Wie und warum konsumieren wir?
Oftmals kaufen wir Produkte, die wir bereits kennen. Wir greifen aus Bequemlichkeit oder bereits gemachten (guten) Erfahrungen zu. Auch Neugierde auf ein neues Produkt oder neue Eigenschaften kann uns zum Kauf treiben. Ein weiterer Grund kann ein vermeintlich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis oder ein Test-Sieg sein. Hier haben wir die Hoffnung einen besonders tollen Deal gemacht zu haben oder erwarten eine sehr gute Performance von unserer Neuanschaffung. Neben diesen Gründen kann beim Kauf aber auch der Wunsch nach Anerkennung oder unsere Gesellschaft eine große Rolle spielen.
Gerade die letzten beiden Punkte sollte man in Zukunft stärker im Auge haben. Populismus, alternative Fakten, der Klimawandel… diese Liste ließe sich beliebig verlängern. All das prasselt auf uns ein. Ständig werden Standpunkte, moralische Ansichten und Werte hinterfragt und auf die Probe gestellt. Soziale Medien und die darin stattfinden „Diskurse“ befeuern dies zusätzlich. Manch einer spricht auch hierzulande bereits von einer Spaltung der Gesellschaft, wie es in den USA bereits der Fall ist. Diese Themen haben natürlich auch Auswirkungen auf Marken und Händler*innen. Sie müssen ihre Produkte und Sortimente entsprechen führen und positionieren.
Die Moral von der Geschichte!
In den USA lässt sich in Handel und Gastronomie ein Trend beobachten, der hierzulande (in dieser Ausprägung noch) relativ befremdlich wirkt. Moralische Werte und die damit verbundene Weltsichten werden von Marken zur zentralen Botschaft erhoben. Steht ein Unternehmen hinter der BlackLivesMatter-Bewegung, ist es für oder gegen Abtreibungsgesetze oder für das Recht, dass jeder einer Waffe besitzen kann? So kaufen viele Konsument*innen nicht mehr in dem Laden um die Ecke, sondern dort, wo die (eigene) geistige Haltung im Schaufenster gespiegelt wird. Dieses Phänomen wird unter dem englischen Namen „Virtue Signalling“ gehandelt. Eine passgenaue deutsche Entsprechung dieses eher abwertend gemeinten englischen Terminus gibt es nicht. Umschreibend lässt sich festhalten, dass man die moralische Korrektheit der eigenen Position zu einem bestimmten Thema demonstriert, weil man diese in seiner Klientel als besonders zustimmungsfähig oder ablehnenswert erachtet.
Dies führt zum Beispiel dazu, dass man nicht mehr den Kaffee kauft, der am günstigsten ist, am schonendsten geröstet wurde oder aus der besten Hanglage kommt. Sondern die Bohne, deren Marke z. B. für das Recht auf Waffenbesitz eintritt, weil man dies persönlich für wichtig erachtet.
So fühlt man sich beim Kauf der passenden Kaffeebohnen von Black Rifle Coffee dann auch eher wie beim Kauf von Munition. Die visuelle Aufmachung ist entsprechend martialisch, die Sorten heißen Gunship Roast, Silencer Smooth Roast oder Freedom Fuel Roast. Alles in dunklen Tüten verpackt. Gehighlightet mit amerikanischen Fahnen, Kampfhubschraubern und Sturmgewehren.
Dass dieser Gedanken den Nerv der Zeit trifft, belegen mehrere Studien. Gerade für Millenials wird das Übereinstimmen der eigenen Überzeugungen mit den vermeintlichen Werten der Unternehmen immer wichtiger. Und genau da beginnt für Marken und Konzerne auch ein Problem.
Wie man es macht, macht man es falsch…
Grundsätzlich ist das Stellungsbeziehen zu moralischen oder gesellschaftlichen Werten ein normaler und nicht neuer Vorgang in der Kommunikation. Das Problem beginnt dann, wenn ein Sachverhalt zu einem moralischen Problem erhoben wird, obwohl es eigentlich keines ist. Wenn der Sender der Botschaft Themen ausnutzt, um seine eigene Reputation in den Vordergrund zu stellen und damit nicht zum moralischen Diskurs in der Gesamtgesellschaft beiträgt. Wenn durch Stimmungsmache Marken-Positionierung betrieben wird - wie im Fall der waffennärrischen Kaffeebohnen.
Ein weiteres Problem entsteht dann, wenn sich Marken nicht ganz freiwillig zu Themen äußern, weil sie denken, dass es die eigene Käuferschicht von ihnen erwartet oder ein Statement offensiv eingefordert wird. Letzteres mussten im Frühjahr einige Großkonzerne mit ihrem Sitzt im US-Staat Georgia erfahren. Nachdem die Republikaner dort ein restriktives Wahlgesetz verabschiedet hatten, sahen sich unter anderem Coca Cola und Delta Airlines zu einer öffentlichen Erklärung gezwungen, dass Ortsansässigkeit nicht mit geistiger Nähe gleichzusetzen ist. Dies wiederum brachten den Unternehmen dann einen Boykott-Aufruf des Ex-Präsidenten Trump und seiner Gefolgschaft ein.
„Virtue Signalling“ ist beileibe kein auf den US-Markt begrenztes Phänomen. Es findet sich (in kleinen Auswüchsen) auch bei uns. Zum Beispiel im Supermarkt, wenn auf ganz normalen Lebensmitteln Unbedenklichkeitssiegel aufgebracht werden oder Verpackungen mit frischen Grüntönen redesignt werden. Dann versuchen Anbieter sich eine ökologische Gesinnung geben, ohne dass viel dahinterstecken muss. Stichwort Woke-Washing.
Und die Moral von der Geschichte?
So oder so ist es für Marken ein komplexes und risikoreiches Unterfangen sich über vermeidliche Moral und Tugendhaftigkeit zu positionieren. Je nachdem in welchem Spektrum und mit welchen Inhalten man sich positioniert, auf den Gegenwind Andersdenkender oder widerlegende Fakten muss man sich vorab einstellen. Im Falle des Kaffees hat sich die fragwürdige Ausrichtung zumindest kurzfristig als Volltreffer erwiesen. Der Umsatz von Black Rifle Coffee wuchs in den letzten fünf Jahren von einer auf 163 Millionen Dollar. Ob dieser Erfolg auf in gesellschaftlich ruhigere Zeiten nachhaltig ist oder sich auf andere Branchen übertragen lässt, bleibt zu abzuwarten. Unter moralischen Gesichtspunkten ist eine solche Inszenierung auf jeden Fall bedenklich.
Quellen:
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