit hat gezeigt, dass in weiten Teilen des Internets nationale Grenzen und Ländermärkte nur sehr bedingt eine Rolle spielen, wenn die User*innen-Zahlen wachsen. Beispiele gefällig? So gaben sich etwa am Markt etablierte deutsche Online-Sonderwege wie Alando, Wimdu oder DaWanda letztlich allesamt der internationalen Konkurrenz (hier: ebay, airbnb, Etsy) geschlagen. Das kann man romantisch als Ausdruck eines gefräßigen digitalen Suprakapitalismus betrachten oder als Ausdruck globalisierter Mehrheitsentscheide. Dennoch: Erfolgreiche nationale Sonderwege finden wir häufig eher dort, wo Autokraten durch Zensur die Expansion internationaler Konkurrenzprodukte blockieren. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Ob Xing eine solche Ausnahme ist, wird die Zukunft zeigen. Für den Moment lohnt es sich jedenfalls, auf beiden Netzwerken vertreten zu sein. Je nach Schwerpunkt können sich die Vorzüge nämlich unterscheiden. Spielen das Verzeichnishafte und die Übersichtlichkeit der Personenprofile sowie die Recruiting-Möglichkeiten Xing in die Karten, liegen LinkedIns Stärken eher im Bereich der Markenbildung.

Der Branding-Komplex: LinkedIns größter Trumpf

Ob als Person oder als Marke, für eine Präsenz auf LinkedIn spricht einiges. Aus der enormen User*innen-Anzahl ergibt sich eine ebenso große potenzielle Reichweite für Marketing oder Recruiting-Maßnahmen. Auch bietet LinkedIn die schon aus anderen Netzwerken bekannten Werbeformate. So lassen sich organische Beiträge durch ein Sponsoring entsprechend pushen. Aber auch reine Ads und Kampagnen können geschaltet werden. Diese werden dann in den Feeds der LinkedIn-User*innen ausgespielt.

Besonders interessant für Werbetreibende: Klarnamen, Wohnorte, Angaben zu Werdegang und Berufsgruppe. Auf LinkedIn werden im großen Stil authentische Daten eingepflegt. In einem Zukunftsszenario ohne Cookies und mit schwindenden Targetierungsmöglichkeiten vermutlich bald ein Goldschatz. Oder Datenschutz-Risiko. Je nach Perspektive.

In den vergangen – von Covid-19 geprägten – Jahren erlebten digitale Kanäle zu Geschäftskontakten mit dem Wegfallen vieler Präsenzmeetings, Messen und Geschäftsreisen einen immensen Bedeutungsschub. So auch LinkedIn, das speziell im B2B-Bereich sehr gute Vernetzungs- und Profilierungsmöglichkeiten bietet.

Und: Ein LinkedIn-Profil ist letztlich auch ein Google-Treffer unter eigener Kontrolle. Im beruflichen Kontext damit ein einfacher Fixpunkt, irgendwo zwischen Visitenkarte und eigener Website. Der jedoch wichtigste Faktor, warum LinkedIn so gut in die berufliche Lebensrealität des Jahres 2022 passt, sind die vielfältigen Brand-Building-Möglichkeiten des Business-Netzwerks.

Personal Branding

Gemeint sind die Vermarktung, Positionierung und Profilierung des Individuums – ob als Freelancer*in mit eigenen Dienstleistungen und Produkten oder als Arbeitnehmer*in. Das Ich wird zur Marke. Gezielt werden hierzu Fähigkeiten, Werte, Botschaften und auch Leistungen kommuniziert.

Corporate Branding

Das Corporate Branding meint den Aufbau und die gezielte Kommunikation einer Unternehmensmarke. Auch hier geht es darum, Leistungen und Werte nach außen zu tragen und ein ansprechendes und konsistentes Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen. Neben diesen zwei leicht abgrenzbaren Polen aus Mensch und Marke gibt es jedoch auch Mischformen, die dem Business-Branding-Komplex erst richtig Dynamik verleihen.

Employer Branding

Employer Branding, also das Etablieren einer Arbeitgebermarke, ist eine dieser Mischformen. Das übergeordnete Ziel der Marketing- und Kommunikationsmaßnahme, die unter diese Kategorie fallen, ist die Stärkung der Mitarbeiter*innen-Gewinnung, sowohl quantitativ als auch qualitativ. Daneben sollen die Bemühungen aus der Sphäre des Employer Brandings jedoch nicht nur das Recruiting beleben, sondern ebenso zur Unternehmenskultur, Leistungsbereitschaft und Mitarbeitendenbindung beitragen.

Corporate Influencing

Oder lieber Ambassador Branding? Wäre sicherlich schöner, im Marketing-Diskurs ist in diesem Zusammenhang jedoch in erster Linie vom „Corporate Influencer“ die Rede. Diese Mischform aus Personal und Corporate Branding meint die gezielte Positionierung einzelner Mitarbeiter*innen als Markenbotschafter*innen des Unternehmens. Idealerweise mündet dies in authentischem Storytelling „aus dem Unternehmen heraus“ und ermöglicht die Vermittlung von Unternehmenswerten, Identifikationsmomenten und Strategien auf subtilem, indirektem Wege.

Im dynamischen Verhältnis dieser sich-gegenseitig-beeinflussenden Branding-Bereiche bildet LinkedIn für den Moment aufgrund seiner Beschaffenheit die perfekte Spielwiese. Die wichtigste Erkenntnis hierbei: Jedes Unternehmen ist die Summe seiner Teile. Nirgends ist das so relevant wie auf LinkedIn.

Denn alle User*innen im Netzwerk werden automatisch zu Markenbotschafter*innen – in eigener Sache sowie im Namen des Unternehmens, mit dem sie ihr Profil mit dem eines Unternehmens verbunden haben. Jede Handlung (auch Passivität ist in gewisser Weise ein Statement) hat Einfluss auf die Reputation der eigenen Person, aktueller und vergangener Arbeitgeber*innen sowie verbundener Gruppen und Vereine. Das ist Chance und Risiko zugleich. Bedeutet aber in jedem Fall, dass ein genaues Monitoring der Aktivitäten angebracht ist.

Branding auf den ersten Blick: LinkedIn-Profilseiten

Sowohl die Seiten von Privat- bzw. Einzelpersonen als auch Unternehmensprofile auf LinkedIn bieten einige Individualisierungsmöglichkeiten, die entsprechend genutzt werden sollten.

Branding-Möglichkeiten auf Personen-Profilen

Branding-Möglichkeiten auf Unternehmens-Profilen

5½ vergoldete Regeln für erfolgreichen Content auf LinkedIn

Profilseiten bilden nur den Auftakt. Die Musik entsteht in der Interaktion, im Posten und der aktiven Teilnahme am Geschehen auf der Plattform. Patentrezepte für erfolgreiches Marketing auf Social-Media-Plattformen sind nicht nur mit Vorsicht zu genießen, sie verfügen meist über ein sehr begrenztes Verfallsdatum. Auch der LinkedIn-Algorithmus ist diffizil und spielt nach ganz eigenen Regeln – die nicht von LinkedIn kommuniziert werden. Einige Handlungsempfehlungen für das Posten auf LinkedIn können wir trotz alledem ausmachen:

  1. Content sollte im Rahmen „klassischer“ Arbeitszeiten gepostet werden (werktags, 9–17 Uhr).
  2. Postings, die Bilder oder Videos enthalten, performen besser als blanker Text.
  3. Der Algorithmus straft externe Links ab.
  4. Beiträge von Privatpersonen werden häufiger ausgespielt als Beiträge von Unternehmen. Menschen vor Marken.
  5. Hashtags helfen. Aber: Mut zur Nische. Für den Moment geht die Interaktion mit Beiträgen (Kommentieren und Reagieren) noch vor Teilen bzw. Reposten.

Fazit:

LinkedIn lohnt sich. Schon bei der Jobsuche, beim Recruiting oder für klassische Online-Ads. Ihr wahres Potenzial entfaltet die Plattform jedoch bei der Markenbildung. Gesichter, Klarnamen und Unternehmenszugehörigkeiten stiften dabei Authentizität und ermöglichen Firmen, Werte, Strategien und Stories über das eigene Unternehmen zu kommunizieren. Kann ich mit einem bestimmten Unternehmen identifizieren? Passe ich ins Team oder passt das Unternehmen in meine Zukunftsvision? Möchte ich wirklich mit dieser Geschäftspartner*in zusammenarbeiten? Kenne ich nicht schon jemanden, der genau die Skills abdeckt, die ich gerade suche? Es sind solche Fragen, die auf LinkedIn beantwortet werden. Denn hier geht es eben nicht nur um Marken und Menschen; hier werden Menschen zu Marken. Viele sind schon da, viele werden noch folgen.

Quellen:

statista.com

verdure.de

marketinginstitut.biz

omr.com 1

omr.com 2

blog.hubspot.de

computerwoche.de

business-services.heise.de

podcast.de

Alex ist ein Mann mit vielen Talenten. Er ist Creative Director für Text. Berater für digitale Kommunikation. Uni-Absolvent in Geschichtswissenschaft und Philosophie. Vollblut-Nerd. Papa. Früher mal Song-Schreiber. Und noch früher ein Kind der 90er in Nordwestmecklenburg. Pures Glück also, dass er bei uns und nicht in einem Roman von Heinz Strunk gelandet ist.

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