Ist nichts mehr, wie es war?

Unternehmen nutzen digitale Medien, um ihre Markenidentität nach innen und außen zu kommunizieren. Die Websites der Marken sind dabei häufig Visitenkarte, Verkaufsplattform und Abbild dessen, wie eine Marke gesehen, gelesen und verstanden werden will. Nutzer*innen, Kunden*innen, Partner*innen, Bewerber*innen, sie alle finden Websites mittels Suchmaschinen und Suchbegriffen. So war es die letzten gut 30 Jahre Standard. Aber Achtung: Wer eine Website als digitale Präsenz der eigenen Marke betreibt und sich als Pionier digitaler Kommunikation wähnt, irrt gewaltig. Er oder sie betreibt damit nämlich nur eine von 1,83 Mrd. Websites weltweit. Digitale Kommunikation befindet sich im stetigen Wandel. Das Aufkommen von KI-Anwendungen führt uns diese Wahrheit seit dem letzten Jahr eindrucksvoll vor Augen. Marken verschwinden schon jetzt hinter den User Interfaces von KI-Anwendungen, ebenso wie Markenprodukte im Amazon FBA Karton verschwinden.

Das bedeutet auch: Websites und Markenpräsenzen müssen diesen Wandel mitgehen, um relevant zu bleiben und sich von Wettbewerbern abzuheben. Das geschieht durch gezielte Suchmaschinenoptimierung (dazu später mehr) und durch die risiko-sensible Einbindung und Nutzung von KI-Anwendungen. In Zukunft gilt umso mehr das Leitgebot der Suchmaschinenoptimierung: Marken und Websites müssen Nutzer*innen relevante Inhalte bereitstellen. Denn aus der Masse an Online-Präsenzen und aus der grauen Masse an KI-verarbeiteten Inhalten, stechen nur die stärksten und relevantesten Brands heraus.

Die Verknappung von Markenauftritten

Wie finden Markenpräsenzen in Zukunft im Web statt? Im schlimmsten Fall verschwinden Websites hinter den Nutzungsoberflächen von KI-Anwendungen. Das Problem ist nicht neu: Google setzt bereits seit Jahren Ausklapper und andere Elemente auf den Suchergebnisseiten ein, um Ergebnisse für Nutzer*innen zu sortieren und zusammenzufassen. Denn darin sind Algorithmen von Google, Bing u. a. besonders gut. Sie stöbern in der Flut aus Websites und Informationen. Sie fassen das Gefundene zusammen, erkennen Zusammenhänge und zeigen Suchenden die relevantesten Quellen. Die Folge: Webbesucher*innen finden ihre Antworten direkt auf der Google-Suchergebnisseite, z. B. in der „Andere Fragen auch“-Sektion. Google erkennt die Suchintention und schlägt passende Antworten vor – bloße Ausschnitte von Webinhalten, die als relevant erkannt werden. Das bedeutet um Umkehrschluss, dass Suchende weniger auf Websites klicken, weil sie das gewünschte Suchergebnis schneller finden. Ein großes Problem für Website-Betreiber*innen, denn viele interessante Leads gehen verloren.

Ein Blick zurück – Google 1998

Die Suchergebnisseite von 1998 erscheint homogen. Im Zentrum stehen Websites, die mit einem Link, einer URL und einem kurzen Teaser daherkommen.

Der Status quo – Google im Jahr 2023

Seit 1998 hat sich viel getan. Und Google war alles andere als untätig. Reine Listen von Websites wichen einer Variation unterschiedlichster Inhaltselemente. Zwar gibt es noch die organischen Suchergebnislisten. Daneben werden – abhängig von der Suchanfrage und vorhandener Informationen – viele weitere Elemente angeboten, von denen Google sich eine Verbesserung der Präsentation von Informationen erhofft. Dazu gehören Infoboxen mit den wichtigsten Details zur Suchanfrage, Schlagzeilen, Akkordeons (ausklappbare Infoelemente), Anzeigen und viele andere mehr. Die Zusammenfassung und Priorisierung von Inhalten ist also kein neuer Trend. KI-Tools und dialogbasierte Anwendungen setzen diese Entwicklung lediglich fort.

KI – die Revolution der Suchfunktion

So viel ist klar: Generative KI-Anwendungen wie Chat GPT krempeln den Markt um. Sie generieren Texte aus Websites, rendern Bilder und Videos oder übernehmen die Beratung von Kundschaft. Aber was bedeutet das für Marken? Statt vorsortierter Listen von Websites, schöpfen Text-KIs aus dem immensen Wissensschatz des WWW, fassen die Ergebnisse von zahlreichen Quellen zusammen, erkennen Zusammenhänge und liefern so passende Antworten auf jede denkbare Frage von Nutzer*innen. Klingt super, oder? Das Aufkommen von Anwendungen hat jedenfalls eines gezeigt. KIs haben gewaltiges (rein technisches) Potential. Das sorgt aber gleichzeitigt für viele noch ungeklärte Fragen. Eine Übersicht über die wichtigsten Risiken:

KI-Tools und Datensicherheit

Die Kritik an KI-Anwendungen mündete Ende März 2023 in der Forderung eines Entwicklungsstopps von Anwendungen künstlicher Intelligenz – von über 1000 Expert*innen der Technologiebranche und der Wissenschaft. Gefordert werden Regeln zur Gewährleistung der Sicherheit einer Technologie, die sich exponentiell weiterentwickelt und die schon jetzt gewisse Aufgaben schneller und gründlicher absolviert als menschliche Arbeitskräfte. Die Kritik bezieht sich unter anderem auf die folgenden Argumente:

KIs verarbeiten personenbezogene Daten

Die Analyse von Zielgruppen zum Zweck einer personalisierten Ansprache fußt auf der Sammlung und Verarbeitung personenbezogener Daten. Rein technisch lassen sich mit KI große Datenmengen scannen und auch personenbezogene Daten verarbeiten und analysieren. Ein Blick auf die Debatte zum Datenschutzthema zeigt: Regulationen vom Gesetzgeber lassen auf sich warten. Hier muss nachgebessert werden, um datenschutzkonforme Anwendungen zu ermöglichen.

KIs verletzen Urheberrechte

 

„Generiere das Bild eines Fahrradfahrers in der Toskana im Stile von Van Gogh“: Der Fake mag für Kunstfans offensichtlich sein. Viele Uneingeweihte erkennen die Täuschung jedoch nicht. Nun stellt sich aber die entscheidende Frage: Liegen die Rechte bei der KI, dem Prompt Engineer (Person, die einen Befehl an die KI stellt) oder der Stilprägenden Person Vincent van Gogh? Oder anders: Gilt der Urheberrecht dem Werk oder der Idee? Laut Urheberrecht.de „[…] ist für die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke die Erlaubnis des Urhebers erforderlich […]“. Die Einholung einer solchen Erlaubnis ist bei der Masse an Daten, die für das Bild oder den Text verarbeitet werden, aber nicht praktikabel. Aus diesem Grund müssen Urheber*innen von Werken (Text, Bild, Musik u. m.) der Analyse und Verwendung mit einem maschinenlesbaren Hinweis explizit widersprechen. Das setzt im Falle van Gogh voraus, dass der Urheber auch lebendig ist. Der Fall bleibt also spannend.

Bedeutet also ganz praktisch: Gibt ein Unternehmen viel Geld für ein gutes Image-Fotoshooting aus, kann es durchaus sein, dass eben diese Bilder die Grundlage neu generierter KI-Bilder werden, die dann von einem anderen Unternehmen verwendet werden können, das nicht in ein solches Shooting investiert hat – und trotzdem profitiert. 

Mensch-Maschine-Interaktion

Menschen leben und arbeiten seit Jahrzehnten mit Maschinen zusammen. Eine echte Interaktion im Sinne eines Dialogs kennen wir jedoch erst seit wenigen Jahren. Die Interaktion mit „smarten“ Sprachassistent*innen wie Siri oder Alexa waren von Missverständnissen und falschen Antworten geprägt. Neue KI-Anwendungen schließen die Lücke und liefern deutlich ausführlichere und glaubhaftere Antworten. Das führt zu Risiken:

KIs verunsichern ihre Nutzer*innen (noch)

Wer erinnert sich an Hal-9000 oder C3PO? Künstliche Intelligenzen verhalten und kommunizieren anders als menschliche Gesprächspartner*innen. Ihnen fehlt, was Menschen zu Menschen macht. Empathie. Chatbots auf Websites, in Apps oder am Telefon sorgen bei vielen Menschen für Irritationen und schrecken eher ab, als dass sie der Markenkommunikation nützen. Insbesondere sensible Themen sollten Markenverantwortliche unter diesem Gesichtspunkt mit Vorsicht behandeln und abwägen.

KIs reproduzieren Falschinformationen

KIs brillieren bei der Sammlung und dem Erkennen von Zusammenhängen in großen Datenmengen. Nicht so gut sind sie beim Erkennen von Falschinformationen und der Kritik von Quellen. Desinformation dürfte es im Zuge von KI-generiertem Content noch leichter haben, verbreitet zu werden und den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen. Umso wichtiger werden Analysetools, die genau jene falschen Informationen aufdecken.

KIs kosten Jobs

Am hitzigsten und leidenschaftlichsten wird sicherlich der mögliche Verlust von Jobs durch KI diskutiert. OpenAI hat in Zusammenarbeit mit der University of Pennsylvania eine Studie veranlasst. Es wurde untersucht, in welchen Jobs mindestens eine Aufgabe von KIs übernommen werden könnte. Die kurze Antwort: Dies trifft auf die allermeisten Jobs zu (ca. 80 %). Darunter Berufe wie „Mathematiker*innen, Programmier*innen, Dolmetscher*innen, Schriftsteller*innen und Journalisten*innen“. Weniger oder nicht betroffen sind handwerkliche Berufe wie „Köche, Kfz-Mechaniker*innen und Jobs in der Öl- und Gasförderung, aber auch in der Forst- und Landwirtschaft.“

In vielen Berufen wird KI jetzt und in Zukunft zum smarten Assistenten instrumentalisiert, übernimmt triviale Aufgaben und gibt dem Menschen mehr Zeit für die wirklich wichtigen Aufgaben. Eine vollständige Auflösung von Berufsfelder ist daher unwahrscheinlich. Vielmehr werden sich Berufsprofile und die Anforderungen an Jobs sich verändern. Und: Jede neue Technologie schafft auch neue Berufsfelder. Die Entwicklung ist noch nicht am Ende und es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit der Abgesang auf die heutige Berufswelt tatsächlich eintritt.

Markenauftritte persönlicher gestalten

Wir stellen also fest, dass viele Fragen noch offenbleiben. Eines ist allerdings sicher: KIs werden aber bleiben und den Markt verändern. Darauf müssen Verantwortliche für digitale Kommunikation reagieren und passende Strategien entwickeln. Die folgenden Kapitel dienen nur als ein Ausblick auf mögliche Strategien und Adaptionen der Technologie. Den passenden Pfad muss jedes Unternehmen individuell wählen.

ChatGPT stellt seit Kurzem eine Schnittstelle für die Nutzung der KI bereit. Weitere Schnittstellen (auch DSGVO-konforme) werden mit Sicherheit folgen. Diese ermöglicht Entwickler*innen die Einbindung der KI in Websites und Apps und anderen digitalen Produkten. Websitebetreiber*innen nutzen die Vorteile der smarten Tools, können diese aber in die eigene digitale Umgebung (etwa die Website) und in das Corporate Design einbetten.

Corporate KI – Der Klang der Marke

Den nächsten möglichen Entwicklungsschritt gehen Websitebetreiber*innen durch ein eigenes Corporate Language Manual, der die Markenkommunikation definiert und mit der eine KI gefüttert werden kann. Der so trainierte Chatbot reproduziert einen Kommunikationsstil und spricht die Zielgruppe damit persönlich und in der vorher definierten Corporate Language an – das kann vom bekannten Ikea-Du bis zu sehr ausgefeilten Zuspitzungen der markeneigenen Zielgruppe und ihrer Charakteristika reichen. Marketing-Expert*innen schneiden Werbebotschaften damit individueller auf Zielgruppen zu.

KI für die Textproduktion nutzen

KI wird vielerorts als Heilsbringer gesehen, da Inhalte im Sekundentakt generiert und veröffentlicht werden kann. Das Versprechen: KIs sparen Zeit und Geld. Hier sollte unterschieden werden zwischen einzigartigem und funktionalem Content.

  • Funktionaler Content: Viele Unternehmen produzieren funktionalen Content. Ein Beispiel: Bauanleitungen für Möbel erfüllen eine einzige Funktion - den Aufbau eines Regals oder Tisches. Neue Inhalte oder Stile beschleunigen den Bauprozess nicht und bringen Kund*innen kaum Mehrwert. Die Produktion der Texte kann daher guten Gewissens an Maschinen ausgelagert werden.
  • Einzigartiger Content: Unternehmenswebsites müssen sich vom Wettbewerb absetzen, durch echte Texte und Bilder, von Menschen produziert. Denn menschliche Schreiber können besser als Maschinen neue Inhalte und Mehrwerte produzieren und auf die Bedürfnisse der Zielgruppe Bezug nehmen.

Fazit: Die Zukunft der KI-gestützten Markenkommunikation

Was lernen wir aus der Entwicklung? Überwiegen die Vorteile die Nachteile? Jein. In vielen Fragen fehlen wichtige Entscheidungen und Gesetze, die den Umgang (rechts-)sicher gestalten. Hier muss nachgesteuert werden.

In jedem Fall verbessern und beschleunigen KIs Prozesse zur Erschließung von Zielgruppen und ermöglichen passgenaue Ansprache. Sie nehmen triviale und unliebsame Aufgaben ab und schaffen Raum für Kreativität und die wirklich wichtigen Aufgaben. Die Vorteile kommen wie so oft aber mit Limitationen und Bedenken über einen Wandel, dessen Konsequenzen wir noch nicht vollends absehen können.

Gehört Markenkommunikation etwa der Vergangenheit an, weil Informationen und Werte nur noch als Aggregat von den Quellen vieler Websites existiert? Können wir uns auf die Richtigkeit Ergebnisse von Suchmaschinen und Chatbots in Zukunft nicht mehr verlassen? In Corporate Language liegt sicher Potenzial. Fest steht: Einen wasserdichten Plan zum Umgang mit KIs gibt es bislang nicht. Denn für Best Practices ist es noch zu früh. Eines ist aber sicher: KIs werden bleiben und deshalb müssen wir mit Ihnen umgehen lernen. Das heißt auch, dass wichtige Trends und Anwendungen erkannt und sinnstiftend eingesetzt werden müssen, um die neue Technologie zu einem Wettbewerbsvorteil zu wandeln.

Quellen:


Wix
vpnmentor.com
OpenAI
Ionos
Suxeedo
Big-Data-Insider
Zeit.de
Urheberrecht.de

Neels ist Online-Berater bei New Communication. Der studierte Kommunikationswissenschaftler hält den agenturinternen Rekord für die längsten Sprachnachrichten. Die nötige Puste dafür holt sich Neels beim Training auf dem Fahrrad oder an der Kletterwand. Wir sind ganz Ohr, Neels!

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