Kampf um Talente

In den letzten Jahren ist Personalmarketing strategisch immer relevanter geworden. Aus dem bisherigen Arbeitgebermarkt entwickelte sich in vielen Branchen ein Kandidatenmarkt. Und in dem müssen Unternehmen um die besten Fachkräfte buhlen. Baldige Entspannung? Nicht in Sicht.

Daher arbeiten viele Unternehmen kontinuierlich daran, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Ihre Anstrengungen erhöhen sie auf vielfältige Art und Weise. Es gibt aber auch noch Firmen, deren Personalmarketing sich in den letzten 15 Jahren nicht wesentlich verändert hat. Dabei verfolgen alle das gleiche Ziel: Sie wollen ihre Wunschkandidaten schnell finden.

4 Evolutionsstufen kennzeichnen das Personalmarketing von heute. Sie weisen den Weg in die Zukunft.

Die Traditionalisten

Beginnen wir mit der 1. Stufe. Unternehmen in dieser Stufe des Personalmarketings machen es so wie früher. Jobs oder Karrieremöglichkeiten verstecken sie in ihrem Webauftritt unter dem Hauptmenüpunkt „Über uns“. Dort erfährt der Nutzer aber meist nicht, was das Unternehmen als Arbeitgeber auszeichnet. Er findet dort lediglich die freien Stellen – oft nur als PDF-Datei.

Bewerbungen werden postalisch eingereicht. Auf Bewerbungseingänge erhalten Bewerber in der Regel keine Rückmeldung. Das Auswahlverfahren ist 1-stufig. Es besteht aus einem Vorstellungsgespräch mit maximal 3 Personen.

Seine Arbeitgeberwerte und -vorteile hat der Traditionalist im Personalmarketing bislang nicht herausgearbeitet. Um geeignete Kandidaten zu finden, schaltet er Stellenanzeigen in einer regionalen Tageszeitung.

Die Etablierten

Inzwischen haben viele Unternehmen ihr Personalmarketing weiterentwickelt. Den Bedeutungszuwachs erkennt man online daran, dass der Bereich „Karriere“ oder „Jobs“ einen eigenständigen Hauptmenüpunkt auf der Website hat. Dort stellt sich das jeweilige Unternehmen als Arbeitgeber vor. Einige unterscheiden sogar explizit nach Einstiegslevel – zwischen Praktikanten, Azubis, Young Professionals sowie Fach- und Führungskräften.

Bewerbungen können postalisch und digital eingereicht werden. Zur Recruiting-Etikette gehören:

•    eine Rückmeldung auf den Bewerbungseingang
•    Informationen über das weitere Vorgehen
•    das Kommunizieren konkreter Ansprechpartner für die Bewerbung

Das Bewerbungsverfahren ist mindestens 2-stufig angelegt. Die Bewerber erhalten dabei einen Einblick ins Unternehmen.

Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, setzt man alle verfügbaren internen Kommunikationskanäle ein, aber auch Print- und Stellenanzeigen in digitalen Jobportalen sowie eine Präsenz auf Jobmessen.

Die Performer

Eine weitere Stufe im Personalmarketing erkennt man daran, dass ein eigenes Employer Branding betrieben wird. Performer verfügen über eine eigene Personalphilosophie. Diese setzen sie durch die Entwicklung einer eigenständigen Arbeitgebermarke konsequent in Szene. In den letzten Jahren kristallisierten sich dazu unterschiedliche Kampagnentechniken im Personalmarketing als erfolgreich heraus.

Bei der Entwicklung der Arbeitgeberwerte und -stärken findet ein Matching mit den Bedürfnisstrukturen der unterschiedlichen Zielgruppen statt.

Die Generationen Y und Z evolvieren mit ihren zukunftsorientierten Ansichten zurzeit die Arbeitswelt. Zur ihnen zählen die Menschen, die in den frühen 80er- bis frühen 2000er-Jahren geboren wurden. Diese Generation ist leistungsorientiert. Sie möchte erfolgreich sein, jedoch nicht auf Kosten ihrer Familie, Freunde und persönlichen Interessen. Sie präferiert Gleitzeit, Teilzeit und Sabbaticals sowie eine Elternzeit für Männer. Arbeit dient für sie nicht nur einem Zweck, sondern soll Sinn machen und Raum für Entfaltung bieten.

Die Generation Z geht mit ihren Forderungen noch ein paar Schritte weiter: Die etwa ab 1995 Geborenen wollen unabhängig sein. Sie streben nach dem idealen Mix aus Arbeitsleben und Freizeit. Dadurch verliert der Arbeitgeber an Stellenwert. Diesen kann er nicht mit einem hohen Gehalt oder dem Status der Arbeitsstelle ausgleichen, sondern mit der Förderung von Selbstverwirklichung und einem guten Arbeitsklima.

Die Performer im Personalmarketing bieten Jobinteressierten eine digitale Karriereplattform und Arbeitgeberpublikationen. Sie geben Bewerbungstipps und Bewegtbildeinblicke in ihr Arbeitsumfeld. Häufig treten dabei eigene Mitarbeiter als Testimonials in Erscheinung.

Der gesamte Maßnahmenmix ist umfangreicher. Performer im Personalmarketing setzen auf Hochschulkooperationen, Mitarbeiterzeitungen, Personal-PR und Social-Media-Aktivitäten.

Die Avantgarde

In den letzten 2 Jahren hat sich im Personalmarketing eine neue Evolutionsstufe entwickelt: die Avantgarde. Das Verhalten ihrer Wunschkandidaten im Hinblick auf Karriereinformationen hat sich durch Informationsflut und Wertewandel stark verändert. Daher setzen Avantgardisten aufmerksamkeitsstarke Kommunikationsmittel ein. Sie berücksichtigen die Erwartungen von Bewerbern, um passende Angebote zur richtigen Zeit am richtigen Ort anzubieten.

Erkennungszeichen der Avantgarde ist der Einsatz von Recruitainment-Formaten und neuen Technologien wie Virtual Reality, Bots und Algorithmen in einer zunehmend optimierten Candidate Journey. Ihr Ziel ist es, das individuelle Erleben der Kandidaten in jedem Schritt des Bewerbungsprozesses bestmöglich zu gestalten. Denn Kandidaten, die diesen positiv erleben, werden ein Jobangebot wahrscheinlicher annehmen als andere. Sie werden sich in Zukunft ggf. erneut bewerben und das Unternehmen weiterempfehlen.

Den Bewerbungsprozess unterteilen Avantgardisten in 5 Phasen. Jede einzelne wird so verbessert, dass sie aus Sicht des Bewerbers ein optimales Erlebnis bietet.

1.    Anziehung

Wie suchen Kandidaten und welche Informationen zu Jobs und Arbeitgebern sind ihnen wichtig?

Die Avantgarde macht ihre Kernwerte an allen Touchpoints erlebbar. Mit VR-Videos gewährt sie ihren Kandidaten echte 360°-Einblicke ins Unternehmen. Virtuelle Reisen entlang der Wertschöpfungskette begeistern die Kandidaten für Produkt und Dienstleistungen. In aufwendig produzierten Online-Assessments finden sie spielerisch den passenden Job im Unternehmen. Und im Karriereportal liefern Chatbots direkt Antworten auf die brennendsten Fragen. Denn im Wettbewerb mit zahlreichen attraktiven Firmen müssen Avantgardisten immer wieder neue Wege der Kandidatenansprache finden.

2.    Bewerbung

Was wünschen sich Kandidaten im Bewerbungsprozess?

Ob 1-Click-Lösung oder eine Bewerbung über mobile Endgeräte: Die Neigung insbesondere jüngerer Kandidaten zu zeitsparenden und simplen Lösungen steigt. Avantgardisten berücksichtigen dies und räumen ihren Bewerbern jede mobile Sackgasse aus dem Weg. Hinsichtlich der Jobbeschreibung wünschen sich Kandidaten Klarheit über ihre Aufgaben. Das fängt schon beim Jobtitel an. Wird dieser nicht deutlich verständlich wahrgenommen, sehen viele von einer Bewerbung ab – auch wenn „Galactic Viceroy of Research Excellence” amüsant klingt.

3.    Auswahlverfahren

Wie ist das Auswahlverfahren organisiert?

Die Avantgarde hält ihre Teilnehmer über den Fortschritt des mehrstufigen Auswahlverfahrens stets auf dem Laufenden. Schnelle Reaktionszeiten sind genauso wichtig wie ein respektvoller Umgangston. Wertschätzung im Vorstellungsgespräch ist für beide Seiten selbstverständlich.

4.    Ergebniskommunikation

Wie und wann werden Kandidaten über das Ergebnis informiert?

Studien zeigen: Der Bewerbungsprozess sollte aus Kandidatensicht maximal 6 Wochen dauern. Avantgardisten verlieren daher keine Zeit. Das Ergebnis kommunizieren sie transparent. Auf Nachfragen reagieren sie stets. So haben Unternehmen die Chance, auch bei einer Absage positiv im Gedächtnis zu bleiben.

5.    Onboarding

Wie wird der Neuankömmling empfangen und integriert?

Die Candidate Journey endet nicht mit der Zusage. Der 1. Arbeitstag ist der Ausgangspunkt für eine gelungene Mitarbeiterbindung. Beim Ankommen und Integrieren hilft ein Begrüßungsset für neue Mitarbeiter, welches weit über Kugelschreiber, Block und Visitenkarten hinausgeht. Oder ein persönlicher Mentor, der sich um die Belange des neuen Mitarbeiters kümmert. Einige Avantgardisten im Personalmarketing haben das Onboarding perfektioniert. Neue Mitarbeiter bekommen ein mehrwöchiges Einarbeitungsprogramm. Das ist gespickt mit hochkarätigen Schulungen, dem Besuch der wichtigsten Unternehmensstandorte und Teambuilding-Einheiten.

Die Candidate Journey endet erst dann, wenn sich der Neuling nicht mehr als Fremdkörper fühlt, sondern als fester Teil des Unternehmens. Bis dahin besteht immer noch die Gefahr, den neuen Mitarbeiter aufgrund mangelnder Integration zu verlieren.

Evolutionssprünge in Sicht

Es wäre nicht richtig, die höchste Evolutionsstufe als Königsweg für das Personalmarketing darzustellen. Denn jeder weitere Schritt auf der Evolutionstreppe bedeutet oft: Das Personalmarketing beansprucht mehr Geld und Personalressourcen. Wer als Traditionalist noch genügend gute Kandidaten für die neu zu besetzenden Stellen findet, der muss die nächste Evolutionsstufe nicht erklimmen. Angesichts des zunehmenden Kampfes um die besten Fachkräfte ist jedoch absehbar, dass vielen Unternehmen ihre aktuelle Evolutionsstufe nicht ausreichen wird. Schon heute zählen viele Firmen zu den Performern. Als Trend für 2019 ist somit ein verstärkter Einsatz neuester Technologien im Personalmarketing zu erwarten. Es wird aber auch ein Perspektivwechsel hinsichtlich des eigenen Bewerbungsprozesses stattfinden. Damit wird die Reise der Kandidaten zu den Arbeitgebern ein echtes Erlebnis.

Quellen:

Candidate Journey Studie 2017, meta HR & stellenanzeigen.de
“The Commercial Impact of Candidate Experience”, LinkedIn Talent Connect 2016
Leitfaden Employer Branding & Recruiting, Hochschule Luzern und Berner Fachhochschule
Die Candidate Journey, Careerbuilder
Studie „Abenteuer Jobsuche“, Macromedia Hochschule 2017
HR Performance 5/2017, DATAKONTEXT GmbH
Recruiting Guide 2017, Personalwirtschaft.de
www.thecandidateexperienceawards.de
de.statista.com

Mandy ist extrem flexibel. Kein Wunder – die studierte Online-Marketing-Fachwirtin hat 13 Jahre Kunstturn-Erfahrung. So wundert es nicht, dass sie den Spagat zwischen mehreren Experten-Rollen problemlos wuppt. Neben Unternehmenskommunikation und Personalmarketing ist Mandy bei New Communication auch für Marketing-Strategie und SEO-Projekte zuständig. Ganz nebenbei mischt sie noch im Management-Team mit. Sportlich, sportlich …

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