Egal welche Branche, egal welche Abteilung und egal wo: Es braucht Fachkräfte, Auszubildende, Young Professionals, erfahrene Leistungsträger*innen und Quereinsteiger*innen. Aber warum muss es immer ein „Kampf“ um Arbeitskräfte und Rekruten, ein „War on Talents“ sein? Unternehmen suchen keine Söldner*innen und Soldat*innen, die stumpf Befehle befolgen. Sie suchen smarte und flexible Fachkräfte, die Verantwortung übernehmen, unabhängig und lösungsorientiert denken – und dabei immer die Zukunft und das Team im Blick haben. Und umgekehrt suchen Arbeitnehmer*innen keine starren Hierarchien und strenge Generealstabsstellen, die Ressourcen von A nach B schieben, sondern wertschätzende, faire Arbeitgeber*innen, die Verständnis für die individuellen Bedürfnisse ihrer Teams haben – und viel Raum zur Entwicklung und Mitgestaltung schaffen. Kurzum: Beide Seiten suchen eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Wenig Egoismus, viel gemeinsames Vorankommen, Loyalität, Leidenschaft und Spaß. Wie in einer guten Beziehung eben. Und bei genauerem Hinsehen bietet dieser Ansatz eine erfrischende Alternative zur klassischen Personalbeschaffung.
Fachkräfte sind rar. Aber martialische Rhetorik ist nicht die Lösung im Employer Branding.
Make love, not war
Das beginnt bereits bei der Jobsuche. Die findet genau wie die Partner*innen-Suche heute fast ausnahmslos online statt. Und auch die ersten Begegnungen zwischen Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen gehorchen der Online-Dating-Logik. Das gilt für Trends wie das Job-Speed-Dating, spezielle Job-Apps wie jobbringer.com oder skilledapp.de, bei denen sich die Nutzer* innen – wie auf Tinder – mit jedem Swipe einem potenziellen Traumjob nähern. Auch in Sachen Reputation geht der Vergleich auf: Hört man sich vor dem ersten Date nach Empfehlungen oder schlechten Erfahrungen anderer um, sucht man im Job-Kontext auf Plattformen wie kununu oder Glassdoor nach potenziellen Red Flags. Klar, dass man auch die Social-Media-Profile der Zielperson checkt. Während flirtwillige Privatpersonen sich auf Instagram und Co. sportlich, weltgewandt oder edgy präsentieren, haben Unternehmen dort die Chance, ihre gute Work-Life-Balance und das harmonische Arbeitsklima zu betonen. Social Media schließt hier eindeutig auch Business-Netzwerke wie LinkedIn mit ein, deren wachsende Bedeutung sowohl für Talente als auch für Unternehmen nur noch prägnanter werden wird. Nirgendwo anders haben Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber* innen derzeit so gut die Möglichkeit, sich selbst in einem beruflichen Kontext zu inszenieren und miteinander in Kontakt zu treten.
Content is king, authenticity is queen
Apropos Karriere-Inhalte für Social Media. Regelmäßig aktuellen und spannenden Content zu produzieren, ist gar nicht so einfach. Inzwischen ist dies jedoch eine Anforderung, um auf dem Markt der Möglichkeiten nicht komplett unterzugehen. Für Unternehmen ist es nahezu essenziell geworden, digitale Einblicke zu gewähren, die eigenen Unternehmenswerte nach außen zu präsentieren und der eigenen Marke somit ein authentisches Gesicht zu geben. Klingt nach einer aufwändigen Aufgabe? Nicht, wenn die Inhalte sowieso schon da sind. Und Social-Media-affine Mitarbeiter*innen das Ruder übernehmen. Als Corporate Influencer*innen bergen die eigenen Teammitglieder ein riesiges (und oft ungenutztes) Potenzial in Sachen Außenkommunikation. Denn hier sind in doppelter Hinsicht Profis am Werk. Warum sprechen nicht diejenigen über ein Unternehmen, die den ganzen Weg über Bewerbung, Onboarding bis hin zum realen Arbeitsalltag schon gegangen sind? Man freut sich über ausgefallene Geburtstagsgeschenke von Büronachbar*innen, Azubis fahren zu spannenden Weiterbildungsmessen, nach Feierabend unternimmt das Team eine herrliche Fahrradtour. Schade nur, wenn das von außen niemand mitbekommt. Der Content findet bereits statt – er muss „nur noch“ richtig aufgegriffen und kommuniziert werden. Genau das ist der Punkt, an dem die Mitarbeitenden zu Corporate Influencer*innen bzw. Markenbotschafter*innen werden. Die Profilierung des Zusammenhalts und der Mentalität unter den Angestellten – das sogenannte Team-Branding – ist ebenso wichtig und attraktiv wie eine gute Arbeitgeber*innenmarke. Auf diese Weise erfahren interessierte Fachkräfte schließlich nicht nur, ob es gut wäre, für ein Unternehmen zu arbeiten, sondern auch, wie es sich vermutlich anfühlen wird, ein Teil des Teams zu sein.
Schwache Vorteile sind ein echter Nachteil
Obstkorb, Mineralwasser, Remote Work, „flache Hierarchien“, Entwicklungsmöglichkeiten und Co. sind keine spektakulären Alleinstellungsmerkmale mehr, sondern sollten vielmehr Selbstverständlichkeiten sein. Ebenso wie flexible Arbeitszeitmodelle, sofern möglich. Was es braucht, sind Benefits, die so individuell und kreativ sind, dass sie Augenbrauen hochziehen und gleichzeitig das Potenzial zum PR-Faktor haben. Wie wäre es also mit einer jährlichen Weihnachtsfeier an einem wechselnden Reiseziel, Geburtstagsgeschenken für die Kinder von Teammitgliedern oder Entspannungsräumen für das Powernap in der Mittagspause? Was bei Jobrädern oder ÖPNV-Prämie beginnt, kann bis zur Bezuschussung von Fitnessoder Mental-Health-Apps oder monatlichen Tickets für die Sneak-Preview im Kino um die Ecke durchgespielt werden. Je individueller und regionaler, desto besser. Das kostet? Hohe Fluktuation und der Verlust guter Fachkräfte kosten mehr. Eine Befragung, was genau sich die eigenen Mitarbeitenden wünschen, ist ein guter erster Ansatz. Regelmäßige Evaluation, Diskussion und Ergänzung hält die eigene Benefit-Strategie frisch. Eine solche Strategie liest sich nicht nur gut in den Karrierebereichen und Stellenausschreibungen, sie stärkt auch die Zufriedenheit der Belegschaft – die wiederum idealerweise auf Social Media und Bewertungsportalen davon berichtet.
Der Weg und das Ziel: Candidate Experiences
Ein guter erster Eindruck ist die halbe Miete. Diesen zu bestätigen, ist die zweite Hälfte. Ganz wie bei der Partner*innen-Suche. Vom Bewerbungsprozess über Ergebniskommunikation bis hin zu den ersten 100 Tagen im Job: Die Candidate Experience hat zunehmend Einfluss darauf, ob Fachkräfte, die sich beworben haben, den Job nach einer Zusage überhaupt antreten und das Unternehmen nicht schon während der Probezeit wieder verlassen. In Zeiten eines überbrodelnden Jobangebots wird „Job-Ghosting“, das stille Abspringen von Kandidat*innen, immer mehr zum Faktor. Ein besseres Jobangebot, erlebte Diskrepanz zwischen Versprechen und Verhalten von Arbeitgeber* innen, keine Kommunikation auf Augenhöhe – Gründe gibt es genug. Viele Jobsuchende sind angesichts des Fachkräftemangels nicht zwingend darauf angewiesen, ungünstige Rahmenbedingungen in Kauf zu nehmen oder trotz enttäuschter Erwartungen „durchzuhalten“.
Um die Candidate Experience zu analysieren und zu optimieren, muss sie aus Sicht der Kandidat*innen betrachtet werden. Die Gestaltung und Optimierung ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich ändernden Bedürfnissen und Technologien anpassen muss. Stellen wir die individuellen Benefits zielgruppengerecht heraus oder bekommt jede Stellenanzeige das gleiche Set an Vorteilen verpasst? Machen wir es einer zunehmend ungeduldigeren Zielgruppe einfach genug, sich unkompliziert zu bewerben? Brauchen wir wirklich noch ein Anschreiben, wenn Bewerbende diese zunehmend von Künstlicher Intelligenz verfassen lassen? Möchten Bewerbende vor dem Erstgespräch alle Teilnehmenden namentlich kennen und vielleicht mal das LinkedIn-Profil der Personen auschecken? Und wie können wir das Pre-Boarding, also die Zeit zwischen Job-Zusage und -Start, sinnvoll nutzen und ein persönliches Kennenlernen mit der Führungskraft und dem zukünftigen Team organisieren? Wertschätzung, Offenheit, Transparenz – das fordern nicht nur bestehende Mitarbeitende von ihrem Arbeitgeber. Für Bewerbende wird die erlebbare Unternehmenskultur und der Umgang miteinander schon vor dem Eintritt zum essenziellen Kriterium.
Und dann kann er kommen: der erste Tag im neuen Job. Jetzt wird sich zeigen, ob aus Schwärmerei eine langfristige Beziehung wird.
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