In Germany we say Fachkräftemangel – der Wandel vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt

Jeder kennt ihn, den Brandbegriff, unter dem Unternehmer*innen, Journalist*innen und Politiker*innen auf den eintretenden Engpass in Sachen Arbeitskraft hinweisen. Aber was bedeutet eigentlich Fachkräftemangel, wie ist er entstanden und welche Branchen sind von ihm betroffen?

Fachkräftemangel beschreibt die Situation, bei der es mehr ausgeschriebene Arbeitsplätze als Bewerber*innen mit bestimmten Fähigkeiten (eben Experten*innen oder Fachkräfte) gibt. Wir haben auf dem Arbeitsmarkt also aktuell einen Mangel an Fachkräften. Durch demographischen Wandel, globalen Wettbewerb, mangelnde Attraktivität der Ausbildung und fortschreitende Digitalisierung hat sich auch die Struktur des Arbeitsmarktes gravierend verändert.

Noch vor 18 Jahren lag die Arbeitslosenquote in Deutschland bei 12 %. Es gab weniger zu besetzende Arbeitsplätze als Bewerber*innen. Die Bewerber*innen mussten also aktiv suchen, sich gegen Konkurrenz durchsetzen und haben dafür auch einen umständlichen Bewerbungsprozess und Kompromisse in Kauf genommen. Diese Zeiten sind vorbei und der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt. Aktuell liegt die Arbeitslosenquote in Deutschland bei 4 % bis 5 %. Bedeutet: Bewerber*innen von heute sind nicht aktiv suchend, sondern meist in einer festen Anstellung. Dadurch bekommen Unternehmen keine oder zu wenig Bewerbungen. Dies betrifft nicht mehr nur die Branchen Gastronomie, Tourismus, Pflege oder Handwerk. Vielmehr zieht sich das Phänomen mittlerweile durch sämtliche Branchen. IT-Personal ist dabei ebenso begehrt wie Bäckerei-Azubis oder Mathematik-Lehrer*innen.

Aber nicht nur die Nachfrage nach Arbeitsplätzen hat sich verändert, sondern auch die Prioritäten von Arbeitnehmer*innen und Bewerber*innen. Waren vor einigen Jahren noch hervorragende Vergütung und Leistungen der Treiber bei der Jobsuche, so sind es Post-Covid die ausgewogene Work-Life-Balance, flexible Arbeitsmodelle und gute interne Aufstiegsmöglichkeiten. Es reicht als Arbeitgeber also nicht mehr, einfach nur ein gutes Gehalt zu bieten, es ist eine grundlegende Veränderung der Arbeitskultur gefragt.

Das sollten Unternehmen als Chance im Kampf um die Fachkräfte von heute und morgen sehen – und mit einer gezielten „Employee Centricity“-Strategie das eigene Personal stärken, fördern und binden. Und dennoch bewerten Arbeitnehmer*innen in einer von LinkedIn durchgeführten Studie u.a. den für sich am höchsten priorisierten Punkt „Work-Life-Balance“ in Umfragen als sehr gering erfüllt durch ihren jeweiligen Arbeitgeber.

Welche Future Skills Unternehmen haben müssen, um den Wandel zu schaffen und die Belegschaft mitzunehmen, davon berichteten bereits meine Kolleg*innen. Ebenfalls beleuchtet haben wir außerdem die große Notwendigkeit für Unternehmen, die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen in den Fokus zu stellen und bestehende Prozesse zu überdenken.

Wie aber positionieren Unternehmen sich als attraktive Arbeitgebermarken und kommunizieren nicht-greifbare Themen, wie die Arbeitskultur, flache Hierarchien oder die Veränderungskompetenz nach Außen? Über welche Wege machen sich Arbeitssuchende und auch diejenigen, die „einfach nur mal die Fühler ausstrecken wollen und eigentlich noch ganz zufrieden mit ihrem Job sind“ ein Bild von potenziellen neuen Arbeitgebern?

Die Socials als Indikatoren der Corporate Culture

Der erste Weg auf der Suche nach einem neuen Arbeitgeber führt nicht mehr (nur) über die gängigen Jobportale oder die Unternehmenswebsite. Denn dort findet man ja nur die Fakten schwarz auf weiß: was wird gesucht, was wird geboten und was wird verlangt. Aber wie genau das Unternehmen arbeitet, strukturiert ist, wie zufrieden die Mitarbeiter*innen, wie humorvoll der Chef und wie lecker der Obstkorb ist, das findet sich heute vor allem in den sozialen Netzwerken.

Unter dem Begriff Employer Branding wird die strategische Positionierung und Kommunikation genannt, die ein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darstellt. Neben den gängigen Job- und Karriereportalen, wie LinkedIn, Xing, aber auch Plattformen wie Stepstone oder indeed, bedienen sich Personal- und HR-Abteilungen häufig einer Marketing-Mischung, um die Effizienz des Recruitings und die Qualität der eingehenden Bewerbungen dauerhaft zu steigern und sich als Arbeitgebermarke im Arbeitsmarkt durchzusetzen.

Wie bei der klassischen Verkaufsförderung können auch beim Employer Branding Botschaft, Umsetzung und Zielgruppe je nach Kommunikationskanal variieren. Doch eines sollte jede Botschaft auf jedem Kanal unbedingt haben: Authentizität. Denn Glaubwürdigkeit ist die Währung, um sich als kritikfähiges, humorvolles und modernes Unternehmen zu positionieren und sowohl Mitarbeiter*innen zu binden wie auch potenzielle Bewerber*innen anzusprechen. Beispiele gefällig?
 

  1. Techniker Krankenkasse
    Die Techniker Krankenkasse hat mit ihrer #eslohntsich-Kampagne mit einem Karriereportal und Präsenz als TK.Karriere auf diversen Social-Media-Plattformen den richtigen Spagat zwischen Binden der Mitarbeiter*innen und Ansprache potenzieller Bewerber*innen geschafft. Auf Instagram wird der Berufsalltag als Azubi oder Dual-Studierender bei der Techniker Krankenkasse dargestellt. FAQs sind als Erklärvideos im Reelformat als Dialog zwischen Mitarbeiter*innen umgesetzt und auch unter dem Motto „The Reel Techniker“ stehen die Mitarbeiter*innen im Fokus und erklären, warum die TK der Traumarbeitgeber ist. Arbeitskulturelle Themen wie eine familiäre Arbeitsatmosphäre, flexible Arbeitszeit, gutes Gehalt, Sicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten werden genannt und die verschiedensten Berufsgruppen, die das Unternehmen ausbildet, dargestellt. Out-Takes sind direkt an den Anfang der Reels gestellt und lassen die Botschaft so noch authentischer wirken.
     
  2. ALDI SÜD
    Vor allem, um jüngere Zielgruppen als Auszubildende zu gewinnen, sind die sozialen Netzwerke wie TikTok und Instagram beliebt. In ihren Insight Reels wird der Berufsalltag in Lager, Logistik, und Filialen des Discounters – auch außerhalb der Öffnungszeiten – dargestellt und so ein guter Einblick in die Vielfältigkeit der Berufe gegeben. Und in den Kommentarspalten beginnt die Diskussion und der Austausch. Und genau dieser Austausch und die authentische Darstellung der Arbeitskultur eines Unternehmens sind es, die die klassischen Job- und Bewertungsportale vermissen lassen.

    2020 wurde ALDI SÜD für den Erfolg ihrer Recruitingkampagne „Für mich. Für uns. Für morgen.“ für Auszubildende auf TikTok, die über 1 Mio. Impressions, 50.000 Views und knapp 20.000 Likes in nur vier Tagen auf TikTok erzielt hat, mit dem German Brand Award in der Kategorie Employer Branding ausgezeichnet.

    ALDI SÜD nutzt Instagram und TikTok aber nicht nur für das erfolgreiche Employer Branding, sondern auch, um die Gen Z und Y, als Käufer für sich zu gewinnen und geht mit ihrer aktuellen „Für alle alle“-Kampagne durch die Decke. In den anderthalbminütigen Videos, in denen Wadik Junge, erfolgreicher YouTube-Comedian, mitspielt, wird ALDI als diverses und inklusives Unternehmen dargestellt, in dem alle – oder eben alle alle – willkommen sind. Die Videos sind humorvoll, überspitzt und sehr unterhaltsam und kommen auf TikTok und Instagram mit 3,9 Mio Views und 25.000 Likes sehr gut bei den Followern an. Viel interessanter noch als die Videos sind aber die Kommentare und die entsprechenden Antworten des Social Media Teams und der begleitenden Agentur. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass Unternehmens- und Arbeitgebermarke nicht immer strikt voneinander zu trennen sind, sich die Reputation der einen aber auf die andere auswirkt.
     
  3. Lufthansa
    Aufgrund eines starken Imageverlusts der Luftfahrt nach dem 11. September 2001 musste auch die Lufthansa nicht nur mit einem Mangel an Kunden, sondern auch an Bewerbungen zurechtkommen und stellte sich im Bereich Employer Branding neu auf. Für die Darstellung der vielen verschiedenen Bereiche und Berufe nutzt Lufthansa Group Careers einen YouTube Kanal wo neben Eindrücken aus dem Arbeitsalltag, Bilder von Events oder Verlinkungen auf Mitarbeiter*innen-Blog und ausgeschriebenen Stellen auch Live-Chats mit Mitarbeiter*innen zu bestimmten Karrierethemen zu finden sind. All das macht diesen großen Konzern erlebbar. Mit ihrem breit aufgestellten Kanal-Mix (Karriere-Website, YouTube, Stellenanzeigen, Twitter, Facebook, Unternehmensseite auf Xing oder LinkedIn, Arbeitgeber-Blog, Blog von Auszubildenden) wird das Unternehmen in Fachliteratur als Best-Practice-Beispiel für gelungenes Employer Branding angeführt.
     
  4. McDonald's
    Auch McDonald‘s hat die Kombination aus Bewegtbild und authentischen Mitarbeiter*innen für ihr Employer Branding eingesetzt und auf YouTube, Instagram und Facebook Mitarbeiter*innen „auf der gelben Couch“ platziert, um mit Vorurteilen gegen das Unternehmen aufräumen zu lassen und die Unternehmenskultur näher zu bringen. Im Gespräch wird über die Ausbildung bei McDonald’s, die Diversität, Gehaltsstrukturen, Karrierechancen im Unternehmen und ähnlichen Themen gesprochen. Auf einer Karriereseite werden die Bereiche Ausbildung und duales Studium mit ihren Benefits zusätzlich noch einmal erläutert. Gerade bei einem Unternehmen, das mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, kann ein gutes Community Management die halbe Miete sein. Leider ist die Kommentarfunktion auf YouTube ausgeschaltet und werden die Kommentare auf Instagram wenig bis gar nicht dafür genutzt, für McDonald’s als Arbeitgeber Punkte zu sammeln.
     
  5. Deutsche Bahn
    Wie sich das Image eines Unternehmens – ob nun als Arbeitgeber- oder Unternehmensmarke - durch das Community Management wandeln kann, wird deutlich am Beispiel der Deutschen Bahn. Das verstaubte Bild einer stets verspäteten alten Bahn wird mit durch einen humorvollen und kritikfähigen Umgang mit Vorurteilen und Kommentaren auf Twitter abgeschüttelt.

    Die Corona-Pandemie war durch Entbehrung in allen Bereichen gezeichnet und die Entscheidungen und Regeln der Politik waren häufig Anlass für Kritik in diversen Medien. So hat die Deutsche Bahn die Kritik an den Corona-Regeln für Busse und Bahnen durch Julian Reichelt humorvoll gekontert und für viele Likes und Retweets gesorgt. Und den Bundesligastart 2022 hat das Social-Media-Team der Deutschen Bahn gemeinsam mit ihren betreuenden Agenturen dazu genutzt, das Sommerloch zu überbrücken und für den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

    Hier wird wieder deutlich, wie wichtig die Kommentarfunktion und ein aktives Community-Management für die Glaubwürdigkeit einer Arbeitgebermarke sind.

Entspricht das gezeigte Bild auch der Realität?    

Neben dem, was in Social Media passiert, zählt auch noch ein weiterer Faktor. Denn wie Arbeitnehmer*innen ihre eigenen Arbeitgeber und die Arbeitskultur bewerten und wie das Gehalt im Branchendurchschnitt einzuordnen ist, das findet sich auf Plattformen wie kununu, Glassdoor oder meinchef.de.

3 von 4 Jobsuchende nutzen Arbeitgeber-Bewertungsportale wie kununu als zentrale Anlaufstelle. Eine wunderbare Möglichkeit, sich auch hier als Unternehmen darzustellen und eine noch nicht genügend ausgeschöpfte Möglichkeit für das Employer Branding. Denn auch hier gibt es die Möglichkeit, sich als Arbeitgeber mit seiner Kultur und Vision darzustellen, was in diesem Fall viel wichtiger ist als die Errungenschaften und das Produktportfolio.

Und wieder heißt es: Die richtigen Themen auf der richtigen Plattform machen die Musik. Wie auch bei den sozialen Netzwerken gibt es hier die Möglichkeit, in den Dialog zu treten und auf Bewertungen zu reagieren. Wenn ein Unternehmen sich ein offizielles Profil angelegt hat, kann die Personalabteilung hier wunderbar Kritik entkräften oder konstruktiv auf diese reagieren. Viel Kraft liegt in guten Bewertungen durch das Einbeziehen der bestehenden Mitarbeiter*innen in das Employer Branding. Nichts ist glaubwürdiger als ein ehrlich gemeinter Bericht über die Einschätzung und Zufriedenheit eines/r Mitarbeiter*in über die Gehaltsstruktur, den Bewerbungsprozess und die Arbeitskultur des Arbeitgebers.

Kununu bietet für Arbeitgeber kostenlose und kostenpflichtige Produkte an – so haben auch KMUs in Deutschland die Möglichkeit, je nach Unternehmensgröße und Kapazitäten, diese Plattform aktiv als Teil ihrer Employer-Branding-Strategie zu nutzen.

 

Fazit

Die Gesellschaft ist sich einig: ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist ohne qualifizierte Fachkräfte nicht denkbar und Unternehmen sollten alles dafür tun, bestehendes Personal zu binden und neues Personal auszubilden. Um gute und glaubwürdige Kommunikation als Arbeitgebermarke zu betreiben, sollte also immer zwischen Unternehmensmarke und Arbeitgebermarke unterschieden werden. Für erfolgreiches Reputation Management müssen die Bewertungsplattformen als Chance gesehen und das Community Management immer mitgedacht werden, um sich als kritikfähig und humorvoll darzustellen. Denn die besten Geschichten spielen sich meist in den Kommentarspalten ab.

Quellen:

Bundesagentur für Arbeit
Personio
LinkedIn
finanzen.net
Kununu
OMR
Recruitee

Laura ist Beraterin für klassische und digitale Kommunikation. Und auch wenn man es ihr nicht ansieht: Laura ist ein alter Hase in der Werbebranche. Die Gute ist ordentlich rumgekommen – und hat schon fast überall gelebt und gearbeitet. Nach Stationen in Bremen, Berlin, Brooklyn und Brüssel ist die Beratung in der besten Agentur Schleswig-Holsteins allerdings nur der nächstlogische Schritt gewesen, oder? Großartig jedenfalls, dass sie bei uns endlich eine Heimat gefunden hat, die Laura.

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