Was zuvor geschah: Teil 1
Vierseitige Navigation
Ein weiterer Trend besteht darin, die vier Seiten des Monitors für eine verteilte Navigation zu nutzen. Das frühere Credo, dass Navigationselemente an einer zentralen Stelle zu finden sind, scheint nicht mehr zu gelten. Voraussetzung hierfür sind „cleane“, aufgeräumte Seiten mit großzügiger Gestaltung.
New Retro und Line-Art
In der Illustration – besonders im Animationsbereich – zeigt sich der Trend des New Retro. Figuren, Farben und Formen erinnern an die 60er- und 70er-Jahre. Bei figürlichen Darstellungen stechen kleine Köpfe und abnorme Extremitäten ins Auge. Gesichter werden teilweise ganz weggelassen. Auch findet sich der aus der Logo-und Piktogrammentwicklung hervorgegangene Stil der „Line-Art“. Illustrationen also, die nur aus Linien mit gleicher Strichstärke bestehen, aber mit viel Liebe zum Detail oder witzigen Elementen umgesetzt sind. Gerne werden die durch diese Linien entstehenden Flächen aber auch wieder mit kräftigen Farben oder Mustern gefüllt.
Addictive Design
Kann Design süchtig machen? Was im ersten Moment nach Sammelleidenschaft klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Räume und Spielautomaten in Las Vegas sind so gestaltet und programmiert, dass sie die Aufmerksamkeit der User permanent überprüfen. Bei nachlassendem Interesse zeigen sie neue Spielzüge, spielen kleine Gewinne aus oder helfen, den Aufenthalt auf andere Weise zu verlängern. Was in Las Vegas und der Spieleindustrie schon seit den 1970er-Jahren gang und gäbe ist, beginnt sich auch in anderen Bereichen des Benutzerführung einzuschleichen: prominente „Weiter“-Buttons versus Abbrechen-Optionen, die kaum zu finden sind. Hinweise auf neue Nachrichten in warnenden roten Kreisen, die bei jeder Änderung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Apps, die quasi permanent – via selbstverordneter, nicht hinterfragter Standardeinstellung – vibrierende, summende, blinkende Mitteilungen an den User senden. Bleibt das Handy einmal stumm, schaut man trotzdem drauf ... vielleicht ist der Akku leer? Spielautomaten und Smartphones sind neurologisch betrachtet kaum zu unterscheiden – sorgen wir dafür, dass User Interfaces einfach nur nützlich sind und unser digitales Leben vereinfachen statt uns zu bevormunden oder gar abhängig zu machen.
3-D-Illustration
Natürlich spielt auch die Dreidimensionalität nach wie vor eine Rolle. Zu beobachten sind mehr und mehr sich wiederholende, geradezu hypnotisch anmutende Animationen abstrakter bis surrealistischer Szenerien. Durch ein hyperrealistisches Rendering wirken diese wie echt und man bekommt Lust, sie anzufassen – oder eben gerade nicht.
Microcopy
Ein erfreulicher Trend ist die steigende Anerkennung des Nutzens von und die Besinnung auf sogenannte Microcopy. Das sind winzige Texte, oft nur einzelne, aber entscheidende Worte in und auf Benutzeroberflächen. Beispielsweise auf Buttons oder neben Checkboxen. Sie geben knappe Hinweise und Anleitungen dazu, was als Nächstes geschehen soll oder wird. Oder welche Wahlmöglichkeiten und Einstellungen in einem bestimmten Moment bestehen. Microcopy ist die sprachliche Komponente im User Interface Design (UID). Sie entscheidet auf gleicher Ebene wie die visuelle Gestaltung über Güte und Qualität von Usability und Accessability einer Benutzeroberfläche. So gehört neben einer klaren, eindeutigen Sprache zum Beispiel auch die Vermeidung von doppelten Verneinungen zu einer guten Microcopy.
Doppelbelichtung mit zwei Farben
Auch Trends entwickeln sich weiter – während 2017 das Vexierspiel zwischen Figur und Grund im Vordergrund stand, werden Doppelbelichtungen 2019 mit zwei Farben gestaltet, sodass die kombinierten Motive für sich erkennbar bleiben.
Typografie
In der Typografie tut sich derzeit einiges und es gibt sogar drei überaus berichtenswerte Trends: Supergesperrte Worte: Weit auseinandergezogene Buchstaben und über ganze Seitenbreiten verteilte Buchstaben finden sich häufiger in Designs. Dabei werden gelegentlich sogar auch Wörter in verschiedenen Schriftarten überlagert. Diesen Trend beobachten wir zunehmend auf Plakaten sowie in Magazinen und Zeitschriften. Mixed Typography: Worte mit einem Buchstaben aus einer anderen Schrift. Was zu Bleisatzzeiten „Zwiebelfisch“ genannt und als unverzeihliches typografisches Vergehen gewertet wurde, ist im 21. Jahrhundert ein kleiner, Aufmerksamkeit erzeugender Kunstgriff. Open-Type-Spezifikation 1.8: Eine neue Schriftentechnologie wirft ihre Schatten voraus. Mit „Variable Fonts“ lassen sich nämlich theoretisch aus einer einzelnen Masterdatei alle vorhandenen und denkbaren Schriften generieren. Was als komfortable Lösung für Schriftendesigner begann, die die verschiedenen Schnitte – also z. B. regular, bold, kursiv – einer Schriftart zwar digital, aber doch von Hand zeichnen mussten, hat sich zu einem automatisierten Technologie- und Design-Paradigmenwechsel entwickelt. Sobald Adobe und Browserhersteller entsprechende Interpreter dieses neuen Ansatzes nachliefern, können entsprechende Schriften stufenlos individualisiert werden.