Bei allen Dienstleistungen geht es im Kern darum, Unternehmen oder Personen Tätigkeiten abzunehmen, die diese aus den verschiedensten Gründen nicht selbst erbringen wollen, können oder dürfen. Sei es generell, partiell, permanent oder temporär, vorsätzlich oder beiläufig.
So widmen sich bespielsweise Handwerke*innen im Allgemeinen eben jenen Aufgaben, die Du nicht kannst, für die Du kein geeignetes Werkzeug hast, für die Du Dir keine Zeit nehmen willst. Oder es handelt sich gar um Aufgaben, die Du ohne entsprechenden Sachkundenachweis ohnehin nicht selbst durchführen dürftest. Aber wer würde schon seine Stromleitungen selbst anschließen wollen? Ärzt*innen kümmern sich um Dinge, die wir Nicht-Mediziner*innen schlicht nicht wissen und beurteilen können. Und auch Versicherungen bilden eine Solidargemeinschaft für solche Fälle, die beim besten Willen kaum jemand auf sich allein gestellt stemmen können dürfte.
Wer, Wann, Wo, Warum und Wie?
Services können sowohl eigene als auch fremde Produktportfolios erweitern. Und Du kannst mit ihnen ganz neue Dienstleistungen in einer bestimmten Kategorie identifizieren.
Ein guter Startpunkt: eine Analyse der Akteur*innen, Touchpoints, Bedürfnisse und Angebote:
- Akteur*innen: Wer käme für eine Dienstleistung überhaupt in Frage? Wer nutzt bestimmte Produkte? In welcher Art und Weise? Wer noch nicht und warum nicht?
- Touchpoints: Welche Berührungspunkte zwischen den Akteur*innen, dem Produkt und Dir gibt es? Wann, wann nicht? Wo, wo nicht? Warum oder warum nicht?
- Bedürfnisse: Welche Bedürfnisse der Akteur*innen befriedigt das Produkt oder ein bestehender Service? Welche nicht und warum nicht?
- Angebote: Wie werden Produkte bisher angeboten? Wie noch nicht? Mit welchen Services oder Geschäftsmodellen?
Sechs Mängel und ihr Service-Potenzial
Klopfe Deine Kompetenzen und Möglichkeiten nun dahingehend ab, ob sie die Antwort auf einen der folgenden sechs Mängel bei den Akteur*innen sein könnten. Sei es permanent, lang-, mittel-, kurzfristig oder auch nur einmalig.
1. Mittel
Jemand hat einen Garten, aber keinen Rasenmäher. Also verleihe ich einen.
Welche Mittel hast Du oder kannst Du anbieten, die anderen fehlen oder deren Anschaffung sich für sie nicht rentiert? Das kann Werkzeug, Logistik, Fläche, Kapital etc. sein. Welche Leistung kannst Du erbringen, damit Deine Kunden das Produkt besser, leichter, einfacher, schneller, bequemer, häufiger, unabhängiger, kontinuierlicher oder überhaupt nutzen? Klassischer Weise sind hier alle Arten von Verleihen zu nennen: Autos, Werkzeuge, Kinderbücher und – wenn man das Konzept großzügig auslegt – auch Mietwohnungen. Was könntest Du anderen zeitweise überlassen?
2. Zeit
Jemand hat einen Garten, aber arbeitet auf einer Bohrinsel. Also sorge ich dafür, dass der Rasen bedarfsgerecht gemäht wird.
Welche zeitlichen Aspekte kannst Du im Zusammenhang mit einem vorhandenen oder geplanten Produkt anbieten? Wenn Kund*innen – aus den unterschiedlichsten Gründen – die Zeit fehlt, sich um etwas zu kümmern, ergeben sich sehr einfach Service-Potenziale.
Viele Hol-, Bring- und Lieferservices basieren auf dem Aspekt der Zeit: Pizzaservice statt Essen-gehen oder selber Zutaten kaufen, belegen, backen. Oder Verbrauchsmaterial – wie zum Beispiel Druckerpapier – selbstständig nachschieben lassen. Der Online-Dienst Blinkist fasst Literatur, aber auch Fach- und Sachbücher mit ihren Kerndedanken auf wenigen Textseiten zusammen. Das erspart die Mühe der eigenen Lektüre. Und manchmal geht es auch einfach nur um die Verkürzung, Minimierung oder Vermeidung von Wartezeiten. Hast Du schon mal jemanden bezahlt, der/die an Deiner Stelle in einer Warteschlange gestanden hat?
3. Wille
Jemand hat einen Garten, aber überhaupt keine Lust aufs Rasenmähen. Also: Ich tu’s für ihn.
Hier geht es um Bequemlichkeit, persönliche Komfortzonen, Prioritäten oder auch einfach ein bißchen Faulheit. Überall, wo andere nicht selbst einen organisatorischen, zeitlichen, personellen oder technischen Aufwand treiben wollen, kommt Deine Service-Idee zum tragen.
Die Bequemlichkeit hat zum Aussterben der Videotheken geführt, weil Video-on-Demand- und Streaming-Dienste eben noch leichter zugänglich sind – und kein Film jemals restlos verliehen sein kann. Wo könntest Du einspringen, wenn sich jemand mal zurücklehnen möchte?
4. Wissen
Jemand hat einen Garten, aber weiß nicht wann und wie kurz der Rasen gemäht werden muss. Also erkläre ich es.
Du bietest das Know-how, das anderen fehlt – und das sie sich auch nicht selbst aufbauen wollen oder können. Tax-Fit und WiSo unterstützen Dich bei der Steuererklärung und Stiftung Warentest hilft bei der durchdachten Auswahl eines Produktes. Preisvergleichsportale zeigen, wo es den gewünschten Artikel für den geringsten Preis gibt. Zu welchem Thema könntest Du Tutorials anbieten?
5. Können
Jemand hat einen Garten, aber sich gerade das Bein gebrochen. Also: Ich mähe.
Wenn die Fertigkeiten oder Erfahrungen einer Kund*in nicht ausreichen, um ein Ergebnis in der gewünschten Qualität zu erzielen, kommt der Fachmensch ins Spiel. Ein typisches Theoretiker*innen-Problem: Man weiß, wie es geht – kann es aber selber nicht.
Im Dunstkreis von Ikea hat sich z.B. ein Service etabliert, der beim Aufbau der Möbel hilft. Jede*r Handwerker*in freut sich über Auftraggeber*innen, die permanent über Schultern schauen, kluge Ratschläge oder dumme Fragen von sich geben. Was kannst Du, was andere nicht können?
6. Dürfen
Jetzt hinkt der Vergleich etwas, aber mal angenommen, man müsste für einen Rasenmäher einen Führerschein besitzen und die Garteneigentümer*in hätte den nicht. Ich hingegen schon. Also: Ich kümmere mich darum.
Wenn für bestimmte Aufgaben besondere Qualifikationen erforderlich sind, kommt das Dürfen ins Spiel. Gesetzliche Auflagen verbieten anderen, solche Produkte oder Dienstleistungen anzubieten. Das sind zum Beispiel Ärzt*innen, Anwält*innen, Energieberater*innen und Schornsteinfeger*innen. Mit welchen zertifizierten Kompetenzen könntest Du andere unterstützen?
Methoden
Um Service-Potenzialen auf die Spur zu kommen, musst Du Deinen Markt und die Menschen darin sehr gut kennen. In einer Service Safari beobachtest Du Akteur*innen – und solche, die es sein könnten – in freier Wildbahn und gewinnst Erkenntnisse aus erster Hand. Personas helfen Dir, ein strukturiertes Bild der Bedürfnisse verschiedener Akteure zu dokumentieren. Die Jobs-to-be-Done-Methode hilft Dir, die wahren Gründe hinter diesen Bedürfnissen zu erkennen. Mit einer Customer Journey Map skizzierst Du Touchpoints und mögliche Wege der Interaktion zwischen Akteur*in, Produkt und Dir. Im Service Blueprint gehst Du auf jeden identifizierten Touchpoint ein und definierst mögliche Aktionen und Reaktionen aller Akteur*innen. Schließlich kannst Du Deinen neuen Service in einem Staging oder Rollenspiel erproben – Feedback fließt gleich in die nächste Iterationsstufe ein.
Sprich uns an, wenn Du Deine eigenen Service-Potenziale ausloten möchtest. Denn das ist einer unserer Services.
Fazit: Individuelles vs. Universales Design
Wo Produkte sind, sind auch Dienstleistungen nicht weit. Und weil Menschen nun mal nicht alle gleich ticken, gibt es nicht die eine Lösung für alle, sondern aus sechs Gründen im Zweifel 8 Milliarden individuelle. Das ist Deine Chance auf einen einzigartigen Service.
Quellen:
- „Innovation Plug & Play“, Lutz Lungershausen, mitp 2021
- „Good Services“, Lou Downe, BIS 2020
- „This is Service Design Thinking“, Marc Stickdorn, Jakob Schneider, BIS 2011
- „Service Design“, Birgit Mager, Michael Geis, UTB 2009
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